Heilbehandlung durch Subunternehmer

Eine Heilbehandlung durch Subunternehmer ohne eigenständigen Befähigungsnachweis unterfällt nicht der Umsatzsteuerfreiheit für Heilbehandlungen. Aus einer nach dem SGB V einem Arzt für dessen Heilbehandlungsleistung (Aknebehandlung) geschuldeten Erstattung einer Krankenkasse ergibt sich nicht, dass der vom Arzt eingeschaltete Subunternehmer (Kosmetiker) über die erforderliche berufliche Befähigung zur Durchführung einer Heilbehandlungsmaßnahme in Sinne von § 4 Nr. 14 UStG verfügt.

Heilbehandlung durch Subunternehmer

Die Leistungen der Kosmetikern bei der Behandlung von Aknepatienten sind nicht nach § 4 Nr. 14 UStG steuerfrei, da die Klägerin nicht über den hierfür erforderlichen Befähigungsnachweis verfügt.

Nach § 4 Nr. 14 Satz 1 der in den Streitjahren geltenden Fassung des UStG sind „die Umsätze aus der Tätigkeit als Arzt, Zahnarzt, Heilpraktiker, Physiotherapeut, Krankengymnast, Hebamme oder aus einer ähnlichen heilberuflichen Tätigkeit i.S. des § 18 Abs. 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes“ steuerfrei. Diese Vorschrift beruht auf Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 77/388/EWG1, wonach „Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin, die im Rahmen der Ausübung der von dem betreffenden Mitgliedstaat definierten ärztlichen und arztähnlichen Berufe erbracht werden“, steuerfrei sind. § 4 Nr. 14 UStG ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs entsprechend Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 77/388/EWG auszulegen2.

Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union sind Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin nach Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 77/388/EWG nur steuerfrei, wenn sie von Personen erbracht werden, die die [hierfür] erforderlichen „beruflichen Befähigungsnachweise“3 und damit die erforderlichen „beruflichen Qualifikationen“ besitzen, damit die Heilbehandlungen unter Berücksichtigung der beruflichen Ausbildung der Behandelnden eine ausreichende Qualität aufweisen4.

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Zwar ist es Sache der einzelnen Mitgliedstaaten, die arztähnlichen Berufe zu bestimmen, wobei sich das ihnen dabei zustehende Ermessen nicht nur auf die Festlegung der für die Ausübung dieser Berufe erforderlichen Qualifikationen, sondern auch auf die Festlegung der spezifischen Heiltätigkeiten bezieht, die zu diesen Berufen gehören5. Bei der Ausübung dieses Ermessens muss aber ein Ausschluss einzelner Berufe durch sachliche Gründe gerechtfertigt sein, die sich auf die beruflichen Qualifikationen des Behandelnden und damit auf Erfordernisse der Qualität der erbrachten Leistungen beziehen6.

Weiter ist zu beachten, dass es der Grundsatz der steuerlichen Neutralität verbietet, gleichartige und deshalb miteinander in Wettbewerb stehende Dienstleistungen hinsichtlich der Mehrwertsteuer unterschiedlich zu behandeln. Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin sind dabei aber nur insoweit gleichartig, als sie für die Behandelten eine gleichwertige Qualität aufweisen. Schließt das nationale Recht einen Beruf von der Steuerfreiheit aus, liegt daher ein Verstoß gegen den Neutralitätsgrundsatz nur vor, wenn die Personen, die diesen Beruf ausüben, für die Durchführung der Heilbehandlung nachweislich über berufliche Qualifikationen verfügen, die gewährleisten, dass diese Behandlungen denjenigen qualitativ gleichwertig sind, die von Personen erbracht werden, die nach nationalem Recht steuerfrei sind7. Für die erforderliche Qualifikation kann schließlich die Tätigkeit in einem rechtlichen Rahmen, unter der Kontrolle eines Medizinischen Dienstes und gemäß spezifisch festgelegter Bedingungen sprechen, deren Einhaltung durch die Eintragung in ein hierfür vorgesehenes Register bescheinigt wird8.

