§ 4 Nr. 12 Satz 2 UStG ist nicht auf die Verpachtung von auf Dauer eingebauten Vorrichtungen und Maschinen anzuwenden, wenn es sich hierbei um eine Nebenleistung zur Verpachtung eines Gebäudes als Hauptleistung handelt, die im Rahmen eines zwischen denselben Parteien geschlossenen Vertrags nach § 4 Nr. 12 Satz 1 Buchst. a UStG steuerfrei ist, sodass eine einheitliche Leistung vorliegt. Dies entschied jetzt der Bundesfinanzhof unter Aufgabe seiner bisherigen Rechtsprechung1 in Umsetzung der „Finanzamt X“, Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union2.

In dem zugrunde liegenden Fall verpachtete der klagende Grundstückseigentümer in den Jahren 2010 bis 2014 (Streitjahre) Stallgebäude zur Putenaufzucht mit auf Dauer eingebauten Vorrichtungen und Maschinen. Es handelte sich bei diesen um speziell abgestimmte Ausstattungselemente für die vertragsgemäße Nutzung als Putenaufzuchtstall. Die Vorrichtungen dienten der Fütterung in der Putenhaltung, um die Tiere unter Einsatz einer Industrieförderspirale (vom Silo bis zur speziell entworfenen Futterschale) in der vorgegebenen Zeit zur Schlachtreife aufzuziehen. Heizungs- und Lüftungsanlagen dienten der Sicherung des jeweils erforderlichen Stallklimas (Aufzucht der Küken bei 29 °C, Absenkung der Stalltemperatur bis zur fünften Lebenswoche stufenweise auf 20 °C bis 22 °C). Spezielle Beleuchtungssysteme sorgten für eine gleichmäßige Ausleuchtung zur Vermeidung schädlicher Schattenplätze (entsprechend besonderer Rechtsvorschriften und Verbandsrichtlinien mit einer Beleuchtungsstärke zwischen 0, 5 lx während der Nachtruhe und circa 20 lx am Tag).
Der Verpächter ging davon aus, dass seine Leistung bei der Verpachtung der Stallgebäude zur Putenaufzucht mit den auf Dauer eingebauten Vorrichtungen und Maschinen insgesamt steuerfrei sei. Es lag hierfür ein einheitliches Entgelt vor, das nach den vertraglichen Regelungen nicht auf die Überlassung des Stalls einerseits und Vorrichtungen und Maschinen andererseits aufgeteilt war. Demgegenüber vertrat das Finanzamt die Auffassung, dass das einheitlich vereinbarte Pachtentgelt nach Maßgabe der beim Verpächter entstandenen Kosten zu 20 % auf die Vorrichtungen und Maschinen entfalle und insoweit steuerpflichtig sei. Das Finanzamt erließ daher entsprechende Änderungsbescheide für die Streitjahre. Der dagegen eingelegte Einspruch hatte keinen Erfolg.
Demgegenüber gab das Niedersächsische Finanzgericht der hiergegen eingelegten Klage statt3, da eine insgesamt und damit auch im Umfang der Verpachtung der eingebauten Vorrichtungen und Maschinen steuerfreie Leistung vorliege. Zwar sei die eigenständige Verpachtung derartiger Vorrichtungen und Maschinen steuerpflichtig. Handele es sich aber wie im vorliegenden Fall bei der Überlassung derartiger Vorrichtungen und Maschinen um eine Nebenleistung zur Überlassung eines Stallgebäudes, sei die Verpachtung auch insoweit steuerfrei, als sie auf die Überlassung dieser Vorrichtungen und Maschinen entfalle. Unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) zur Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28.11.2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (MwStSystRL) ging das Finanzgericht davon aus, dass eine einheitliche Leistung vorliege, wenn ein zur Miete angebotenes Gebäude mit begleitenden Leistungen in wirtschaftlicher Hinsicht objektiv eine Gesamtheit bilde4. Ergänzend verwies das Finanzgericht auch darauf, dass der Bundesfinanzhof entschieden habe, dass es sich bei der Überlassung des Inventars um eine Nebenleistung zur gemäß § 4 Nr. 12 Satz 1 Buchst. a des Umsatzsteuergesetzes (UStG) steuerfreien Verpachtung eines Seniorenwohnparks handele5. Daher sei die Überlassung der Vorrichtungen und Maschinen eine Nebenleistung zur steuerfreien Verpachtung. Es lägen speziell abgestimmte Ausstattungselemente vor, die nur dazu gedient hätten, die vertragsgemäße Nutzung des Putenstalls unter optimalen Bedingungen in Anspruch zu nehmen.
