Geschäftsveräußerung – und das Gaststätteninventar

Die Voraussetzungen einer nicht umsatzsteuerbaren Geschäftsveräußerung im Ganzen liegen nicht vor, wenn der (bisherige) Pächter einer Gaststätte lediglich ihm gehörende Teile des Inventars einer Gaststätte -hier Kücheneinrichtung nebst Geschirr und Küchenartikeln- veräußert und der Erwerber den Gaststättenbetrieb sowie das übrige Inventar durch einen weiteren Vertrag von einem Dritten pachtet.

Geschäftsveräußerung – und das Gaststätteninventar

Nach § 1 Abs. 1a UStG unterliegen die Umsätze im Rahmen einer Geschäftsveräußerung an einen anderen Unternehmer für dessen Unternehmen nicht der Umsatzsteuer. Eine Geschäftsveräußerung liegt vor, wenn ein Unternehmen oder ein in der Gliederung eines Unternehmens gesondert geführter Betrieb im Ganzen entgeltlich oder unentgeltlich übereignet oder in eine Gesellschaft eingebracht wird (§ 1 Abs. 1a Satz 2 UStG). Der erwerbende Unternehmer tritt an die Stelle des Veräußerers (§ 1 Abs. 1a Satz 3 UStG).

Diese Vorschriften beruhen unionsrechtlich auf Art. 5 Abs. 8 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17.05.1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern -Richtlinie 77/388/EWG-1. Danach können die Mitgliedstaaten die Übertragung des Gesamtvermögens oder eines Teilvermögens, die entgeltlich oder unentgeltlich oder durch Einbringung in eine Gesellschaft erfolgt, so behandeln, als ob keine Lieferung von Gegenständen vorliegt, und den Begünstigten der Übertragung als Rechtsnachfolger des Übertragenden ansehen.

Art. 5 Abs. 8 der Richtlinie 77/388/EWG bezweckt nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union, die Übertragung von Unternehmen oder Unternehmensteilen zu erleichtern und zu vereinfachen2, und erfasst dementsprechend die Übertragung von Geschäftsbetrieben und von selbständigen Unternehmensteilen, die als Zusammenfassung materieller und immaterieller Bestandteile ein Unternehmen oder einen Unternehmensteil bilden, mit dem eine selbständige wirtschaftliche Tätigkeit fortgeführt werden kann3.

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Der Erwerber muss dabei beabsichtigen, den übertragenen Geschäftsbetrieb oder Unternehmensteil zu betreiben. Nicht begünstigt ist die sofortige Abwicklung der übernommenen Geschäftstätigkeit4.

Der Begriff des Teilvermögens bezieht sich nicht auf einen oder mehrere lose Bestandteile eines Unternehmens, sondern auf eine Kombination von ihnen, die zur Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit ausreicht, auch wenn diese Tätigkeit nur Teil eines größeren Unternehmens ist, von dem sie abgespalten wurde5.

Im Rahmen einer Gesamtwürdigung ist es für die Annahme einer Geschäftsveräußerung entscheidend, ob das übertragene Unternehmensvermögen als hinreichendes Ganzes die Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit ermöglicht6 und ob die vor und nach der Übertragung ausgeübten Tätigkeiten übereinstimmen oder sich hinreichend ähneln7. Es kommt insoweit nicht darauf an, ob beim Veräußerer eine eigenständige betriebliche Organisation vorlag, sondern vielmehr darauf, ob ein Teilvermögen übertragen wird, das vom Erwerber als selbständiges Unternehmen fortgeführt werden kann8; die organisatorischen Verhältnisse beim Veräußerer sind damit unmaßgeblich9.

Ausgehend von diesen Grundsätzen lag im hier entschiedenen Fall keine Geschäftsveräußerung im Ganzen vor:

Die Klägerin hat mit der Anschaffung der Kücheneinrichtung nebst Geschirr und sonstigen Küchenartikeln von A keinen selbständigen Unternehmensteil erworben, der sie in die Lage versetzt hätte, die Gaststätte zu betreiben10. Eine Kücheneinrichtung, Geschirr und diverse Küchenartikel sind kein abgespaltener, selbständiger Teil des Unternehmens des A. Es wurden nur einzelne zum Betrieb einer Gaststätte notwendige Gegenstände von A an die Klägerin veräußert. Davon sind auch die Vertragsparteien ausgegangen.

