Die Finanzierungsvermittlung kann eine von der Grundstücksvermittlung abgrenzbare und damit eigenständige sonstige Leistung sein, die nicht der Ortsbestimmung nach § 3a Abs. 3 Nr. 1 UStG unterliegt.

Nach ständiger Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs und des Bundesfinanzhofs ist bei einem Umsatz, der ein Bündel von Einzelleistungen und Handlungen umfasst, im Rahmen einer Gesamtbetrachtung zu bestimmen, ob zwei oder mehrere getrennte Umsätze vorliegen oder ein einheitlicher Umsatz. Dabei sind unter Berücksichtigung der Sicht eines Durchschnittsverbrauchers die charakteristischen Merkmale des Umsatzes zu ermitteln. Insoweit darf einerseits eine wirtschaftlich einheitliche Leistung nicht künstlich aufgespalten werden. Andererseits sind mehrere formal getrennt erbrachte Einzelumsätze als einheitlicher Umsatz anzusehen, wenn sie nicht selbständig sind. Dabei liegt zum einen eine einheitliche Leistung vor, wenn eine oder mehrere Einzelleistungen eine Hauptleistung bilden und die andere Einzelleistung oder anderen Einzelleistungen eine oder mehrere Nebenleistungen bilden, die das steuerliche Schicksal der Hauptleistung teilen. Eine Leistung ist insbesondere dann Neben- und nicht Hauptleistung, wenn sie für den Leistungsempfänger keinen eigenen Zweck, sondern das Mittel darstellt, um die Hauptleistung des Leistungserbringers unter optimalen Bedingungen in Anspruch zu nehmen1. Zum anderen kann sich eine einheitliche Leistung daraus ergeben, dass zwei oder mehrere Handlungen oder Einzelleistungen des Steuerpflichtigen für den Kunden so eng miteinander verbunden sind, dass sie objektiv einen einzigen untrennbaren wirtschaftlichen Vorgang bilden, dessen Aufspaltung wirklichkeitsfremd wäre2.
Hieraus folgt, dass z.B. beim sog. Portfolio-Management eine einheitliche, objektiv untrennbare wirtschaftliche Leistung vorliegt, wenn der Leistende aufgrund eigenen Ermessens im Rahmen der übernommenen Vermögensverwaltung über den Kauf und Verkauf der Wertpapiere entscheidet und diese Entscheidung vollzieht. Die Annahme einer einheitlichen Leistung bei dem sog. Portfolio-Management erfolgt aufgrund des Interesses des durchschnittlichen Anlegers (Durchschnittsverbrauchers), dem es gerade auf die Verbindung der Elemente Vermögensverwaltung sowie Kauf und Verkauf der Wertpapiere ankommt und der sich nach erfolgter Beratung gerade nicht die Anlageentscheidung vorbehalten will3.
Die erforderliche Gesamtbetrachtung ist im Wesentlichen das Ergebnis einer Tatsachenbeurteilung, die dem Finanzgericht obliegt und den Bundesfinanzhof gemäß § 118 Abs. 2 FGO grundsätzlich bindet4. Voraussetzung hierfür ist jedoch, dass die Würdigung des Sachverhalts weder widersprüchlich ist noch gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze verstößt5.
Nach § 3a Abs. 3 Nr. 1 Satz 1 UStG wird eine sonstige Leistung im Zusammenhang mit einem Grundstück dort ausgeführt, wo das Grundstück liegt. Als sonstige Leistungen im Zusammenhang mit einem Grundstück sind insbesondere anzusehen sonstige Leistungen im Zusammenhang mit dem Erwerb eines Grundstücks (§ 3a Abs. 3 Nr. 1 Satz 2 Buchst. b UStG). Unionsrechtlich beruht § 3a Abs. 3 Nr. 1 UStG auf Art. 47 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28.11.2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem -MwStSystRL- (zuvor: Art. 9 Abs. 2 Buchst. a der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17.05.1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften über die Umsatzsteuern), nach dem als Ort einer Dienstleistung im Zusammenhang mit einem Grundstück der Ort gilt, an dem das Grundstück gelegen ist. Dies bezieht sich insbesondere auf Dienstleistungen von Sachverständigen und Grundstücksmaklern.
