Einbeziehung der Tabaksteuer in die Bemessungsgrundlage der Einfuhrumsatzsteuer beim Zigarettenschmuggel

Wurden in der Bundesrepublik Deutschland sichergestellte in das Zollgebiet der Europäischen Union geschmuggelte Zigaretten über einen bestimmten anderen Mitgliedstaat in das deutsche Steuergebiet verbracht, hat die deutsche Zollverwaltung neben dem auf die Tabakwaren entfallenden Zoll und der Tabaksteuer auch die Einfuhrumsatzsteuer festzusetzen, falls die Zollschuld weniger als 5.000 € beträgt. IIn diesem Fall ist die deutsche Einfuhrumsatzsteuer erst nach dem unzulässigen Verbringen der Tabakwaren in das deutsche Steuergebiet entstanden mit der Folge, dass die entstandene Tabaksteuer der Bemessungsgrundlage für die Einfuhrumsatzsteuer hinzuzurechnen ist.

Einbeziehung der Tabaksteuer in die Bemessungsgrundlage der Einfuhrumsatzsteuer beim Zigarettenschmuggel

Nach Art.202 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. a ZK entsteht eine Einfuhrzollschuld, wenn eine einfuhrabgabenpflichtige Ware vorschriftswidrig in das Zollgebiet der Union verbracht wird. Diese Voraussetzungen sind im Streitfall erfüllt. Das Finanzgericht hat aus dem Umstand, dass die in dem Fahrzeug des Klägers bzw. in seiner Wohnung gefundenen Zigarettenschachteln keine Steuerzeichen aufwiesen, in rechtlich nicht zu beanstandender Weise geschlossen, die Zigaretten seien aus einem Drittland in das Zollgebiet der Union verbracht worden, ohne sie zu einer Zollstelle zu befördern und sie dort zu gestellen (Art.202 Abs. 1 Unterabs. 2, Art. 38 Abs. 1, Art. 40 ZK).

Die deutsche Zollverwaltung ist gemäß Art. 217 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Art. 215 Abs. 3 ZK berechtigt, den dieser Zollschuld entsprechenden Einfuhrabgabenbetrag buchmäßig zu erfassen und festzusetzen, weil die Zollschuld des Streitfalls als in Deutschland entstanden gilt. Nach den Feststellungen sind in dem hier vom Bundesfinanzhof entschiedenen Fall die Zigaretten über Polen vorschriftswidrig in das Zollgebiet der Union verbracht worden, weshalb die Zollschuld des Art.202 ZK zwar in Polen entstanden ist, jedoch nach Art. 215 Abs. 4 ZK gleichwohl als in Deutschland entstanden gilt, weil in Deutschland ihre Entstehung festgestellt wurde und sie weniger als 5.000 € beträgt.

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Zollschuldner sind (u.a.) gemäß Art.202 Abs. 3 Anstrich 3 ZK die Personen, welche die betreffende Ware erworben oder im Besitz gehabt haben, obwohl sie in dem Zeitpunkt des Erwerbs oder Erhalts der Ware wussten oder vernünftigerweise hätten wissen müssen, dass diese vorschriftswidrig in das Zollgebiet verbracht worden war. Der Kläger erfüllt diese Voraussetzungen, da er die Zigaretten, die sich in seiner Wohnung und seinem Fahrzeug während des Transports befanden, in Besitz hatte1. Nach den Feststellungen hat der Kläger auch gewusst, dass die Zigaretten vorschriftswidrig in das Zollgebiet verbracht worden waren.

Entsprechendes gilt hinsichtlich der Einfuhrumsatzsteuer, weil für diese nach § 21 Abs. 2 UStG die Vorschriften für Zölle sinngemäß gelten.

