Für Umsätze aus dem Betrieb von Geldspielautomaten besteht keine Umsatzsteuerbefreiung.

Ein Unternehmer kann sich auch angesichts der Umsatzsteuerbefreiung für Spielbanken in § 6 der Verordnung über öffentliche Spielbanken vom 27.06.1938 -SpielbkV-1 i.d.F. vom 01.01.1964 unter Berücksichtigung des Neutralitätsgrundsatzes nicht auf die Steuerbefreiung in Art. 135 Abs. 1 Buchst. i MwStSystRL berufen. Das wird bestätigt durch § 31 Abs. 1 Nr. 7 Satz 1 UStG 1967, wonach die in anderen als den in § 31 Abs. 1 Nr. 1 bis 6 UStG aufgeführten Rechtsvorschriften enthaltenen umsatzsteuerrechtlichen und beförderungsteuerrechtlichen Vorschriften, soweit sie dem UStG 1967 widersprachen und nicht auf völkerrechtlichen Verträgen beruhten, außer Kraft gesetzt wurden2. Das galt gemäß § 31 Nr. 7 Satz 2 UStG 1967 insbesondere für die nicht in das UStG 1967 übernommenen Steuerbefreiungen und Steuerermäßigungen.
enn die auf vorkonstitutionellem Recht beruhende Umsatzsteuerbefreiung für Spielbanken in § 6 SpielbkV ist spätestens mit dem Inkrafttreten des § 4 Nr. 9 Buchst. b UStG i.d.F. durch Art. 2 des Gesetzes zur Eindämmung missbräuchlicher Steuergestaltungen vom 28.04.20063 am 6.05.2006 -und damit vor den Streitjahren- entfallen.
Der Gesetzgeber hat damit zum Ausdruck gebracht, dass die beabsichtigte Änderung des § 4 Nr. 9 Buchstabe b UStG Folge des Urteils des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften vom 17.02.20054 und der Anschlussurteile des Bundesfinanzhofs vom 12.05.2005 und vom 19.05.20055 ist, wonach es unzulässig ist, Umsätze gewerblicher Glücksspielanbieter zu besteuern, während Umsätze zugelassener öffentlicher Spielbanken steuerbefreit sind. Die bislang umsatzsteuerfreien Umsätze der zugelassenen öffentlichen Spielbanken, die durch den Betrieb der Spielbank bedingt sind, werden in die Umsatzsteuerpflicht einbezogen6.
Damit ist eindeutig geklärt, dass die Regelung in § 6 Abs. 1 SpielbkV für den Bereich der Umsatzsteuer in den Streitjahren keine Wirkung mehr entfaltete und sich folglich die Frage eines Neutralitätsverstoßes wegen einer nicht im UStG geregelten Umsatzsteuerbefreiung für Spielbanken nicht stellt.
Die Frage, ob Art. 135 Abs. 1 Buchst. i, Art. 401 MwStSystRL dahingehend auszulegen sind, dass Mehrwertsteuer und nationale Sonderabgabe auf Glückspiele nur alternativ, nicht kumulativ erhoben werden dürfen, wenn auch bei der Mehrwertsteuererhebung nicht alle wesentlichen Merkmale der Mehrwertsteuer erfüllt werden, hat keine grundsätzliche Bedeutung, weil sie durch das EuGH, Urteil Metropol7 bereits entschieden ist. Leitsatz 1 des EuGH, Urteils Metropol lautet: „Art. 401 der Richtlinie 2006/112 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem ist in Verbindung mit Art. 135 Abs. 1 Buchst. i dieser Richtlinie dahin auszulegen, dass die Mehrwertsteuer und eine innerstaatliche Sonderabgabe auf Glücksspiele kumulativ erhoben werden dürfen, sofern die Sonderabgabe nicht den Charakter einer Umsatzsteuer hat.“ Der hinzugefügte Halbsatz „wenn auch bei der Mehrwertsteuererhebung nicht alle wesentlichen Merkmale der Mehrwertsteuer erfüllt werden“ hat keine weiter gehende Bedeutung, weil dem Unionsgerichtshof bei seiner Entscheidung in der Sache Metropol8 die Details der Mehrwertsteuererhebung bekannt waren. Wenn der Unionsgerichtshof der Meinung gewesen wäre, dass bei der Mehrwertsteuererhebung nicht alle wesentlichen Merkmale der Mehrwertsteuer erfüllt werden und dies für seine Entscheidung von Bedeutung gewesen wäre, hätte er im Urteil Metropol8 darüber entschieden.
Auch die Frage, ob die mehrwertsteuerrechtliche Behandlung der Automatenbetreiberin mit Art. 1 Abs. 2 Sätze 1 und 2, Art. 73 MwStSystRL zu vereinbaren ist, ist durch das EuGH-Urteil Metropol8 bereits geklärt. Der Unionsgerichtshof hat in Leitsatz 3 des Urteils Metropol8 entschieden: „Art. 1 Abs. 2 Satz 1 und Art. 73 der Richtlinie 2006/112 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem sind dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Vorschrift oder Praxis, wonach beim Betrieb von Spielautomaten mit Gewinnmöglichkeit die Höhe der Kasseneinnahmen dieser Automaten nach Ablauf eines bestimmten Zeitraums als Bemessungsgrundlage zugrunde gelegt wird, nicht entgegenstehen.“ Es ist davon auszugehen, dass dem EuGH bei seiner Entscheidung auch Satz 2 des Art. 1 MwStSystRL bekannt war und er für den Fall, dass er einen Verstoß gegen diese Bestimmung gesehen hätte, entsprechend entschieden hätte.