Unter Art. 9 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 77/388/EWG fallen nur die Dienstleistungen, die einen ausreichend direkten Zusammenhang mit einem Grundstück aufweisen6. Außerdem ist erforderlich, dass Gegenstand der Dienstleistung das Grundstück selbst ist7. Dies gilt auch für die Auslegung von Art. 47 MwStSystRL8.
Bei der Bestimmung des Ortes von Dienstleistungen im Zusammenhang mit Grundstücken ist des Weiteren Art. 31a der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 282/2011 des Rates vom 15.03.2011 zur Festlegung von Durchführungsvorschriften zur Richtlinie 2006/112/EG über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (MwStVO), der mit Durchführungsverordnung (EU) Nr. 1042/2013 des Rates vom 07.10.2013 zur Änderung der genannten Verordnung mit Wirkung vom 01.01.2017 eingefügt wurde, zu beachten. Danach müssen Dienstleistungen im Zusammenhang mit einem Grundstück in einem hinreichend direkten Zusammenhang mit dem Grundstück stehen. Dies ist zu bejahen, wenn sie von einem Grundstück abgeleitet sind und das Grundstück einen wesentlichen Bestandteil der Dienstleistung darstellt und zentral und wesentlich für die erbrachte Dienstleistung ist oder wenn sie für das Grundstück selbst erbracht werden oder auf das Grundstück selbst gerichtet sind, und deren Zweck in rechtlichen oder physischen Veränderungen an dem Grundstück besteht. Nach Art. 31a Abs. 2 Buchst. o MwStVO gehört hierzu auch die Eigentumsverwaltung, mit Ausnahme von Portfolioverwaltung im Zusammenhang mit Eigentumsanteilen an Grundstücken i.S. von Art. 31a Abs. 3 Buchst. g MwStVO, die sich auf den Betrieb von Geschäfts, Industrie- oder Wohnimmobilien durch oder für den Eigentümer des Grundstücks bezieht. Nicht im Zusammenhang mit einem Grundstück steht insbesondere die Portfolioverwaltung im Zusammenhang mit Eigentumsanteilen an Grundstücken (Art. 31a Abs. 3 Buchst. g MwStVO). In Bezug auf juristische Dienstleistungen unterscheidet die Regelung wie folgt: Art. 47 MwStSystRL ist anzuwenden, wenn diese im Zusammenhang mit Grundstücksübertragungen sowie mit der Begründung oder Übertragung von bestimmten Rechten an Grundstücken oder dinglichen Rechten an Grundstücken (unabhängig davon, ob diese Rechte einem körperlichen Gegenstand gleichgestellt sind) stehen. Dies trifft z.B. auf die Tätigkeiten von Notaren oder das Aufsetzen eines Vertrages über den Verkauf oder den Kauf eines Grundstücks zu, selbst wenn die zugrunde liegende Transaktion, die zur rechtlichen Veränderung an dem Grundstück führt, letztendlich nicht stattfindet (Art. 31a Abs. 2 Buchst. q MwStVO). Nicht anzuwenden ist Art. 47 MwStSystRL demgegenüber auf andere juristische Dienstleistungen, wie etwa auf Beratungsdienstleistungen betreffend die Vertragsbedingungen eines Grundstücksübertragungsvertrages, die Durchsetzung eines solchen Vertrages oder den Nachweis, dass ein solcher Vertrag besteht, sofern diese Dienstleistungen nicht speziell mit der Übertragung von Rechten an Grundstücken zusammenhängen (Art. 31a Abs. 3 Buchst. h MwStVO). Diese Vorschriften waren zwar im Streitjahr 2015 noch nicht in Kraft. Aus dem 14. Erwägungsgrund der MwStVO ergibt sich jedoch, dass der Unionsgesetzgeber bestimmte Begriffe, die für die Festlegung der für den Ort der steuerbaren Umsätze maßgeblichen Kriterien erforderlich sind, klarstellen und dabei der Rechtsprechung des EuGH auf diesem Gebiet Rechnung tragen wollte9. Diesem Zweck dient auch der mit Wirkung zum 01.01.2017 eingefügte Art. 31a MwStVO.
