Die Kleinunternehmerregelung ist auf solche Unternehmer beschränkt, die im Mitgliedstaat der Leistungserbringung ansässig sind.
In dem hier vom Bundesfinanzhof entschiedenen Fall hatte eine in Italien lebende italienische Staatsangehörige geklagt, der an einer Wohnung im Inland, die ihrem Vater gehörte, ein Nießbrauchsrecht und damit ein dingliches Nutzungsrecht nach §§ 1030 ff. BGB zustand. Aufgrund des Nießbrauches war sie berechtigt, die Nutzungen der Sache zu ziehen (§ 1030 Abs. 1 BGB). Als Nießbraucherin war sie auch zum Besitz der Sache berechtigt (§ 1036 Abs. 1 BGB). Sie vermietete die Wohnung kurzfristig über Internetportale. Das Finanzamt ging davon aus, dass sie aufgrund der Kurzfristigkeit der Vermietungen steuerpflichtige Leistungen erbracht habe. Der hiergegen eingelegte Einspruch war nur insoweit erfolgreich, als das Finanzamt von der Anwendung des ermäßigten Steuersatzes ausging.
Auch die hiergegen gerichtete Klage hatte vor dem Finanzgericht Berlin-Brandenburg keinen Erfolg1. Die Vermieterin sei, so das Finanzgericht, nicht zur Inanspruchnahme der Kleinunternehmerregelung berechtigt, da sie in den Streitjahren in Italien ansässig gewesen sei. Dies ergebe sich aus § 19 Abs. 1 UStG und aus Art. 283 Abs. 1 Buchst. c MwStSystRL.
Hiergegen wandte sich die Vermieterin mit der Revision. Die Schlüsselübergabe wie auch die Reinigung seien im Inland durch freie Mitarbeiter erfolgt. Sie habe sich bei ihren Aufenthalten vor Ort persönlich um Verwaltung und Instandhaltung gekümmert. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union wie auch der des Bundesfinanzhofs liege eine feste Niederlassung vor. Der Bundesfinanzhof wies nun jedoch auch die Revision der Vermieterin zurück; die Vermieterin sei aufgrund ihrer Ansässigkeit im Ausland nicht berechtigt, die Kleinunternehmerregelung nach § 19 Abs. 1 UStG in Anspruch zu nehmen:
Nach § 19 Abs. 1 Satz 1 UStG wurde in den Streitjahren die für Umsätze i.S. des § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG geschuldete Umsatzsteuer von Unternehmern, die im Inland oder in den in § 1 Abs. 3 UStG bezeichneten Gebieten ansässig sind, nicht erhoben, wenn der in Satz 2 bezeichnete Umsatz zuzüglich der darauf entfallenden Steuer im vorangegangenen Kalenderjahr 17.500 € nicht überstiegen hat und im laufenden Kalenderjahr 50.000 € voraussichtlich nicht übersteigen wird. Unionsrechtlich beruht dies auf Art. 282 ff. MwStSystRL. Die Steuerbefreiungen und -ermäßigungen nach diesem Abschnitt gelten dabei gemäß Art. 282 MwStSystRL für Lieferungen von Gegenständen und für Dienstleistungen, die von Kleinunternehmen bewirkt werden. Dabei ordnet Art. 283 Abs. 1 Buchst. c MwStSystRL an, dass dieser Abschnitt nicht für die Lieferungen von Gegenständen und Erbringung von Dienstleistungen durch einen Steuerpflichtigen gilt, der nicht in dem Mitgliedstaat ansässig ist, in dem die Mehrwertsteuer geschuldet wird.
