Verpflichtet sich ein Vorhabenträger in einem Vertrag mit Grundstückserwerbern gegen Zahlung von Erschließungskosten dazu, Erschließungsleistungen an eine Gemeinde zu erbringen, wird die Erschließung gegen Entgelt erbracht.

Ein steuerbarer Umsatz in Form einer Leistung gegen Entgelt i.S. des § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG liegt vor, wenn zwischen dem Leistenden und dem Leistungsempfänger ein Rechtsverhältnis besteht, in dessen Rahmen gegenseitige Leistungen ausgetauscht werden, wobei die vom Leistenden empfangene Vergütung den tatsächlichen Gegenwert für die dem Leistungsempfänger erbrachte Leistung bildet1. Der Leistungsempfänger muss identifizierbar sein; er muss einen Vorteil erhalten, der zu einem Verbrauch i.S. des gemeinsamen Mehrwertsteuersystems führt2.
Entgelt ist alles, was der Leistungsempfänger aufwendet, um die Leistung zu erhalten, jedoch abzüglich der Umsatzsteuer (§ 10 Abs. 1 Satz 2 UStG). Gemäß § 10 Abs. 1 Satz 3 UStG gehört „zum Entgelt [auch], was ein anderer als der Leistungsempfänger dem Unternehmer für die Leistung gewährt“3.
Dies setzt Art. 11 Teil A Abs. 1 Buchst. a der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17.05.1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern -nunmehr Art. 73 MwStSystRL- um, wonach zur Besteuerungsgrundlage alles zählt, was den Wert der Gegenleistung bildet, die der Lieferer oder Dienstleistende für diese Umsätze vom Abnehmer oder Dienstleistungsempfänger oder von einem Dritten erhält oder erhalten soll, einschließlich der unmittelbar mit dem Preis dieser Umsätze zusammenhängenden Subventionen4.
Für die Annahme einer Leistung „gegen Entgelt“ ist danach nicht erforderlich, dass die Gegenleistung vom Leistungsempfänger erbracht wird. Sie kann auch von einem Dritten erbracht werden5. Die unmittelbar mit dem Preis eines der Steuer unterliegenden Umsatzes zusammenhängenden Subventionen sind nur eine von mehreren Fallgestaltungen, auf die Art. 11 Teil A Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 77/388/EWG, Art. 73 MwStSystRL abzielt; unabhängig von der in Rede stehenden besonderen Situation ist Besteuerungsgrundlage einer Dienstleistung alles, was als Gegenleistung für den geleisteten Dienst empfangen wird6.
Entscheidend dafür, ob eine Zahlung „für die Leistung“ bzw. „für die Umsätze“ gewährt wird bzw. der Leistende sie hierfür erhält, ist nach der Rechtsprechung des EuGH und des BFH, dass zwischen Leistung und Gegenleistung ein unmittelbarer Zusammenhang besteht7. Diese Grundsätze gelten sinngemäß auch für die Beurteilung der Frage, ob die Zahlung eines Dritten für eine bestimmte Leistung des Leistenden gewährt wird bzw. ob der Leistende die Zahlung für diese Leistung erhält8.
Verpflichtet sich ein Unternehmer gegenüber einer Gemeinde und zusätzlich in privatrechtlichen Verträgen auch gegenüber den Grundstückseigentümern gegen Entgelt zur Herstellung von Erschließungsanlagen auf öffentlichen Flächen einer Gemeinde, erbringt der Unternehmer gegenüber der Gemeinde eine entgeltliche Werklieferung9.
Für den hier vom Bundesfinanzhof entschiedenen Fall bedeutete dies:
Die auf tatsächlichem Gebiet liegende10 Würdigung des Finanzgerichts Münster11, dass zwischen der Leistung der Vorhabenträgerin an die Stadt – X und der Verpflichtung der Grundstückserwerber und des A, Erschließungskosten zu zahlen, ein unmittelbarer Zusammenhang besteht, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
Beide Beteiligte und das Finanzgericht gehen zu Recht davon aus, dass die Vorhabenträgerin mit der Herstellung von Erschließungsanlagen auf öffentlichen Flächen eine Werklieferung ausgeführt hat12.
Diese ist, wovon das Finanzgericht zu Recht ausgegangen ist, gegen Entgelt erfolgt.
Dass die Vorhabenträgerin sich im Durchführungsvertrag vom 01.04.2004 mit der Stadt – X zunächst dazu verpflichtet hatte, die Erschließung unentgeltlich vorzunehmen, schließt es nicht aus, dass zu späterer Zeit noch vor Ausführung der Leistung ein Entgelt vereinbart wird13.
Unabhängig davon ergibt sich auch aus der -vor Beginn der Erschließungsmaßnahme getroffenen- „Kopplungsvereinbarung“ der Vorhabenträgerin mit A, dass die Vorhabenträgerin von Anfang an beabsichtigte, mit Dritten ein Entgelt für die Erschließung zu vereinbaren und damit entgeltliche Umsätze auszuführen.