Im hier entschiedenen Streitfall hat das erstinstanzlich mit dem Fall befasste Finanzgericht Berlin Brandenburg10 im Rahmen der Anwendung des § 3a Abs. 3 Nr. 1 UStG zu Recht sowohl die Rechtsprechung des EuGH als auch Art. 31a MwStVO herangezogen. Die tatsächliche Würdigung des Finanzgerichts, dass bezüglich der Finanzierungsvermittlung (ITF-Vertrag) und der von der gewöhnlichen Immobilienbewirtschaftung zu unterscheidenden Leistungen im Gesellschafterinteresse und in Bezug auf steuerrechtliche Angelegenheiten (MCF-Vertrag) kein hinreichender Zusammenhang mit dem Grundstück bestand, ist möglich und verstößt weder gegen Denkgesetze noch gegen Erfahrungssätze.
Denn die Finanzierungsvermittlung, die Steuerberatung bezüglich der Einkünfte und Umsätze aus der Vermietung sowie die mit den jährlichen Steuerfestsetzungen zusammenhängende Überwachung und Vornahme von Steuerzahlungen werden zwar durch den Erwerb und die Vermietung des Grundstücks ausgelöst. Sie weisen aber keinen ausreichend direkten, die Rechtsfolgen des § 3a Abs. 3 Nr. 1 UStG auslösenden Zusammenhang mit dem Grundstück auf. Die Finanzierungsvermittlung dient unmittelbar der Geldbeschaffung und steht damit nur mittelbar im Zusammenhang mit dem Erwerb des Grundstücks11. Die im Bereich des Steuerrechts erbrachten Leistungen weisen ebenfalls keinen hinreichenden Zusammenhang zum Grundstück auf12. Dies entspricht Art. 31a Abs. 2 Buchst. q und Abs. 3 Buchst. h MwStVO, der juristische Dienstleistungen nur dann als im Zusammenhang mit einem Grundstück stehend ansieht, wenn die Dienstleistung im Zusammenhang mit der Begründung, Übertragung oder Veränderung von Rechten steht13.
Soweit das Finanzamt hiergegen einwendet, das Finanzgericht habe Rz 233 der -rechtlich unverbindlichen- Erläuterungen der Europäischen Kommission vom 26.10.2015 zu den 2017 in Kraft getretenen EU-Mehrwertsteuerbestimmungen zum Ort der Dienstleistung im Zusammenhang mit Grundstücken auf den streitigen Teil der Leistungen aus dem MCF-Vertrag angewendet, aber nicht die dortige Rz 234, greift dies nicht durch. Eine pauschale Zuordnung von Leistungen zu den Leistungen im Interesse der Gesellschafter oder den steuerrechtlichen Leistungen, die sich von einer bloßen Immobilienbewirtschaftung deutlich unterscheiden, ist nicht erfolgt.
Ein inländischer Leistungsort ergibt sich auch nicht nach anderen Vorschriften.
Nach § 3a Abs. 2 Satz 1 UStG wird eine sonstige Leistung, die an einen Unternehmer für dessen Unternehmen ausgeführt wird, vorbehaltlich der Absätze 3 bis 8 und der §§ 3b, 3e und 3f UStG an dem Ort ausgeführt, von dem aus der Empfänger sein Unternehmen betreibt. Wird die sonstige Leistung an die Betriebsstätte eines Unternehmers ausgeführt, ist stattdessen der Ort der Betriebsstätte maßgebend (§ 3a Abs. 2 Satz 2 UStG). Unionsrechtlich beruht § 3a Abs. 2 Sätze 1 und 2 UStG auf Art. 44 MwStSystRL.
Der Bundesfinanzhof kann offenlassen, ob die Grundbesitz-KG, die ihren Sitz und den Ort ihrer Geschäftsleitung im Drittlandsgebiet unterhielt, i.S. von § 3a Abs. 2 Sätze 1 und 2 UStG (Art. 44 MwStSystRL) aufgrund der Grundstücksvermietung im Inland über eine feste Niederlassung (Betriebsstätte) verfügte.
Zwar stellt nach dem EuGH-Urteil „Titanium“14 eine in einem Mitgliedstaat vermietete Immobilie keine feste Niederlassung i.S. des Art. 44 MwStSystRL dar, wenn der Eigentümer der Immobilie -wie vom Finanzgericht im Streitfall festgestellt- nicht über eigenes Personal für den Leistungsempfang im Zusammenhang mit der Vermietung verfügt15.
