Flächenbezogene Vorsteueraufteilung in Spielhallen

Der Betreiber einer Spielhalle kann Vorsteuerbeträge, die weder seinen steuerfreien Umsätzen mit Geldspielgeräten noch seinen steuerpflichtigen Umsätzen mit Unterhaltungsspielgeräten direkt und unmittelbar zuzuordnen sind, grundsätzlich nicht nach den Flächen aufteilen, auf denen einerseits die Geldspielgeräte und andererseits die Unterhaltungsspielgeräte aufgestellt sind (sog. Flächenschlüssel).

Flächenbezogene Vorsteueraufteilung in Spielhallen

Verwendet der Unternehmer einen für sein Unternehmen gelieferten, eingeführten oder innergemeinschaftlich erworbenen Gegenstand oder eine von ihm in Anspruch genommene Leistung nur zum Teil zur Ausführung von Umsätzen, die den Vorsteuerabzug ausschließen, ist gemäß § 15 Abs. 4 Satz 1 UStG der Teil der jeweiligen Vorsteuerbeträge nicht abziehbar, der den zum Ausschluss vom Vorsteuerabzug führenden Umsätzen wirtschaftlich zuzurechnen ist. Der Unternehmer kann gemäß § 15 Abs. 4 Satz 2 UStG die nicht abziehbaren Teilbeträge im Wege einer sachgerechten Schätzung ermitteln.

Unionsrechtliche Grundlage für § 15 Abs. 4 UStG ist die nach Art. 17 Abs. 5 Unterabs. 3 Buchst. c der Richtlinie 77/388/EWG bestehende und insoweit im nationalen Recht ausgeübte Ermächtigung, nach der die Mitgliedstaaten „dem Steuerpflichtigen gestatten oder ihn verpflichten [können], den Abzug je nach der Zuordnung der Gesamtheit oder eines Teils der Gegenstände oder Dienstleistungen vorzunehmen“1.

Bei der Ermittlung der nicht abziehbaren Teilbeträge im Wege einer sachgerechten Schätzung nach § 15 Abs. 4 Satz 2 UStG ist es zwar grundsätzlich Sache des Unternehmers zu entscheiden, welche Schätzungsmethode er wählt. Das Finanzamt und auch das Finanzgericht können aber nachprüfen, ob die Schätzung sachgerecht ist2.

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Der Begriff der „wirtschaftlichen Zurechnung“ i.S. des § 15 Abs. 4 Satz 1 UStG ist entsprechend den Vorgaben des unionsrechtlichen Mehrwertsteuersystems auszulegen3. Für die Aufteilung von Vorsteuerbeträgen geht die Richtlinie 77/388/EWG in Art. 17 Abs. 5 Unterabs. 1 und 2 i.V.m. Art.19 als Regel-Aufteilungsmaßstab von einem Umsatzschlüssel aus, soweit Gegenstände und Dienstleistungen von einem Steuerpflichtigen sowohl für Umsätze verwendet werden, für die ein Recht auf Vorsteuerabzug besteht, als auch für Umsätze, für die dieses Recht nicht besteht4. Als „sachgerecht“ i.S. des § 15 Abs. 4 Satz 2 UStG gilt bei richtlinienkonformer Auslegung der Vorschrift ein den Vorgaben des Art. 17 Abs. 5 der Richtlinie 77/388/EWG entsprechendes Aufteilungsverfahren, das –objektiv nachprüfbar– nach einheitlicher Methode die beiden „Nutzungsteile“ eines gemischt verwendeten Gegenstandes oder einer sonstigen Leistung den damit ausgeführten steuerfreien und steuerpflichtigen Umsätzen zurechnet3. Der Unternehmer kann eine flächenbezogene Vorsteueraufteilung mithin nur dann beanspruchen, wenn diese im vorgenannten Sinne „sachgerecht“ ist.

Nach der Rechtsprechung des V. Senats des Bundesfinanzhofs, der sich vorliegend der XI. Senat des Bundesfinanzhofs anschließt, ist eine Vorsteueraufteilung nach einem Flächenschlüssel nicht sachgerecht, wenn der Unternehmer einzelne Standflächen einer Spielhalle teilweise für den Betrieb umsatzsteuerpflichtiger und teilweise für den Betrieb umsatzsteuerfreier Spielgeräte verwendet5.

Ein anderes Ergebnis folgt nicht aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union, nach der es –wie der Unternehmer vorbringt– grundsätzlich möglich sei, die Vorsteueraufteilung abweichend vom Umsatzmaßstab vorzunehmen.

