„Sondervermögen“ i.S. von Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 6 der Richtlinie 77/388/EWG sind Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren (OGAW) i.S. der Richtlinie 85/611/EWG und diesen Organismen ähnliche Fonds. Ähnlich in diesem Sinne sind Fonds, die gleiche Merkmale aufweisen wie OGAW und vergleichbare Umsätze tätigen oder diesen zumindest so weit ähnlich sind, dass sie mit ihnen im Wettbewerb stehen, was zumindest voraussetzt, dass das nationale Recht eine besondere staatliche Aufsicht für solche Vermögen vorsieht.

Umsätze aus der Verwaltung von durch die Mitgliedstaaten als solche definierten Sondervermögen durch Kapitalanlagegesellschaften sind nach Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 6 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern – Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage vom 17.05.1977 umsatzsteuerbefreit.
Teil B Buchst. d Nr. 6 der Richtlinie 77/388/EWG ermächtigt die Mitgliedstaaten, den Begriff „Sondervermögen“ zu definieren1.
Nach nationalem Recht, auf das Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 6 der Richtlinie 77/388/EWG verweist, sind die Verwaltungsleistungen der Verwaltungsgesellschaft -wovon die Beteiligten zu Recht übereinstimmend ausgehen- nicht von der Umsatzsteuer befreit, weil die Voraussetzungen von § 4 Nr. 8 Buchst. h UStG nicht erfüllt sind. Die Verwaltungsgesellschaft selbst ist weder eine Kapitalanlagegesellschaft, deren Gegenstand die Verwaltung von Sondervermögen nach dem Gesetz über Kapitalanlagegesellschaften (KAGG) in der für die Streitjahre 1998 bis 2003 gültigen Fassung ist, noch eine Kapitalanlagegesellschaft, deren Gegenstand die Verwaltung von Sondervermögen nach dem Investmentgesetz (InvG) in der für das Streitjahr 2004 gültigen Fassung ist, weil ihr Unternehmensgegenstand nicht die Bildung eines Sondervermögens im Sinne des KAGG bzw. InvG umfasst.
Dass die Verwaltungsgesellschaft das Vermögen der fünf GbR und des Teilfonds K verwaltet, führt zu keinem anderen Ergebnis, weil diese als GbR nicht die qualifizierten Anforderungen erfüllen, die § 1 Abs. 3 Satz 1 KAGG und § 6 Abs. 1 Satz 2 InvG an die gesellschaftsrechtliche Rechtsform einer Kapitalanlagegesellschaft bzw. Investmentgesellschaft (Rechtsform der AG oder der GmbH) stellen.
Der Begriff des „Sondervermögens“ i.S. von Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 6 der Richtlinie 77/388/EWG wird neben dem nationalen Recht zugleich durch das Unionsrecht bestimmt2. Denn die den Mitgliedstaaten übertragene Definitionsbefugnis ist durch den Grundsatz der steuerlichen Neutralität und das Verbot, der vom Unionsgesetzgeber verwendeten Formulierung der Befreiungsvorschrift zuwiderzuhandeln, begrenzt3. Zudem wurde die Definitionsbefugnis der Mitgliedstaaten durch die Koordinierung der Rechtsvorschriften im Bereich der Investmentaufsicht auf Unionsebene überlagert.
Sondervermögen i.S. des Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 6 der Richtlinie 77/388/EWG sind deshalb jedenfalls Fonds, die Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren im Sinne der OGAW-Richtlinie, mit Wirkung ab 23.02.2002 geändert durch die Richtlinie 2001/108/EG, darstellen4.
Darüber hinaus sind als Sondervermögen i.S. des Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 6 der Richtlinie 77/388/EWG auch Fonds anzusehen, die zwar keine OGAW im Sinne der OGAW-Richtlinie darstellen, jedoch gleiche Merkmale wie diese aufweisen und vergleichbare Umsätze tätigen oder diesen zumindest so weit ähnlich sind, dass sie mit ihnen im Wettbewerb stehen5.
In dem hier vom Bundesfinanzhof entschiedenen Streitfall bedeutete dies, dass weder die Verwaltungsgesellschaft noch die von ihr verwalteten, in der Rechtsform einer GbR geführten Depos nach diesen Grundsätzen OGAW oder OGAW-ähnliche Fonds waren:
Die Verwaltungsgesellschaft selbst ist schon deshalb kein OGAW, weil ihr ausschließlicher Zweck nicht, wie Art. 1 Abs. 2 der OGAW-Richtlinie voraussetzt, darauf gerichtet ist, beim Publikum beschaffte Gelder für gemeinsame Rechnung nach dem Grundsatz der Risikostreuung in Wertpapieren anzulegen und deren Anteile auf Verlangen der Anteilsinhaber unmittelbar oder mittelbar zu Lasten des Vermögens dieser Organismen zurückgenommen oder ausgezahlt werden. Nach den Feststellungen des Finanzgericht ist Unternehmensgegenstand der Verwaltungsgesellschaft vielmehr „u.a. die Verwaltung eigenen und fremden Vermögens“.
Allerdings können auch Leistungen bei der administrativen und buchhalterischen Verwaltung der Vermögen durch einen außenstehenden Verwalter als Verwaltung von Sondervermögen steuerfrei sein, wenn sie ein im Großen und Ganzen eigenständiges Ganzes bilden und für die Verwaltung von Sondervermögen durch Kapitalanlagegesellschaften spezifisch und wesentlich sind6. Das würde aber voraussetzen, dass die fünf GbR als OGAW anzusehen sind.