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Zum Betrieb der Gaststätte durch die Klägerin war vielmehr noch der Abschluss des Pachtvertrages mit der Schützenbruderschaft erforderlich, der neben der Überlassung der Räume für die Gaststätte auch die pachtweise Überlassung wesentlichen Inventars an die Klägerin vorsah. Das hat das Finanzgericht festgestellt, indem es ausgeführt hat, bei der übertragenen Geschäftsausstattung habe es sich zwar um eine für die Fortführung des Betriebs wesentliche Sachgesamtheit gehandelt, der Erwerber habe jedoch die weiteren, zum Betrieb erforderlichen Gegenstände einschließlich der Räume von einem Dritten angepachtet11.

Die Vereinbarungen dieses Pachtvertrages durfte das Finanzgericht aber nicht mit der Veräußerung des Inventars durch A in einen Vorgang zusammenfassen.

Der EuGH hat u.a. mit Hinweis darauf, dass Art. 5 Abs. 8 der Richtlinie 77/388/EWG die Formulierung „Übertragender“ nur im Singular verwendet, inzwischen geklärt, dass bei Prüfung der Voraussetzungen dieser Bestimmung und Vorliegen mehrerer Leistungsbeziehungen „jeder Vorgang einzeln und selbständig zu beurteilen“ ist12. Dies gilt gleichermaßen für die seit dem 1.01.2007 geltende Regelung in Art.19 MwStSystRL, in der die Person „des Übertragenden“ ebenfalls nur in der Einzahl erwähnt ist. Dementsprechend heißt es in § 1 Abs. 1a Satz 3 UStG, dass „der erwerbende Unternehmer an die Stelle des Veräußerers“ tritt.

Dies bedeutet, dass für die Prüfung der Voraussetzungen einer Geschäftsveräußerung im Ganzen im Rahmen der streitbefangenen umsatzsteuerrechtlichen Leistungsbeziehung zwischen A und der Klägerin Leistungen außer Betracht bleiben müssen, die -wie hier- Gegenstand einer weiteren -davon zu unterscheidenden- umsatzsteuerrechtlichen Leistungsbeziehung zwischen der Schützenbruderschaft und der Klägerin sind13.

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Dass es im Streitfall offenbar allen Beteiligten um die Fortführung des Gaststättenbetriebs des Schützenhauses ging14, ist unerheblich. Denn Gegenstand der streitbefangenen Leistungsbeziehung zwischen A und der Klägerin war lediglich die von A in Rechnung gestellte Übertragung des Inventars, das sich nach den Feststellungen des Finanzgericht auf die Kücheneinrichtung nebst Geschirr und diversen Küchenartikeln beschränkte. Der Bundesfinanzhof kann daher offenlassen, wie die Rechtslage zu beurteilen wäre, wenn die Klägerin im Rahmen eines umfassenden Vertrages mit A (vollumfänglich) in dessen mit der Schützenbruderschaft bestehenden Pachtvertrag eingetreten wäre. Ein derartiger Übergang der „Pächterstellung“ von A auf die Klägerin hat nicht stattgefunden.

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem BFH-Urteil vom 06.05.201015, wonach eine nicht steuerbare Geschäftsveräußerung durch Grundstücksübertragung im Rahmen der erforderlichen Gesamtwürdigung aufgrund besonderer Umstände auch dann vorliegen kann, wenn auf den Erwerber kein bestehender Mietvertrag übergeht.

Denn diese Rechtsprechung betrifft allein die Frage der Fortführung einer unternehmerischen Tätigkeit durch den Erwerber im Falle der Übertragung von Grundstücken ohne Übergang eines entsprechenden Pacht- oder Mietvertrages16. Darum -oder um Vergleichbares- geht es im vorliegenden Fall nicht. Hier ist ausschließlich entscheidend, ob die vom Grundstückseigentümer und Verpächter (Schützenbruderschaft) an die Klägerin erbrachten Leistungen in die Würdigung der Leistungsbeziehung zwischen17 A und der Klägerin einbezogen werden dürfen. Auf diese -zu verneinende- Frage ist die Rechtsprechung im BFH-Urteil in BFH/NV 2010, 1873 nicht übertragbar.