Das Finanzgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass durch die Verträge der Vorhabenträgerin mit den Grundstückserwerbern ein unmittelbarer Zusammenhang begründet worden ist. Die Vorhabenträgerin hat sich jeweils unter II. 2. der Verträge als Vorhabenträgerin (auch) gegenüber den Erwerbern verpflichtet, die dort genannten Leistungen (an die Stadt X) zu erbringen. Dafür erhielt sie nach den Bestimmungen des Vertrages von den Grundstückserwerbern eine Gegenleistung in Höhe von bis zu 84,10 €/qm (brutto). Die oben genannten Leistungen waren von diesem Betrag nicht umfasst und gesondert zu tragen. Die Grundstückserwerber hatten danach einen Anspruch darauf, dass die Vorhabenträgerin die genannten Leistungen gegenüber der Stadt erbringt; hätte die Vorhabenträgerin diese Leistungen nicht an die Stadt erbracht, wären die Erwerber nicht zur Zahlung des Betrages verpflichtet gewesen. Der erforderliche Zusammenhang zwischen der Leistung und der Zahlung liegt danach vor.
Insoweit unterscheidet sich der Streitfall entscheidungserheblich vom BFH-Urteil vom 14.05.200814; denn dort gingen die Erschließungskosten nur in die Berechnung des Mietzinses ein, woraus die dortige Vorinstanz in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise auf einen fehlenden unmittelbaren Zusammenhang geschlossen hatte. Vorliegend hat sich die Vorhabenträgerin auch gegenüber den Erwerbern zur Erschließung zugunsten der Stadt verpflichtet und das Finanzgericht deshalb einen unmittelbaren Zusammenhang bejaht.
Auch zum BFH, Urteil in BFHE 232, 261, BStBl II 2012, 61 bestehen entscheidungserhebliche Unterschiede: Im dortigen Fall waren die Zahlungen der Erwerber Entgelt für die Übertragung des Grundstücks15. Dies scheidet vorliegend aus, weil die Erwerber, A und die Vorhabenträgerin als Vertragsparteien ausdrücklich klargestellt haben, dass der von den Erwerbern neben dem Kaufpreis an die Vorhabenträgerin zu zahlende Betrag für die Erschließung keine Gegenleistung für die Übertragung des Grundstücks darstellt.
Die Einwendungen der Vorhabenträgerin, die sich darauf richten, dass in mehrfacher Hinsicht Sachverhaltsunterschiede zum Verfahren V R 14/0916 bestünden, führen zu keiner anderen Beurteilung. Es reicht für eine entgeltliche Werklieferung -wie unter II. 2.d bereits ausgeführt- aus, dass sich ein Unternehmer, der nicht Veräußerer der Grundstücke ist, zusätzlich in privatrechtlichen Verträgen auch gegenüber den (hier: zukünftigen) Grundstückseigentümern gegen Entgelt zur Herstellung von Erschließungsanlagen auf öffentlichen Flächen einer Gemeinde verpflichtet. Dies ist vorliegend geschehen.
§ 10 Abs. 1 Satz 3 UStG setzt auch nicht, wie die Vorhabenträgerin möglicherweise meint, die Übernahme einer Schuld des Leistungsempfängers durch denjenigen voraus, der dem Unternehmer ein Entgelt für die Leistungen an den Leistungsempfänger gewährt; maßgebend ist vielmehr allein, dass die Zahlung des Dritten für die fragliche Leistung des Unternehmers an den Leistungsempfänger gewährt wird, bzw. dass er, der Unternehmer, die Zahlung hierfür erhält17. Es ist insoweit unerheblich, ob die Zahlung des Dritten zugleich Teil eines anderen Geschäftsvorganges ist. Deshalb kommt es nicht darauf an, dass keine Zahlungspflicht der Stadt – X bestand.