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Auch für die Steuerfreiheit nach § 4 Nr. 14 UStG kommt es unter Berücksichtigung von Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 77/388/EWG darauf an, dass eine Heilbehandlung im Bereich der Humanmedizin durch einen Unternehmer erbracht wird, der über einen beruflichen Befähigungsnachweis und damit über die für die Leistungserbringung erforderliche Berufsqualifikation verfügt. Der Nachweis dieser Qualifikation kann sich nach ständiger Rechtsprechung des Senats aus berufsrechtlichen Regelungen oder aus einer Kostentragung durch gesetzliche Krankenkassen als Sozialversicherungsträger ergeben9. Eine Kostentragung durch gesetzliche Krankenkassen ist aber nur dann von Bedeutung, wenn sie den Charakter eines Befähigungsnachweises hat. Dies kann sich im Einzelfall aus den Beziehungen der Krankenkassen zu den Leistungserbringern nach dem Vierten Kapitel des SGB V und damit aus den §§ 69 ff. SGB V ergeben. So ist z.B. die Aufnahme der betreffenden Leistungen in den Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkassen nach § 92 SGB V, der Abschluss eines Versorgungsvertrags nach § 111 SGB V oder die Zulassung nach § 124 SGB V als Indiz für das Vorliegen der erforderlichen Berufsqualifikation anzusehen9.

Der Steuerfreiheit der durch die Kosmetikerin erbrachten Leistungen steht nicht bereits entgegen, dass sie ihre Leistungen gegenüber einem Arzt erbrachte. Auch Subunternehmer eines Arztes können diesem gegenüber eine steuerfreie Heilbehandlungsleistung erbringen10. Dies beruht darauf, dass es für die Steuerfreiheit nicht auf die Person des Leistungsempfängers ankommt, sondern sich die personenbezogene Voraussetzung der Steuerfreiheit auf den Leistenden bezieht, der Träger eines ärztlichen oder arztähnlichen Berufs sein muss11.

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Bundesfinanzhof, Urteil vom 2. September 2010 – V R 47/09

  1. Sechste Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG[]
  2. vgl. z.B. zuletzt BFH, Urteil vom 30.04.2009 – V R 6/07, BFHE 225, 248, BStBl II 2009, 679[]
  3. EuGH, Urteil vom 10.09.2002 – C-141/00 [Kügler], Slg. 2002, I-6833, BFH/NV Beilage 2003, 30 Rdnr. 27[]
  4. EuGH, Urteil vom 27.04.2006 – C-443/04 und C-444/04 [Solleveld u.a.], Slg. 2006, I-3617, BFH/NV Beilage 2006, 299 Rdnr. 37[]
  5. EuGH, Urteil Solleveld u.a. in Slg. 2006, I-3617, BFH/NV Beilage 2006, 299 Rdnrn. 29 f.[]
  6. EuGH, Urteil Solleveld u.a. in Slg. 2006, I-3617, BFH/NV Beilage 2006, 299 Rdnr. 37[]
  7. EuGH, Urteil Solleveld u.a. in Slg. 2006, I-3617, BFH/NV Beilage 2006, 299 Rdnrn. 40 f.[]
  8. EuGH, Urteil Solleveld u.a. in Slg. 2006, I-3617, BFH/NV 2006, 299 Rdnr. 46[]
  9. vgl. z.B. zuletzt BFH, Urteil in BFHE 225, 248, BStBl II 2009, 679[][]
  10. EuGH, Urteil vom 08.06.2006 – C-106/05 [L. u. P. GmbH], BFH/NV Beilage 2006, 442 Rdnrn. 37 f.; BFH, Urteile vom 25.11.2004 – V R 44/02, BFHE 208, 80, BStBl II 2005, 190; vom 01.02.2007 – V R 64/05, BFH/NV 2007, 1203; und vom 15.03.2007 – V R 55/03, BFHE 217, 48, BStBl II 2008, 31[]
  11. BFH, Urteile vom 12.10.2004 – V R 54/03, BFHE 207, 558, BStBl II 2005, 106; vom 10.03.2005 – V R 54/04, BFHE 210, 151, BStBl II 2005, 669; und vom 07.07.2005 – V R 23/04, BFHE 211, 69, BStBl II 2005, 904[]
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