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Der EuGH hat zu dem durch Art. 5 Nr.19 Buchst. d, Art. 25 Abs. 4 StÄndG 2003 dem § 15 Abs. 4 UStG angefügten Satz 3, der bestimmt, dass eine Ermittlung des nicht abziehbaren Teils der Vorsteuerbeträge nach dem Verhältnis der Umsätze, die den Vorsteuerabzug ausschließen, zu den Umsätzen, die zum Vorsteuerabzug berechtigen, nur zulässig ist, wenn keine andere wirtschaftliche Zurechnung möglich ist, entschieden, dass Art. 17 Abs. 5 Unterabs. 3 der Richtlinie 77/388/EWG es den Mitgliedstaaten der Europäischen Union erlaubt, zum Zweck der Berechnung des Pro-rata-Satzes für den Abzug der Vorsteuern aus einem bestimmten Umsatz vorrangig einen anderen Aufteilungsschlüssel als den in Art.19 Abs. 1 der Richtlinie 77/388/EWG vorgesehenen Umsatzschlüssel vorzuschreiben, vorausgesetzt, die herangezogene Methode gewährleiste eine präzisere Bestimmung dieses Pro-rata-Satzes6.

Wird –wie hier– in den Spielhallen auf einer Fläche von 80 qm mit den Geldspielgeräten durchschnittlich 71,6 % des –insoweit steuerfreien– Umsatzes erzielt, während auf die Unterhaltungsspielgeräte bei einer Fläche von 570 qm durchschnittlich 28,4 % der –insoweit steuerpflichtigen– Umsätze entfallen, wäre die Anwendung des Flächenschlüssels nicht präziser als die nach der Richtlinie 77/388/EWG grundsätzlich vorgesehene Umsatzregel, weil sich die Aufteilung der Vorsteuerbeträge nach dieser Methode weder als weniger gerecht noch als weniger angemessen erweist. Der Flächenschlüssel würde keine größere Gerechtigkeit und Genauigkeit bei der Ermittlung des Abzugsbetrags gewährleisten, der den Grundsatz der Neutralität der Mehrwertsteuer besser erfüllen würde. Dies gilt jedenfalls dann, wenn –wie hier nach den bindenden Feststellungen des Finanzgericht– in den Spielhallen die Bereiche mit den Geldspiel- und Unterhaltungsspielgeräten durch Stellwände oder größere Pflanzen aufgeteilt waren, es sich mithin nicht um bautechnisch eigenständige Flächen gehandelt hat. Zudem ging nach dem eigenen Vorbringen des Unternehmers von den Geldspiel- und Unterhaltungsspielgeräten auf die Besucher der Spielhallen eine wechselseitige „Attraktivität“ aus, was einer Vorsteueraufteilung nach dem Flächenschlüssel entgegensteht.

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Soweit sich der Unternehmer auf die Entscheidung des Niedersächsischen Finanzgericht vom 4. Mai 20107 sowie auf andere Finanzämter bezieht und vorbringt, diese hätten den Flächenschlüssel in vergleichbaren Fällen als sachgerechten Aufteilungsmaßstab akzeptiert, folgt daraus kein Anspruch auf eine entsprechende Beurteilung des vorliegenden Streitfalls8.

Der Unternehmer kann sich ferner nicht mit Erfolg auf die Selbstbindung der Verwaltung dahingehend berufen, dass nach den in den Streitjahren geltenden Bestimmungen des Abschn.208 UStR der von ihm gewählte Flächenmaßstab zwingend zu berücksichtigen sei.

Norminterpretierende Verwaltungsanweisungen, die –wie vorliegend Abschn.208 UStR in der für die Streitjahre jeweils gültigen Fassung, nunmehr Abschn. 15.17. des Umsatzsteuer-Anwendungserlasses– die gleichmäßige Auslegung und Anwendung des Rechts sichern sollen, können im Allgemeinen weder eine einer Rechtsnorm vergleichbare Bindung aller Rechtsanwender noch eine Bindung nach dem Grundsatz von Treu und Glauben herbeiführen. Eine von den Gerichten zu beachtende Selbstbindung der Verwaltung besteht nur als Ausfluss von Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes ausnahmsweise in dem Bereich der der Verwaltung vom Gesetz eingeräumten Entscheidungsfreiheit, also im Bereich des Ermessens, der Billigkeit und der Typisierung oder Pauschalierung9. Ein derartiger Spielraum steht der Finanzverwaltung bei Anwendung von § 15 Abs. 4 UStG aber nicht zu10.

Der Flächenschlüssel ist –wovon das Finanzgericht zutreffend ausgegangen ist– auch für das Streitjahr 2004, in dem die Neufassung des § 15 Abs. 4 UStG galt, nicht anzuwenden.