Beide Umsatzsteuersenate des BFH haben seit dem Inkrafttreten des § 4 Nr. 9 Buchst. b UStG i.d.F. durch Art. 2 des Gesetzes zur Eindämmung missbräuchlicher Steuergestaltungen vom 28.04.20063 am 6.05.2006 über die hier in Bezug genommenen Beschlüsse hinaus in einer Vielzahl von Entscheidungen zur umsatzsteuerrechtlichen Beurteilung von Umsätzen aus dem Betrieb von Geldspielautomaten Stellung genommen9.
Ferner ist zu berücksichtigen, dass das Bundesverfassungsgericht über die Verfassungsmäßigkeit der BFH-Beschlüsse vom 13.01.201610 bereits mit Beschlüssen vom 19.04.2016; vom 24.04.2016; und vom 26.03.201611 entschieden und die Verfassungsbeschwerden in diesen vergleichbaren Fällen von Geldspielautomatenbetreibern jeweils nicht zur Entscheidung angenommen hat.
Auch die Voraussetzungen einer Vorlagepflicht an den Gerichtshof der Europäischen Union sieht der Bundesfinanzhof als nicht erfüllt an:
Soweit eine Vorlagepflicht auf einen Verstoß gegen den Neutralitätsgrundsatz aus einer nicht im Umsatzsteuergesetz verankerten Umsatzsteuerbefreiung für öffentliche Spielbanken in § 6 SpielbVO gestützt werden soll, geht diese Rüge aus den oben genannten Gründen von unzutreffenden rechtlichen Voraussetzungen aus. Darüber hinaus hat der Bundesfinanzhof bereits eine Pflicht zu einer erneuten Vorlage an den Unionsgerichtshof verneint12, weil der EuGH im Urteil Leo Libera13 keine Bedenken gegen die Übereinstimmung von § 4 Nr. 9 Buchst. b UStG mit dem Unionsrecht geäußert und ausdrücklich darauf hingewiesen, dass kein Verstoß gegen den Neutralitätsgrundsatz vorliegt14.
Die zu einem Verstoß gegen Art. 101 Abs. 1 GG führende Verletzung gegen die unionsrechtliche Vorlagepflicht liegt außerdem erst bei einer willkürlichen Außerachtlassung der Verpflichtung zur Vorlage an den EuGH vor, d.h. wenn der Verzicht auf eine Vorlage bei verständiger Würdigung der das Grundgesetz bestimmenden Gedanken nicht mehr verständlich erscheint und offensichtlich unhaltbar ist15.
Spätestens durch die BFH-Beschlüsse vom 22.02.201716 ist geklärt, dass die Steuerbefreiung für Spielbanken nach § 6 SpielbkV nicht mehr in Kraft ist.
Bundesfinanzhof, Beschluss vom 22. Mai 2017 – V B 133/16
- RGBl I 1938, 955[↩]
- BGBl I 1967, 545, 560[↩]
- BGBl I 2006, 1095[↩][↩]
- EuGH, Urteil vom 17.02.2005 – C-453/02 und – C-462/02, EU:C:2005:92[↩]
- BFH, Urteile vom 12.05.2005 – V R 7/02; und vom 19.05.2005 – V R 50/01 BFH/NV 2005, 1881[↩]
- BT-Drs. 16/634, S. 7; vgl. auch S. 11 f.[↩]
- EUGH, Urteil Metropol, EU:C:2013:687[↩]
- EuGH, Urteil Metropol, EU:C:2013:687[↩][↩][↩][↩]
- z.B. BFH, Beschlüsse in BFH/NV 2016, 1497; in BFH/NV 2016, 599; in BFH/NV 2016, 84; in BFH/NV 2014, 915; in BFH/NV 2011, 1546; BFH, Urteil in BFHE 231, 373, BStBl II 2011, 311[↩]
- BFH, Beschlüsse vom 13.01.2016 – V B 58/15; vom 04.07.2016 – V B 115/15; und vom 10.06.2016 – V B 97/15[↩]
- BVerfG, Beschlüsse vom 19.04.2016 – 1 BvR 2100/16; vom 24.04.2016 – 1 BvR 2229/16; und vom 26.03.2016 – 1 BvR 1951/16[↩]
- BFH, Beschluss in BFH/NV 2011, 1546, Rz 8[↩]
- EuGH, Urteil Leo Libera, EU:C:2010:333[↩]
- EuGH, Urteil Leo Libera, EU:C:2010:333, Rz 34 ff.[↩]
- BVerfG, Beschlüsse vom 04.09.2008 – 2 BvR 1321/07, HFR 2009, 189, Rz 10; vom 31.05.1990 – 2 BvL 12/88, 2 BvL 13/88, 2 BvR 1436/87, BVerfGE 82, 159, Rz 136 ff., 143 ff.; vom 09.11.1987 – 2 BvR 808/82, NJW 1988, 1456, Rz 6 und 11; ebenso BFH, Beschluss vom 01.09.2016 – V S 24/16, BFH/NV 2017, 49, Rz 6 f.[↩]
- BFH, Beschlüsse vom 22.02.2017 – V B 122/16; und in BFH/NV 2016, 1593, Rz 3[↩]