Wie der Bundesfinanzhof2 ausgeführt und der Gerichtshof der Europäischen Union3 bestätigt hat, folgt die Befugnis zur Erhebung der Einfuhrumsatzsteuer grundsätzlich der Befugnis zur Erhebung des Zolls. Mit der dementsprechend durch § 21 Abs. 2 UStG angeordneten sinngemäßen Anwendung der Zollvorschriften soll sichergestellt werden, dass die bei der Einfuhr zu erhebenden Abgaben von ein und derselben Behörde in einem Bescheid nach dem gleichen Verfahren aufgrund einheitlich getroffener Feststellungen einfach und zweckmäßig erhoben werden. Dem entspricht es, auch Art. 215 Abs. 4 ZK auf die Einfuhrumsatzsteuer anzuwenden4 und wie das Finanzgericht zutreffend ausgeführt hat- in Fällen wie dem vorliegenden die Zollbehörde desjenigen Mitgliedstaats, in dem die Entstehung einer Zollschuld in einem anderen Mitgliedstaat in Höhe von weniger als 5.000 € festgestellt wurde, auch dann als für die Erhebung der Einfuhrumsatzsteuer zuständig anzusehen, wenn die Einfuhrumsatzsteuerschuld diesen Betrag übersteigt.

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Die auf die Zigaretten entfallende Tabaksteuer sind bei der Ermittlung der Bemessungsgrundlage für die Einfuhrumsatzsteuer (§ 11 Abs. 1 UStG) zu berücksichtigen. Nach § 11 Abs. 3 Nr. 2 UStG sind die aufgrund der Einfuhr im Zeitpunkt des Entstehens der Einfuhrumsatzsteuer auf den Gegenstand entfallenden Beträge an (u.a.) Verbrauchsteuern der Bemessungsgrundlage für die Einfuhrumsatzsteuer hinzuzurechnen. Da es sich hierbei um eine Vorschrift zur Bestimmung der Bemessungsgrundlage für die deutsche Einfuhrumsatzsteuer handelt, ist allein der Zeitpunkt des Entstehens der deutschen Einfuhrumsatzsteuer maßgeblich. Daher kommt nicht der Zeitpunkt der Einfuhr der Zigaretten nach Polen in Betracht5.

Die Berechtigung der deutschen Zollbehörden, für die beim Kläger gefundenen unversteuerten Zigaretten die deutsche Einfuhrumsatzsteuer zu erheben, ergibt sich wie ausgeführt- aus Art. 215 Abs. 3 ZK i.V.m. der Fiktion des in Deutschland liegenden Orts der Zollschuldentstehung gemäß Art. 215 Abs. 4 ZK. Der Zeitpunkt des Entstehens der deutschen Einfuhrumsatzsteuer i.S. des § 11 Abs. 3 Nr. 2 UStG ist somit der Zeitpunkt, in dem die Voraussetzungen des Art. 215 Abs. 4 ZK erfüllt waren, mithin der 23.02.2007, als die unversteuerten Zigaretten beim Kläger entdeckt wurden. Zu diesem Zeitpunkt waren die Zigaretten in das deutsche Steuergebiet eingeführt und damit die Tabaksteuer entstanden.

Die Tabaksteuer ist im Streitfall nach § 19 Satz 1 TabStG (in der hier maßgeblichen bis zum 31.03.2010 geltenden Fassung) entstanden, weil die Zigaretten unzulässigerweise entgegen § 12 Abs. 1 TabStG, d.h. ohne Verwendung von Steuerzeichen, aus dem freien Verkehr eines anderen Mitgliedstaats (hier Polen) zu gewerblichen Zwecken in das Steuergebiet verbracht worden sind. Um ein Verbringen zu privaten Zwecken i.S. des § 20 TabStG handelt es sich zweifellos nicht und die zunächst in Polen in das Zollgebiet der Union eingeführten Zigaretten befanden sich dort auch im freien Verkehr, denn nach Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 2 Buchst. c der (im Streitfall noch anzuwendenden) Richtlinie 92/12/EWG des Rates vom 25.02.1992 über das allgemeine System, den Besitz, die Beförderung und die Kontrolle verbrauchsteuerpflichtiger Waren6 gilt als Überführung verbrauchsteuerpflichtiger Waren in den steuerrechtlich freien Verkehr jede auch unrechtmäßige- Einfuhr dieser Waren, sofern sie nicht einem Verfahren der Steueraussetzung unterstellt worden sind7.

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Werden wie im Streitfall- verbrauchsteuerpflichtige Waren, die in einem Mitgliedstaat bereits in den steuerrechtlich freien Verkehr übergeführt worden sind, zu gewerblichen Zwecken in einen anderen Mitgliedstaat verbracht, ist dieser gemäß Art. 6 Abs. 1 i.V.m. Art. 7 Abs. 1 RL 92/12/EWG für die Erhebung der Verbrauchsteuer zuständig8.