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Eine Aufteilung, die –wie hier der Flächenschlüssel– nicht auf einer sachgerechten Schätzung i.S. des § 15 Abs. 4 Satz 2 UStG beruht, ist schon keine andere wirtschaftliche Zurechnung i.S. des § 15 Abs. 4 Satz 3 UStG, die einer Vorsteueraufteilung nach dem Umsatzschlüssel entgegenstehen würde. Denn die wirtschaftliche Zurechnung setzt ein Aufteilungsverfahren voraus, das den Vorgaben des Art. 17 Abs. 5 der Richtlinie 77/388/EWG entsprechend –anders als hier– objektiv nachprüfbar ist. Zudem würde vorliegend der Flächenschlüssel keine präzisere Bestimmung des Pro-rata-Satzes gewährleisten, was einer gegenüber dem Umsatzschlüssel vorrangigen Anwendung dieser Methode zur Aufteilung der Vorsteuerbeträge entgegenstünde.

Da im Streitfall außer dem Umsatzschlüssel eine andere wirtschaftliche Zurechnung aufgrund sachgerechter Schätzung weder ersichtlich noch vorgebracht ist, ist der Unternehmer nur zu einer umsatzbezogenen Vorsteueraufteilung berechtigt.

Hiernach kann sowohl hinsichtlich der Streitjahre 2002 bis 2004 dahinstehen, ob der Unternehmer an seine zunächst getroffene Vorsteueraufteilung nach dem Umsatzschlüssel aufgrund eines Eintritts der formellen Bestandskraft der betreffenden Steuerfestsetzungen gebunden ist11, als auch, ob er diese Aufteilung zunächst selbst als sachgerecht erachtet hat, weil er in den die Veranlagungszeiträume 1997 bis 2003 betreffend berichtigten Umsatzsteuererklärungen die Vorsteuer selbst nach dieser Methode aufgeteilt hat. Insoweit bedarf es keiner Aufklärung, ob der Unternehmer zu dieser Aufteilung durch einen Mitarbeiter der Oberfinanzdirektion Münster veranlasst worden war.

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Bundesfinanzhof, Urteil vom 5. September 2013 – XI R 4/10

  1. vgl. BFH, Urteil in BFHE 234, 542, BStBl II 2012, 77, Rz 19, m.w.N.[]
  2. vgl. dazu BFH, Beschlüsse vom 03.05.2005 – V B 200/04, BFH/NV 2005, 1641; vom 27.11.2008 – XI B 60/08, BFH/NV 2009, 431; BFH, Urteile vom 15.10.2009 – XI R 82/07, BFHE 227, 238, BStBl II 2010, 247, unter II.1.a; vom 11.07.2012 – XI R 17/09, BFH/NV 2013, 266, Rz 76[]
  3. vgl. BFH, Urteil in BFHE 234, 542, BStBl II 2012, 77, Rz 21, m.w.N.[][]
  4. vgl. BFH, Urteil vom 17.08.2001 – V R 1/01, BFHE 196, 345, BStBl II 2002, 833, unter II.1.b; vgl. EuGH, Urteil –BLC Baumarkt– in UR 2012, 968, HFR 2013, 79, Rz 15[]
  5. vgl. BFH, Urteile in BFHE 234, 542, BStBl II 2012, 77, Rz 23 ff.; vom 10.11.2011 – V R 34/10, BFH/NV 2012, 803, Rz 20[]
  6. vgl. EuGH, Urteil –BLC Baumarkt– in UR 2012, 968, HFR 2013, 79, Leitsatz[]
  7. Nds. FG, Urteil vom 04.05.2010 – 16 K 329/07, EFG 2010, 1939[]
  8. vgl. BFH, Beschluss vom 01.07.2010 – V B 62/09, BFH/NV 2010, 2136, Rz 11, m.w.N.; BFH, Urteil vom 24.01.2013 – V R 34/11, BFHE 239, 552, BStBl II 2013, 460, Rz 35[]
  9. vgl. dazu BFH, Urteile vom 26.04.1995 – XI R 81/93, BFHE 178, 4, BStBl II 1995, 754; vom 07.12.2005 – I R 123/04, BFH/NV 2006, 1097; vom 04.02.2010 – II R 1/09, BFH/NV 2010, 1244; vom 11.11.2010 – VI R 16/09, BFHE 232, 34, BStBl II 2011, 966; in BFH/NV 2012, 803[]
  10. vgl. BFH, Urteil in BFH/NV 2012, 803[]
  11. vgl. dazu BFH, Urteile vom 22.11.2007 – V R 35/06, BFH/NV 2008, 628, unter II.1.; vom 07.07.2011 – V R 42/09, BFHE 234, 519, BFH/NV 2011, 1980, Rz 38, jeweils m.w.N.[]
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