Hierzu hat der Gerichtshof der Europäischen Union in seinem Urteil „Schmelz“2, in dem es um die Frage ging, ob ein Steuerpflichtiger, der in einem Mitgliedstaat eine Wohnung steuerpflichtig vermietet und dabei aber in einem anderen Mitgliedstaat ansässig ist, die Kleinunternehmerregelung in Anspruch nehmen kann, dem nationalen Gericht geantwortet: „Die Prüfung der Fragen hat nichts ergeben, was die Gültigkeit der Art. 24 Abs. 3 und 28i der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG … sowie des Art. 283 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 2006/112/EG … im Hinblick auf Art. 49 EG berühren könnte.„
Der Unionsgerichtshof hat dies insbesondere wie folgt begründet:
Mit der Beschränkung der Mehrwertsteuerbefreiung auf die Steuerpflichtigen, die in dem Mitgliedstaat, der eine solche Befreiung eingeführt hat, ansässig sind, kann verhindert werden, dass Steuerpflichtige, die in mehreren Mitgliedstaaten tätig sind, ohne dort ansässig zu sein, der Besteuerung ihrer Tätigkeiten unter dem Deckmantel der dort geltenden Befreiungen ganz oder zum großen Teil entgehen könnten, auch wenn diese Tätigkeiten in ihrer Gesamtheit den Umfang der Geschäftstätigkeit eines Kleinunternehmens objektiv überschreiten würden, was mit dem Erfordernis, durch die Ausnahme vom Grundsatz der Besteuerung, die eine solche Befreiungsregelung darstellt, nur Kleinunternehmen zu fördern, nicht zu vereinbaren wäre. Beim gegenwärtigen Stand der Entwicklung der Mehrwertsteuerregelung rechtfertigen das Ziel, die Wirksamkeit der Steueraufsicht im Hinblick auf die Bekämpfung von Steuerhinterziehungen, Steuerumgehungen und etwaigen Missbräuchen zu gewährleisten, und das Ziel der Kleinunternehmerregelung, mit der die Wettbewerbsfähigkeit der Kleinunternehmen gestärkt werden soll, es zum einen, dass die Anwendbarkeit der Mehrwertsteuerbefreiung auf die Tätigkeiten der Kleinunternehmen beschränkt wird, die im Hoheitsgebiet des Mitgliedstaats, in dem die Mehrwertsteuer geschuldet wird, ansässig sind, und zum anderen, dass der zu berücksichtigende Jahresumsatz derjenige ist, der in dem Mitgliedstaat erzielt wird, in dem das Unternehmen ansässig ist. Unter diesen Umständen ist anzunehmen, dass die Beschränkung der Mehrwertsteuerbefreiung auf diejenigen Kleinunternehmen, die in dem Mitgliedstaat, in dem die Mehrwertsteuer geschuldet wird, ansässig sind, nicht über das hinausgeht, was zur Erreichung dieser beiden Ziele erforderlich ist.
Zudem hat der EuGH in seinem Urteil „Schmelz“ zur Anwendbarkeit der Niederlassungsfreiheit entschieden, dass Voraussetzung hierfür grundsätzlich ist, „dass eine dauernde Präsenz im Aufnahmemitgliedstaat sichergestellt ist und dass im Fall des Erwerbs und des Besitzes von Grundstücken deren Verwaltung aktiv erfolgt“, wobei sich eine solche dauernde Präsenz „auf der Grundlage objektiver und nachprüfbarer Anhaltspunkte feststellen lassen [muss], die sich u. a. auf das Ausmaß des greifbaren Vorhandenseins in Form von Geschäftsräumen, Personal und Ausrüstungsgegenständen beziehen“. Aus der Sachverhaltsschilderung des vorlegenden Gerichts ergebe sich, dass Frau Schmelz diese Voraussetzungen nicht erfülle3.
Danach beschränkt sich die Kleinunternehmerregelung auf Unternehmer, die im Mitgliedstaat der Leistungserbringung ansässig sind. Ferner ist die Vermietung einer Wohnung jedenfalls für die Anwendung der Kleinunternehmerregelung weder als ansässigkeits- noch als niederlassungsbegründend anzusehen, so dass es auf die weiteren Überlegungen der Vermieterin zu Betriebsstätten oder festen Niederlassungen ebenso wenig ankommt wie auf die Definition in § 13b Abs. 7 UStG. Daher kann die Vermieterin, die in den Streitjahren in Italien ansässig war, die Kleinunternehmerregelung für ihre steuerpflichtigen Umsätze im Inland nicht in Anspruch nehmen.
Bundesfinanzhof, Urteil vom 12. Dezember 2019 – V R 3/19
- FG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 04.06.2018 – 2 K 2232/17[↩]
- EuGH, Urteil Schmelz vom 26.10.2010 – C-97/09, EU:C:2010:632[↩]
- EuGH, Urteil Schmelz, EU:C:2010:632, Rz 39[↩]
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