Das ist nicht der Fall, weil die fünf GbR für die Ausübung ihrer Tätigkeit weder einer Zulassung bedurft haben (Art. 4 Abs. 1 der OGAW-Richtlinie) noch die zuständigen Stellen der Verwaltungsgesellschaft die Zulassung erteilt, die Vertragsbedingungen genehmigt oder der Wahl der Verwahrstelle zugestimmt haben (Art. 4 Abs. 2 der OGAW-Richtlinie). Die Aufsicht über den Wertpapierhandel durch die BaFin vollzieht sich seit 01.05.2002 nach §§ 6 ff. WpHG. Zuvor kam diese Aufgabe dem Bundesaufsichtsamt für den Wertpapierhandel (BAWe) zu. In §§ 6 ff. WpHG ist weder eine Zulassung der Verwaltungsgesellschaft noch eine Genehmigung von Vertragsbedingungen noch die Zustimmung zur Wahl der Verwahrstelle vorgesehen.
Darüber hinaus scheidet die Annahme von OGAW aus, weil nach den den Bundesfinanzhof gemäß § 118 Abs. 2 FGO bindenden Feststellungen des Finanzgericht die Gesellschafter ihr gemeinsames Konto und Depot beim Brokerhaus B in den USA unterhalten haben. Gemäß Art. 7 Abs. 1, Art. 8 Abs. 1 der OGAW-Richtlinie ist die Verwahrung des Vermögens des Investmentfonds aber einer Verwahrstelle zu übertragen, die entweder ihren satzungsgemäßen Sitz in dem Mitgliedstaat haben muss, in dem die Verwaltungsgesellschaft ihren satzungsgemäßen Sitz hat, oder in ihm niedergelassen sein, wenn sie ihren satzungsgemäßen Sitz in einem anderen Mitgliedstaat hat. Das trifft auf das US-amerikanische Brokerhaus B nicht zu.
Die Verwaltungsgesellschaft und die fünf GbR sind auch keine OGAW-ähnlichen Fonds. Das würde voraussetzen, dass sie gleiche Merkmale aufweisen wie diese und vergleichbare Umsätze tätigen oder diesen zumindest so weit ähnlich sind, dass sie mit ihnen im Wettbewerb stehen5. Das setzt aber zumindest voraus, dass das nationale Recht eine besondere staatliche Aufsicht für ein solches Vermögen vorsieht7. Die GbR unterliegen zwar der allgemeinen Aufsicht durch das BAWe (bis 30.04.2002) bzw. das BaFin (ab 01.05.2002). Das reicht für die besondere Aufsicht i.S. des EuGH-Urteils „Fiscale Eenheid X“8 aber nicht aus.
Den Erwägungsgründen 1 und 2 der OGAW-Richtlinie ist in diesem Zusammenhang zu entnehmen, dass der Unionsgesetzgeber wegen der Unterschiede zwischen den Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten, die die Organismen für gemeinsame Anlagen regeln, insbesondere hinsichtlich der Pflichten, die diesen Organismen auferlegt, sowie der Kontrollen, denen sie unterworfen werden, diese Rechtsvorschriften koordinieren wollte, um die Wettbewerbsbedingungen zwischen diesen Organismen auf Unionsebene anzugleichen und einen wirksameren und einheitlicheren Schutz der Anteilsinhaber sicherzustellen sowie den in einem Mitgliedstaat ansässigen Organismen für gemeinsame Anlagen den Vertrieb ihrer Anteile im Gebiet der anderen Mitgliedstaaten zu erleichtern9.
Die OGAW-Richtlinie hat deshalb für die in den Mitgliedstaaten niedergelassenen Organismen für gemeinsame Anlagen gemeinsame Mindestregelungen für die Zulassung, Struktur, Geschäftstätigkeit sowie hinsichtlich der zu veröffentlichenden Informationen festgelegt10. Diese Mindeststandards, insbesondere auch hinsichtlich der Zulassung und der Verwahrstelle, muss eine besondere staatliche Aufsicht erfüllen, damit ein Anlageorganismus als einem OGAW ähnlich beurteilt werden kann. Hieran fehlt es.
Bundesfinanzhof, Urteil vom 5. September 2019 – V R 2/16
- vgl. EuGH, Urteile „Fiscale Eenheid X“ vom 09.12.2015 – C-595/13, EU:C:2015:801, Rz 31; „Wheels Common Investment Fund Trustees u.a.“ vom 07.03.2013 – C-424/11, EU:C:2013:144, Rz 16; „ATP PensionService“ vom 13.03.2014 – C-464/12, EU:C:2014:139, Rz 40[↩]
- EuGH, Urteil Fiscale Eenheid X, EU:C:2015:801, Rz 46[↩]
- EuGH, Urteil Fiscale Eenheid X, EU:C:2015:801, Rz 32, 33[↩]
- EuGH, Urteil Fiscale Eenheid X, EU:C:2015:801, Rz 36, m.w.N.[↩]
- EuGH, Urteil Fiscale Eenheid X, EU:C:2015:801, Rz 37, m.w.N.[↩][↩]
- EuGH, Urteile Abbey National vom 04.05.2006 – C-169/04, EU:C:2006:289, Rz 72, und GfBk vom 07.03.2013 – C-275/11, EU:C:2013:141, Rz 21; BFH, Urteil vom 11.10.2007 – V R 22/04, BFHE 219, 257, BStBl II 2008, 993[↩]
- EuGH, Urteil Fiscale Eenheid X, EU:C:2015:801, Rz 40, 42, 48 f., 64[↩]
- EU:C:2015:801[↩]
- EuGH, Urteil Fiscale Eenheid X, EU:C:2015:801, Rz 43[↩]
- EuGH, Urteil „Fiscale Eenheid X“, EU:C:2015:801, Rz 44[↩]