Auf die Revision des Finanzamtes hat der Bundesfinanzhof zunächst ein Vorabentscheidungsersuchen an den Gerichtshof der Europäischen Union zur Auslegung von Art. 135 MwStSystRL gerichtet6. Die hierin vorgelegten Rechtsfragen hat der Unionsgerichtshof mit dem Urteil „Finanzamt X“ wie folgt beantwortet7:
135 Abs. 2 Satz 1 Buchst. c der Richtlinie 2006/112/EG (…) ist dahin auszulegen, dass er auf die Vermietung auf Dauer eingebauter Vorrichtungen und Maschinen keine Anwendung findet, wenn diese Vermietung eine Nebenleistung zu einer Hauptleistung der Verpachtung eines Gebäudes ist, die im Rahmen eines zwischen denselben Parteien geschlossenen und nach Art. 135 Abs. 1 Buchst. l dieser Richtlinie steuerbefreiten Pachtvertrags erbracht wird, und diese Leistungen eine wirtschaftlich einheitliche Leistung bilden.“
In Umsetzung dieses Urteils des Unionsgerichtshofs hat der Bundesfinanzhof nunmehr die Revision des Finanzamtes als unbegründet zurückgewiesen:
Das Finanzgericht hat zutreffend entschieden, dass eine insgesamt steuerfreie Leistung vorliegt. Denn das sogenannte Aufteilungsgebot des § 4 Nr. 12 Satz 2 UStG ist nicht auf die Vermietung oder Verpachtung (vorliegend: Verpachtung) von auf Dauer eingebauten Vorrichtungen und Maschinen anzuwenden, wenn es sich hierbei um eine Nebenleistung zur Vermietung oder Verpachtung (vorliegend: Verpachtung) eines Gebäudes als Hauptleistung handelt, die im Rahmen eines zwischen denselben Parteien geschlossenen Vertrags nach § 4 Nr. 12 Satz 1 Buchst. a UStG steuerfrei ist, so dass eine wirtschaftlich einheitliche Leistung vorliegt.
Nach § 4 Nr. 12 Satz 1 Buchst. a UStG ist die Vermietung und die Verpachtung von Grundstücken steuerfrei. Unionsrechtlich beruht dies auf dem insoweit gleichlautenden Art. 135 Abs. 1 Buchst. l MwStSystRL.
Von dieser Steuerfreiheit schließt § 4 Nr. 12 Satz 2 UStG insbesondere die Vermietung und die Verpachtung von Maschinen und sonstigen Vorrichtungen aller Art aus, die zu einer Betriebsanlage gehören (Betriebsvorrichtungen), auch wenn sie wesentliche Bestandteile eines Grundstücks sind. Unionsrechtlich ergibt sich dies aus Art. 135 Abs. 2 Satz 1 Buchst. c MwStSystRL, der die Vermietung von auf Dauer eingebauten Vorrichtungen und Maschinen von der Steuerfreiheit ausschließt. Zudem ordnet Art. 135 Abs. 2 Satz 2 MwStSystRL an, dass die Mitgliedstaaten Ausnahmen von der Befreiung nach Art. 135 Abs. 1 Buchst. l MwStSystRL vorsehen können.
Der Bundesfinanzhof ist in seiner bisherigen Rechtsprechung davon ausgegangen, dass sich in Bezug auf Betriebsvorrichtungen aus § 4 Nr. 12 Satz 2 UStG ein Aufteilungsgebot ergibt. Danach ist die Vermietung und Verpachtung von Betriebsvorrichtungen nicht von der Umsatzsteuer befreit, selbst wenn diese wesentliche Bestandteile eines Grundstücks sind. Das Aufteilungsgebot lasse auch keine Einbeziehung der Überlassung von Betriebsvorrichtungen in die Steuerbefreiung der Grundstücksvermietung unter dem Gesichtspunkt der unselbständigen Nebenleistung zu8. Dem folgte auch die Finanzverwaltung (Abschn.04.12.10 Satz 1 des Umsatzsteuer-Anwendungserlasses).
Demgegenüber ist nach dem in diesem Rechtsstreit ergangenenEuGH-Urteil „Finanzamt X“9 Art. 135 Abs. 2 Satz 1 Buchst. c MwStSystRL nicht auf die Verpachtung von auf Dauer eingebauten Vorrichtungen und Maschinen anzuwenden, wenn diese eine Nebenleistung zu einer Hauptleistung der Verpachtung eines Gebäudes ist, die im Rahmen eines zwischen denselben Parteien geschlossenen und nach Art. 135 Abs. 1 Buchst. l dieser Richtlinie steuerbefreiten Pachtvertrags erbracht wird, und diese Leistungen eine wirtschaftlich einheitliche Leistung bilden10.