Danach könnte es als naheliegend angesehen werden, entgegen dem Urteil des Finanzgerichts Berlin-Brandenburg Urteil das Vorliegen einer festen Niederlassung aufgrund einer Grundstücksvermietung zu verneinen. Hierüber ist indes nicht zu entscheiden, da, wie das Finanzgericht jedenfalls im Ergebnis zu Recht entschieden hat, auch bei Annahme einer festen Niederlassung weder die Finanzierungsvermittlung (ITF-Vertrag) noch die im Interesse der Gesellschafter erbrachten Leistungen (MCF-Vertrag) als Leistungsbezüge für eine feste Niederlassung anzusehen wären. Letzteres gilt auch für die Leistungen im Bereich des Steuerrechts, die sich auf der Grundlage der vom Finanzgericht getroffenen Feststellungen auf die KG als solche bezogen.
Die Aufteilung der Gesamtvergütungen nach den ITF- und MCF-Verträgen auf grundstücksbezogene und nicht grundstücksbezogene Leistungen hat das Finanzgericht in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise gemäß § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO i.V.m. § 162 Abs. 1 AO geschätzt. Das gewonnene Schätzungsergebnis ist schlüssig, wirtschaftlich möglich und vernünftig16. Das Finanzgericht hat die Tätigkeiten der T Ltd. und B s.a.l. auf der Grundlage der Angaben und der detaillierten Aufstellung der Grundbesitz-KG den grundstücksbezogenen und nicht grundstücksbezogenen Leistungen zugeordnet. Dies entspricht auch den Anforderungen des Bundesfinanzhofs, Beschlusses in BFHE 240, 447, BStBl II 2013, 973.
Bundesfinanzhof, Urteil vom 16. März 2023 – V R 17/21
- vgl. z.B. EuGH, Urteil Bog u.a. vom 10.03.2011 – C-497/09, EU:C:2011:135, Rz 54, m.w.N.[↩]
- ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH, Urteile vom 21.04.2022 – V R 2/22 (V R 6/18), BFHE 276, 400, Rz 36; und vom 14.02.2019 – V R 22/17, BFHE 264, 83, BStBl II 2019, 350, Rz 15 ff.[↩]
- EuGH, Urteil Deutsche Bank vom 19.07.2012 – C-44/11, EU:C:2012:484, Rz 24 ff., und BFH, Urteil vom 11.10.2012 – V R 9/10, BFHE 238, 570, BStBl II 2014, 279[↩]
- vgl. z.B. BFH, Urteile in BFHE 264, 83, BStBl II 2019, 350, Rz 27; und vom 26.01.2022 – XI R 19/19 (XI R 12/17), BFHE 275, 440, BStBl II 2022, 582, Rz 48[↩]
- vgl. BFH, Urteil vom 01.02.2012 – I R 57/10, BFHE 236, 374, BStBl II 2012, 407, Rz 22[↩]
- vgl. EuGH, Urteil Inter-Mark Group vom 27.10.2011 – C-530/09, EU:C:2011:697, Rz 30[↩]
- vgl. EuGH, Urteile Heger vom 07.09.2006 – C-166/05, EU:C:2006:533, Rz 25; RR Donnelley Global Turnkey Solutions Poland vom 27.06.2013 – C-155/12, EU:C:2013:434, Rz 35 ff.[↩]
- BFH, Urteil vom 12.10.2016 – XI R 5/14, BFHE 255, 457, BStBl II 2017, 500, Rz 26[↩]
- EuGH, Urteil Welmory vom 16.10.2014 – C-605/12, EU:C:2014:2298, Rz 45 f.[↩]
- FG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 22.03.2021 – 7 K 7103/19[↩]
- vgl. Stadie in Rau/Dürrwächter, Umsatzsteuergesetz, § 3a Rz 293 zur Kreditgewährung; Abschn. 3a.3 Abs. 10 Nr. 6 des Umsatzsteuer-Anwendungserlasses -UStAE- zur Finanzierungsberatung[↩]
- vgl. Heinrichshofen in Wäger, UStG, 2. Aufl., § 3a Rz 124[↩]
- vgl. auch Abschn. 3a.3 Abs. 10 Nr. 7 UStAE zur Steuerberatung in Grundstückssachen[↩]
- EuGH, Urteil Titanium vom 03.06.2021 – C-931/19, EU:C:2021:446[↩]
- vgl. EuGH, Urteil Titanium, EU:C:2021:446, Rz 41[↩]
- vgl. BFH, Urteile vom 13.12.2018 – V R 65/16, BFH/NV 2019, 303, Rz 31; und vom 16.09.2015 – X R 43/12, BFHE 251, 37, BStBl II 2016, 48, Rz 40[↩]