Steuerschuldner ist nach § 19 Satz 2 TabStG (u.a.) der Empfänger der Tabakwaren, sobald er Besitz an ihnen erlangt hat. Zutreffend hat das Finanzgericht insoweit in Anbetracht des Art. 9 Abs. 1 RL 92/12/EWG sowie unter Berücksichtigung des Urteils des Bundesfinanzhofs vom 10. Oktober 20079 angenommen, als „Empfänger“ im Sinne dieser Vorschrift sei derjenige anzusehen, der im Steuergebiet unversteuerte Tabakwaren in Empfang nimmt, indem er seine tatsächliche Herrschaft (Sachherrschaft) an ihnen begründet, denn nach vorgenanntem BFH-Urteil geht es bei der Bestimmung des verbrauchsteuerrechtlichen Abgabenschuldners darum, denjenigen in Anspruch nehmen zu können, in dessen unmittelbarer Obhut eine verbrauchsteuerpflichtige Ware sich befindet und der deshalb anhand objektiver Umstände leicht ausgemacht und zur steuerrechtlichen Verantwortung gezogen werden kann.

Der Bundesgerichtshof hat zwar zu § 19 Satz 2 TabStG die Auffassung vertreten, Schuldner der Tabaksteuer könne nur derjenige „Empfänger“ der Tabakwaren sein, der den Besitz an diesen im Rahmen des Verbringungs- bzw. Versendungsvorgangs selbst erlangt habe, somit nicht derjenige, in dessen Besitz die Tabakwaren erst gelangen, nachdem der Verbringungs- bzw. Versendungsvorgang bereits beendet worden sei10. Ob diese Ansicht des Bundesgerichtshofs einer richtlinienkonformen Auslegung des § 19 Satz 2 TabStG unter Heranziehung des Art. 9 Abs. 1 Unterabs. 2 RL 92/12/EWG entspricht, kann im Streitfall offenbleiben, weil der Kläger auch bei der vom Bundesgerichtshof vertretenen Auslegung des § 19 Satz 2 TabStG Schuldner der Tabaksteuer wäre. Der Vorgang des Verbringens der Zigaretten in das deutsche Steuergebiet war nämlich noch nicht beendet, als der Kläger sie zum Zweck ihres Weitertransports in sein Fahrzeug umladen ließ. Nach den vom Finanzgericht wiedergegebenen Vernehmungsprotokollen sowie der Anklageschrift befanden sich die Zigaretten noch auf ihrem mit einem polnischen Fahrzeug durchgeführten Transport von Polen zu ihrem Empfänger in Deutschland, der nur unterbrochen worden war, um die Zigaretten auf das vermeintlich unverdächtige Fahrzeug des Klägers mit deutschem Kennzeichen umzuladen. Die Zigaretten waren somit noch nicht – wie es der BGH formuliert – „in Sicherheit gebracht“ worden und „zur Ruhe gekommen“, als der Kläger den Besitz an ihnen erlangte.

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Bundesfinanzhof, Urteil vom 22. Mai 2012 – VII R 50/11

  1. vgl. insoweit: BFH, Urteil vom 20.01.1998 – VII R 57/97, BFH/NV 1998, 893[]
  2. BFH, Urteil vom 06.05.2008 – VII R 30/07, BFHE 221, 325, ZfZ 2008, 301[]
  3. EuGH, Urteil vom 29.04.2010 – C-230/08, Slg. 2010, I-3799[]
  4. BFH, Urteil in BFHE 221, 325, ZfZ 2008, 301[]
  5. a.A. zu einem entsprechenden Fall: FG München, Urteil vom 28.05.2009 – 14 K 335/07[]
  6. ABl.EU Nr. L 76/1[]
  7. vgl. EuGH, Urteil in Slg. 2010, I-3799, Rz 75[]
  8. EuGH, Urteil in Slg. 2010, I-3799, Rz 112-114[]
  9. BFH vom 10.10.2007 – VII R 49/06, BFHE 218, 469, ZfZ 2008, 85[]
  10. BGH, Urteil vom 02.02.2010 – 1 StR 635/09, NStZ 2010, 644[]