Der EuGH begründet dies damit, dass sich aus Art. 135 Abs. 2 MwStSystRL kein Erfordernis ergibt, einen einheitlichen wirtschaftlichen Vorgang in eigenständige Leistungen aufzuteilen11. Daher ist in Bezug auf die Verpachtung eines Zuchtstalls und der in diesem Gebäude auf Dauer eingebauten Anlagen, die speziell an diese Zucht angepasst sind, wobei der Pachtvertrag zwischen denselben Parteien geschlossen ist und ein einheitliches Entgelt vorliegt, zu prüfen, ob diese Leistungen, wie es nahe zu liegen scheint, eine wirtschaftlich einheitliche Leistung darstellen12. Im Fall einer wirtschaftlich einheitlichen Leistung, die zusammengesetzt ist aus einer nach Art. 135 Abs. 1 Buchst. l MwStSystRL steuerbefreiten Hauptleistung in Form der Vermietung oder Verpachtung eines Grundstücks und einer mit der Hauptleistung untrennbar verbundenen Nebenleistung, die nach Art. 135 Abs. 2 Satz 1 Buchst. c MwStSystRL grundsätzlich von dieser Befreiung ausgeschlossen ist, ist die Nebenleistung -gleichwohl- steuerlich ebenso zu behandeln wie die Hauptleistung13.
Dem schließt sich der Bundesfinanzhof für die Auslegung von § 4 Nr. 12 Satz 2 UStG an. An der bisherigen Annahme eines Aufteilungsgebots im BFH, Urteil vom 28.05.1998 – V R 19/96, BFHE 185, 555, BStBl II 2010, 307 ist somit nicht mehr festzuhalten, da § 4 Nr. 12 Satz 2 UStG entsprechend Art. 135 Abs. 2 Satz 1 Buchst. c MwStSystRL richtlinienkonform auszulegen ist (Änderung der Rechtsprechung). Die Beurteilung bei Betriebsvorrichtungen entspricht damit der bei der Überlassung von Inventar14.
Der Bundesfinanzhof berücksichtigt dabei auch, dass § 4 Nr. 12 Satz 2 UStG der Umsetzung von Art. 135 Abs. 2 Satz 1 MwStSystRL, nicht aber zur Ausübung der durch Art. 135 Abs. 2 Satz 2 MwStSystRL eingeräumten Ermächtigung dient. Zur Ausübung dieser Ermächtigung bedarf es einer gesetzlichen Regelung15, die in eindeutiger Weise ein Aufteilungsgebot begründet16. Eine derartige Regelung ist § 4 Nr. 12 Satz 2 UStG nicht zu entnehmen. Aus diesem Grund ist zum Beispiel die dort auch genannte Vermietung von Plätzen für das Abstellen von Fahrzeugen wie die Vermietung von Grundstücken für Wohnzwecke steuerfrei, wenn sie im Rahmen eines einheitlichen wirtschaftlichen Vorgangs mit dieser eng verbunden ist17.
Im Streitfall hat das Finanzgericht unter zutreffender Berücksichtigung der vom EuGH entwickelten Rechtsprechung zu Haupt- und Nebenleistungen18 entschieden, dass eine einheitliche Leistung vorliegt, bei der die Überlassung der Betriebsvorrichtungen Nebenleistung zur Stallüberlassung war, so dass eine insgesamt nach § 4 Nr. 12 Satz 1 Buchst. a UStG steuerfreie Leistung vorliegt.
Das Finanzgericht hat dies zutreffend damit begründet, dass es sich bei den Vorrichtungen und Maschinen um speziell abgestimmte Ausstattungselemente handelte, die nur dazu dienten, die vertragsgemäße Nutzung des Putenstalls unter optimalen Bedingungen in Anspruch zu nehmen. Die Vorrichtungen wurden für die Fütterung von Tieren in der Putenhaltung verwendet, um diese unter Einsatz einer Industrieförderspirale in der vorgegebenen Zeit zur Schlachtreife aufzuziehen. Heizungs- und Lüftungsanlagen waren notwendig, um den Anforderungen an das Stallklima gerecht zu werden. Spezielle Beleuchtungssysteme dienten einer gleichmäßigen Ausleuchtung. Bei den weiteren Anlagen zur Fütterung handelte es sich somit um Gegenstände, die für die Nutzung der gepachteten Ställe nützlich oder sogar notwendig waren. Als zutreffend erweist sich damit die Überlegung des Verpächters, dass vorrangig das Gebäude den Schutz und die Wärme der Puten zur Mast gewährleistete. Diese Würdigung ist weder widersprüchlich noch verstößt sie gegen Denkgesetze und auch nicht gegen allgemeine Erfahrungssätze19. Daher ist vorliegend nicht einer Auffassung im Schrifttum20 zu folgen, wonach die Gebäudeverpachtung die unselbständige Nebenleistung und die Verpachtung der Betriebsvorrichtungen die das Schicksal der Leistung insgesamt bestimmende Hauptleistung sein soll.