Bundesfinanzhof, Urteil vom 22. Februar 2017 – XI R 17/15
- ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH, Urteile vom 05.08.2010 – V R 54/09, BFHE 231, 289, BStBl II 2011, 191, Rz 12; vom 22.04.2015 – XI R 10/14, BFHE 250, 268, BStBl II 2015, 862, Rz 18; s. auch EuGH, Urteile „Apple and Pear Development Council“ vom 08.03.1988 – C-102/86, EU:C:1988:120, HFR 1989, 452, Rz 11; „Mohr“ vom 29.02.1996 – C-215/94, EU:C:1996:72, HFR 1996, 294; „Landboden-Agrardienste“ vom 18.12 1997 – C-384/95, EU:C:1997:627, HFR 1998, 315[↩]
- vgl. BFH, Urteile vom 07.07.2005 – V R 34/03, BFHE 211, 59, BStBl II 2007, 66, unter II. 1., Rz 14; vom 29.10.2008 – XI R 76/07, BFH/NV 2009, 795, unter II. 2.a, Rz 16; vom 15.04.2015 – V R 46/13, BFHE 250, 253, BStBl II 2015, 947, Rz 39; vom 14.01.2016 – V R 63/14, BFHE 253, 279, BStBl II 2016, 360, Rz 14; auch BFH, Urteil vom 06.04.2016 – V R 12/15, BFHE 253, 475, BStBl II 2017, 188, Rz 26[↩]
- zur Abgrenzung s. BFH, Urteil vom 20.02.1992 – V R 107/87, BFHE 167, 567, BStBl II 1992, 705, unter II. 3., Rz 23[↩]
- vgl. dazu auch EuGH, Urteile „Office des produits wallons“ vom 22.11.2001 – C-184/00, EU:C:2001:629, Umsatzsteuer-Rundschau 2002, 177; „Kommission/Schweden“ vom 15.07.2004 – C-463/02, EU:C:2004:455, Rz 34[↩]
- vgl. EuGH, Urteile Loyalty Management UK und Baxi Group vom 07.10.2010 – C-53/09 und – C-55/09, EU:C:2010:590, Deutsches Steuerrecht/Entscheidungsdienst 2010, 1392, Rz 56; Dixons Retail vom 21.11.2013 – C-494/12, EU:C:2013:758, Mehrwertsteuerrecht 2013, 774, Rz 35; BFH, Urteil vom 18.02.2016 – V R 46/14, BFHE 253, 42, Deutsches Steuerrecht 2016, 1103, Rz 20 f.[↩]
- vgl. EuGH, Urteil Le Rayon d’Or vom 27.03.2014 – C-151/13, EU:C:2014:185, HFR 2014, 458, Rz 30 und 31[↩]
- vgl. EuGH, Urteil Tolsma vom 03.03.1994 – C-16/93, EU:C:1994:80, Neue Juristische Wochenschrift 1994, 1941, Rz 13 f.; BFH, Urteile vom 16.10.2013 – XI R 39/12, BFHE 243, 77, BStBl II 2014, 1024, Rz 32; in BFHE 250, 253, BStBl II 2015, 947, Rz 39[↩]
- vgl. EuGH, Urteil Le Rayon d’Or, EU:C:2014:185, HFR 2014, 458, Rz 29, 35; BFH, Urteile vom 19.10.2001 – V R 75/98, BFH/NV 2002, 547, unter II. 3.c, Rz 23; in BFHE 231, 273, BStBl II 2012, 428, Rz 26; in BFHE 243, 77, BStBl II 2014, 1024, Rz 33 und 34; BFH, Beschluss vom 29.03.2007 – V B 208/05, BFH/NV 2007, 1542, unter II. 1., Rz 10[↩]
- vgl. BFH, Urteil in BFHE 231, 273, BStBl II 2012, 428, Leitsatz 1; gleicher Ansicht Nieskens in Rau/Dürrwächter, Umsatzsteuergesetz, § 1 Rz 906 „Erschließungsmaßnahmen“; Schuhmann in Rau/Dürrwächter, a.a.O., § 10 Rz 241; Tehler in Reiß/Kraeusel/Langer, UStG § 1 Rz 220; Wagner in Sölch/Ringleb, Umsatzsteuer, § 10 Rz 210 „Erschließungsmaßnahmen“[↩]
- vgl. BFH, Urteil vom 09.11.2006 – V R 9/04, BFHE 215, 372, BStBl II 2007, 285, unter II. 1.b bb, Rz 46[↩]
- FG Münster, Urteil vom 25.06.2015 – 5 K 2660/12 U, EFG 2015, 1861[↩]
- vgl. BFH, Urteile in BFHE 231, 273, BStBl II 2012, 428, Leitsatz 1; vom 13.01.2011 – V R 12/08, BFHE 232, 261, BStBl II 2012, 61, Rz 37; vom 22.08.2013 – V R 37/10, BFHE 243, 20, BStBl II 2014, 128, Rz 37[↩]
- vgl. BFH, Urteil in BFHE 215, 372, BStBl II 2007, 285, unter II. 1.b bb, Rz 44 f., 47[↩]
- BFH, Urteil vom 14.05.2008 – XI R 60/07, BFHE 221, 512, BStBl II 2008, 721, unter I., II. 2.c, Rz 3, 21[↩]
- BFH, Urteil in BFHE 232, 261, BStBl II 2012, 61, Rz 62[↩]
- BFH, Urteil in BFHE 231, 273, BStBl II 2012, 428[↩]
- vgl. dazu BFH, Urteile vom 19.10.2001 – V R 48/00, BFHE 196, 376, BStBl II 2003, 210, unter II. 3.c, Rz 27; in BFHE 231, 273, BStBl II 2012, 428, Rz 26; vom 28.08.2013 – XI R 4/11, BFHE 243, 41, BStBl II 2014, 282, Rz 52, m.w.N.[↩]