Aus einer Geschäftsveräußerung i.S. des § 1 Abs. 1a UStG ergibt sich keine Gesamtrechtsnachfolge. Die umsatzsteuerrechtliche Einzelrechtsnachfolge betrifft die im Rahmen einer Geschäftsveräußerung übertragenen Gegenstände.

§ 1 Abs. 1a UStG setzt Art. 5 Abs. 8 der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17.05.1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG (nunmehr Art.19 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28.11.2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem) in nationales Recht um. Gemäß dieser Richtlinienbestimmung können die Mitgliedstaaten die Übertragung eines Gesamt- oder Teilvermögens, die entgeltlich oder unentgeltlich oder durch Einbringung in eine Gesellschaft erfolgt, behandeln, als ob keine Lieferung von Gegenständen vorliegt, und den Begünstigten der Übertragung als Rechtsnachfolger des Übertragenden ansehen.
Neben dem Einfügen des § 1 Abs. 1a UStG gemäß Art. 15 Nr. 1 Buchst. b des Gesetzentwurfs der Bundesregierung zum Entwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung des Missbrauchs und zur Bereinigung des Steuerrechts1 sollte mit Art. 15 Nr. 15 dieses Gesetzentwurfs2 in § 15a UStG nach Absatz 6 folgender Absatz 6a eingefügt werden: „Bei einer Geschäftsveräußerung (§ 1 Abs. 1a) wird der für das Wirtschaftsgut maßgebliche Berichtigungszeitraum nicht unterbrochen; der Erwerber tritt an die Stelle des Veräußerers. Der Veräußerer ist verpflichtet, dem Erwerber die für die Durchführung der Berichtigung erforderlichen Angaben zu machen.“
In der Begründung zu Art. 15 Nr. 15 dieses Entwurfs3 heißt es: „Der neue Abs. 6a hängt mit der Einführung der Nichtsteuerbarkeit von Geschäftsveräußerungen in § 1 Abs. 1a UStG zusammen. … Demgemäß wird durch Satz 1 des neuen Abs. 6a geregelt, dass der Erwerber hinsichtlich der Pflicht zur Berichtigung des Vorsteuerabzugs nach § 15a UStG in die Rechtsposition des Veräußerers eintritt. …“
Der im Gesetzentwurf der Bundesregierung2 enthaltene zweite Halbsatz des § 15a Abs. 6a Satz 1 UStG, nämlich dass der Erwerber an die Stelle des Veräußerers tritt, wurde mit dem Missbrauchsbekämpfungs- und Steuerbereinigungsgesetz vom 21.12.1993 (StMBG)4 nicht in die Vorschrift des § 15a Abs. 6a UStG übernommen (seit dem 01.01.2005: § 15a Abs. 10 UStG). Dazu heißt es in Beschlussempfehlung und Bericht des Finanzausschusses zum Gesetzentwurf des StMBG5: „Es handelt sich um eine Folgeänderung aus der Ergänzung des § 1 Abs. 1a UStG. Daß bei einer Geschäftsveräußerung der Erwerber an die Stelle des Veräußerers tritt, ergibt sich nunmehr bereits aus § 1 Abs. 1a UStG und braucht deshalb in § 15a Abs. 6a nicht mehr geregelt zu werden. Die Änderung beruht auf einem Antrag des Bundesrates, dem die Bundesregierung zugestimmt hat.“
Daraus, dass der im Gesetzentwurf der Bundesregierung enthaltene zweite Halbsatz des § 15a Abs. 6a Satz 1 UStG laut Beschlussempfehlung und Bericht des Finanzausschusses deshalb nicht Gesetz wurde, weil sich die Rechtsnachfolge bereits aus § 1 Abs. 1a UStG ergebe, kann nicht geschlossen werden, dass es sich im Falle der Geschäftsveräußerung um eine umsatzsteuerrechtliche Gesamtrechtsnachfolge handele. Denn ausweislich Beschlussempfehlung und Bericht des Finanzausschusses6 entspricht „die Anordnung der umsatzsteuerlichen Einzelrechtsnachfolge im neuen § 1 Abs. 1a UStG“ den Vorgaben des Art. 5 Abs. 8 der Richtlinie 77/388/EWG.
Diese umsatzsteuerrechtliche Einzelrechtsnachfolge7 betrifft die im Rahmen einer Geschäftsveräußerung übertragenen Gegenstände. Der Tatbestand der Geschäftsveräußerung erfasst die Übertragung von Geschäftsbetrieben und von selbständigen Unternehmensteilen, die als „Zusammenfassung materieller und immaterieller Bestandteile“ ein Unternehmen oder einen Unternehmensteil bilden, mit dem eine selbständige wirtschaftliche Tätigkeit fortgeführt werden kann8. Die übertragenen Gegenstände müssen ein hinreichendes Ganzes bilden, das die Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit ermöglicht9. Eine Übertragung bzw. ein Übergang der Steuerschuldnerschaft liegt darin nicht.
Bundesfinanzhof, Beschluss vom 7. Dezember 2021 – XI B 11/21
- BR-Drs. 612/93[↩]
- BR-Drs. 612/93, S. 35[↩][↩]
- BR-Drs. 612/93, S. 90[↩]
- BGBl I 1993, 2310[↩]
- BT-Drs. 12/6078, S. 134, zu Art. 15 Nr. 15[↩]
- BT-Drs. 12/6078, S. 134, zu Art. 15 Nr. 1[↩]
- vgl. hierzu BFH, Urteil vom 06.09.2007 – V R 41/05, BFHE 217, 338, BStBl II 2008, 65, unter II. 3.[↩]
- vgl. z.B. EuGH, Urteile „Zita Modes“ vom 27.11.2003 – C-497/01, EU:C:2003:644, Rz 40 und „SKF“ vom 29.10.2009 – C-29/08, EU:C:2009:665, Rz 37; z.B. auch BFH, Urteil vom 29.08.2018 – XI R 37/17, BFHE 262, 286, BStBl II 2019, 378, Rz 22[↩]
- z.B. BFH, Urteil in BFHE 262, 286, BStBl II 2019, 378, Rz 25[↩]
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