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Dem steht nicht die Rechtsprechung des Unionsgerichtshof und des Bundesfinanzhofs entgegen, wonach bei dem Erwerb eines Warenbestandes und der Geschäftsausstattung eines Einzelhandelsgeschäfts unter gleichzeitiger Vermietung des Ladenlokals an den Erwerber eine Geschäftsveräußerung im Ganzen gegeben sein kann18. Denn im Streitfall liegt ein solcher Sachverhalt nicht vor.

Bundesfinanzhof, Urteil vom 4. Februar 2015 – XI R 42/13

  1. nunmehr Art.19 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28.11.2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem -MwStSystRL-[]
  2. EuGH, Urteile vom 27.11.2003 – C-497/01, Zita Modes, Slg. 2003, I-14393, BFH/NV Beilage 2004, 128, Rz 39; vom 10.11.2011 – C-444/10, Schriever, Slg. 2011, I-11071, BStBl II 2012, 848, UR 2011, 937, Rz 23; vom 30.05.2013 – C-651/11, X BV,MwStR 2013, 337, UR 2013, 582, Rz 41[]
  3. EuGH, Urteile Zita Modes in Slg. 2003, I-14393, BFH/NV Beilage 2004, 128, Rz 40; Schriever in Slg. 2011, I-11071, BStBl II 2012, 848, UR 2011, 937, Rz 25; Urteile des Bundesfinanzhofs -BFH- vom 18.01.2012 – XI R 27/08, BFHE 235, 571, BStBl II 2012, 842; und vom 19.12 2012 – XI R 38/10, BFHE 240, 366, BStBl II 2013, 1053, Rz 33[]
  4. EuGH, Urteil Zita Modes in Slg. 2003, I-14393, BFH/NV Beilage 2004, 128, Rz 44; BFH, Urteile vom 30.04.2009 – V R 4/07, BFHE 226, 138, BStBl II 2009, 863, unter II. 2.a; in BFHE 235, 571, BStBl II 2012, 842, Rz 19; in BFHE 240, 366, BStBl II 2013, 1053, Rz 34[]
  5. vgl. BFH, Urteil in BFHE 240, 366, BStBl II 2013, 1053, Rz 35, m.w.N.[]
  6. vgl. BFH, Urteile in BFHE 235, 571, BStBl II 2012, 842; in BFHE 240, 366, BStBl II 2013, 1053, Rz 36[]
  7. vgl. z.B. BFH, Urteil in BFHE 240, 366, BStBl II 2013, 1053, Rz 36, m.w.N.[]
  8. vgl. z.B. EuGH, Urteil – X BV in MwStR 2013, 337, UR 2013, 582, Rz 53[]
  9. vgl. z.B. BFH, Urteil in BFHE 240, 366, BStBl II 2013, 1053, Rz 45, m.w.N.[]
  10. vgl. dazu z.B. EuGH, Urteil Zita Modes in Slg. 2003, I-14393, BFH/NV Beilage 2004, 128, Rz 40[]
  11. Rz 46 des Urteils[]
  12. EuGH, Urteil – X BV in MwStR 2013, 337, UR 2013, 582, Rz 45 bis 47[]
  13. vgl. auch Wüst, MwStR 2014, 409[]
  14. vgl. Anm. Büchter-Hole in EFG 2014, 1041, 1042[]
  15. BFH, Urteil vom 06.05.2010 – V R 25/09, BFH/NV 2010, 1873[]
  16. vgl. BFH, Urteil in BFH/NV 2010, 1873, Rz 17 ff.[]
  17. dem früheren Pächter[]
  18. vgl. EuGH, Urteil Schriever in Slg. 2011, I-11071, BStBl II 2012, 848, UR 2011, 937, und BFH, Urteil in BFHE 235, 571, BStBl II 2012, 842[]
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