Ebenso greifen die hiergegen gerichteten und nicht näher spezifizierten Überlegungen des Finanzamtes zur fehlenden Einbeziehung von AfA und Erhaltungsaufwendungen oder zur Kapitalverzinsung und zu Rentabilitätsberechnungen nicht durch. Das Finanzamt wendet sich insoweit nur gegen die Tatsachenwürdigung des Niedersächsischen Finanzgerichts, ohne in Bezug auf diese Feststellungen zulässige und begründete Revisionsgründe vorzubringen (§ 118 Abs. 2 FGO). Es stellt lediglich seine eigene Würdigung der Tatsachen an die Stelle der Würdigung des Niedersächsischen Finanzgerichts.
Damit erwies sich das Urteil des Niedersächsischen Finanzgericht, das bei seiner Entscheidung das jetzt aufgegebene Urteil des Bundesfinanzhofs vom 28.05.19981 außer Betracht gelassen hatte, im Ergebnis als zutreffend.
Bundesfinanzhof, Beschluss vom 17. August 2023 – V R 7/23
- BFH, Urteil vom 28.05.1998 – V R 19/96, BFHE 185, 555, BStBl II 2010, 307[↩][↩]
- EuGH, Urteil Finanzamt X vom 04.05.2023 – C-516/21, EU:C:2023:372[↩]
- Nds. FG, Urteil vom 11.06.2020 – 11 K 24/19, EFG 2020, 1725[↩]
- EuGH, Urteil Wojskowa Agencja Mieszkaniowa w Warszawie vom 16.04.2015 – C-42/14, EU:C:2015:229, Rz 42[↩]
- BFH, Urteil vom 11.11.2015 – V R 37/14, BFHE 251, 517, BStBl II 2017, 1259[↩]
- BFH, Beschluss vom 26.05.2021 – V R 22/20, BFHE 273, 351[↩]
- EuGH, Urteil vom 04.05.2023 – C-516/21, EU:C:2023:372[↩]
- BFH, Urteil vom 28.05.1998 – V R 19/96, BFHE 185, 555, BStBl II 2010, 307, Leitsatz[↩]
- EU:C:2023:372[↩]
- EuGH, Urteil Finanzamt X, EU:C:2023:372, Antwort auf die Vorlagefrage und Rz 39[↩]
- EuGH, Urteil Finanzamt X, EU:C:2023:372, Rz 34[↩]
- EuGH, Urteil Finanzamt X, EU:C:2023:372, Rz 37[↩]
- EuGH, Urteil Finanzamt X, EU:C:2023:372, Rz 38[↩]
- vgl. hierzu BFH, Urteil vom 11.11.2015 – V R 37/14, BFHE 251, 517, BStBl II 2017, 1259[↩]
- EuGH, Urteil Maierhofer vom 16.01.2003 – C-315/00, EU:C:2003:23, Rz 23 zu der Art. 135 Abs. 2 Satz 2 MwStSystRL entsprechenden Bestimmung in Art. 13 Teil B Buchst. b Abs. 2 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17.05.1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern[↩]
- vgl. z.B. § 12 Abs. 2 Nr. 11 Satz 2 UStG[↩]
- so z.B. zuletzt BFH, Urteil vom 10.12.2020 – V R 41/19, BFH/NV 2021, 949, Leitsatz[↩]
- vgl. hierzu BFH, Beschluss vom 26.05.2021 – V R 22/20, BFHE 273, 351, Rz 45 f., m.w.N. zur Rechtsprechung des EuGH[↩]
- vgl. z.B. BFH, Urteil vom 16.03.2023 – V R 17/21, BFH/NV 2023, 965, Rz 20[↩]
- Nieskens, Umsatzsteuer-Rundschau -UR- 2023, 446; vgl. auch Widmann, UR 2022, 7, 9 f.; demgegenüber zutreffend Heinrichshofen, Der Umsatz-Steuer-Berater 2023, 173, 174[↩]