Eine innergemeinschaftliche Lieferung von Gegenständen, deren Lieferung im Inland ohne Recht zum Vorsteuerabzug steuerfrei wäre, berechtigt nicht zum Vorsteuerabzug. Offenbleibt, ob dies auch für den Fall der Ausfuhrlieferung gilt.

Nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG kann der Unternehmer die gesetzlich geschuldete Steuer für Leistungen, die von einem anderen Unternehmer für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, als Vorsteuer abziehen. Nach § 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UStG ist der Vorsteuerabzug für Leistungen, die der Unternehmer für steuerfreie Umsätze verwendet, ausgeschlossen.
Diese Vorschriften sind entsprechend Art. 17 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 77/388/EWG auszulegen. Danach ist der Steuerpflichtige (Unternehmer), der Gegenstände und Dienstleistungen für Zwecke seiner besteuerten Umsätze verwendet, befugt, die im Inland geschuldete oder entrichtete Mehrwertsteuer für Gegenstände und Dienstleistungen, die ihm von einem anderen Steuerpflichtigen geliefert oder erbracht werden, von der von ihm geschuldeten Steuer abzuziehen.
Nach nunmehr ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs ist der Unternehmer gemäß § 15 Abs. 1 und 2 Satz 1 Nr. 1 UStG bei richtlinienkonformer Auslegung zum Vorsteuerabzug berechtigt, soweit er Eingangsleistungen für sein Unternehmen (§ 2 Abs. 1 UStG, Art. 4 der Richtlinie 77/388/EWG) und damit für seine wirtschaftlichen Tätigkeiten zur Erbringung steuerpflichtiger Leistungen gegen Entgelt (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG, Art. 2 Nr. 1 der Richtlinie 77/388/EWG) zu verwenden beabsichtigt. Zur Vermeidung von Wiederholungen verweist der Bundesfinanzhof insoweit auf sein Urteil vom 9. Februar 20121.
Neben dem Vorsteuerabzug für steuerpflichtige Leistungen gegen Entgelt ist der Unternehmer gemäß § 15 Abs. 3 Nr. 1 Buchst. b UStG auch insoweit zum Vorsteuerabzug berechtigt, als er Eingangsleistungen für Zwecke der dort aufgeführten steuerfreien Umsätze zu verwenden beabsichtigt. Zu diesen gehören die nach § 4 Nr. 1 Buchst. b i.V.m. § 6a UStG steuerfreien innergemeinschaftlichen Lieferungen, nicht aber z.B. die nach § 4 Nr. 17 Buchst. a UStG steuerfreie Lieferung von menschlichem Blut im Inland.
Unionsrechtliche Grundlage hierfür ist Art. 17 Abs. 3 Buchst. b der Richtlinie 77/388/EWG. Danach gewähren die Mitgliedstaaten jedem Steuerpflichtigen den Abzug oder die Erstattung der in Abs. 2 genannten Mehrwertsteuer auch, soweit Gegenstände und Dienstleistungen für Zwecke seiner nach Art. 14 Abs. 1 Buchst. g und i, Art. 15, Art. 16 Abs. 1 Teile B, C, D und E und Abs. 2 sowie Art. 28c Teile A und C der Richtlinie 77/388/EWG befreiten Umsätze verwendet werden. Zu den danach zum Vorsteuerabzug berechtigenden Umsätzen gehören innergemeinschaftliche Lieferungen i.S. von Art. 28c der Richtlinie 77/388/EWG, nicht aber auch die Lieferung von menschlichem Blut, die nach Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. d der Richtlinie 77/388/EWG steuerfrei ist.
Bezieht der Unternehmer Leistungen für die innergemeinschaftliche Lieferung von Gegenständen, deren Lieferung im Inland aber steuerfrei ist, hat der Unternehmer kein Recht auf Vorsteuerabzug. Nach dem Leitsatz des EuGH, Urteils Eurodental in Slg. 2006, I-11479 eröffnet ein Umsatz, „der nach Artikel 13 Teil A Absatz 1 Buchstabe e der … Richtlinie 77/388/EWG … innerhalb eines Mitgliedstaats von der Mehrwertsteuer befreit ist, … kein Recht auf Vorsteuerabzug nach Artikel 17 Absatz 3 Buchstabe b dieser Richtlinie, selbst wenn es sich um einen innergemeinschaftlichen Umsatz handelt“.
Maßgeblich ist hierfür die Entscheidung des EuGH, dass, wenn die innergemeinschaftliche Lieferung von Gegenständen ein Recht auf Vorsteuerabzug im Abgangsmitgliedstaat eröffnen würde, obwohl die Inlandslieferung dieses Gegenstandes steuerfrei ist, derartige Gegenstände in der Gemeinschaft unter vollständiger Befreiung von der Mehrwertsteuer geliefert werden könnten, da im Hinblick auf die Steuerfreiheit der Inlandslieferung auch der innergemeinschaftliche Erwerb im Bestimmungsmitgliedstaat gemäß Art. 28c Teil B Buchst. a der Richtlinie 77/388/EWG (im Inland: § 4b Nrn. 1 und 2 UStG) steuerfrei wäre und daher ein Vorsteuerabzug ohne Besteuerung auf der folgenden Stufe erfolgen würde2. Nach der Zielsetzung des gemeinsamen Mehrwertsteuersystems und der durch die Richtlinie 77/388/EWG eingeführten Regelung für die Besteuerung des Handels zwischen den Mitgliedstaaten kann aber „ein Steuerpflichtiger, dem eine Steuerbefreiung zugute kommt und der folglich nicht zum Abzug der innerhalb eines Mitgliedstaats gezahlten Vorsteuer berechtigt ist, dieses Recht auch dann nicht haben, wenn der betreffende Umsatz innergemeinschaftlichen Charakter hat“3, so dass es unter „diesen Umständen … der Systematik der Sechsten Richtlinie [entspricht], dass der Regelung, die auf die spezifischen Steuerbefreiungen des Artikels 13 Teil A dieser Richtlinie anwendbar ist, Vorrang vor derjenigen zuerkannt wird, die auf die von der Richtlinie vorgesehenen allgemeinen Steuerbefreiungen betreffend innergemeinschaftliche Umsätze anwendbar ist“4.
Dieses Spezialitätsverhältnis ist auch bei der gebotenen richtlinienkonformen Auslegung von § 15 Abs. 3 UStG zu beachten, da der Wortlaut dieser Vorschrift dem nicht entgegensteht. Ohne Bedeutung ist daher, dass sich im Streitfall die Steuerfreiheit des Inlandsumsatzes zwar nicht aus Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. e der Richtlinie 77/388/EWG, aber aus Buchst. d dieser Bestimmung als unionsrechtlicher Grundlage von § 4 Nr. 17 Buchst. a UStG ergibt.
Soweit an diesem Urteil Kritik geübt wird, beruht diese auf einer Besonderheit der Rechtssache Eurodental die im vorliegenden Streitfall nicht besteht.
Über die vorstehend wiedergegebenen allgemeinen Grundsätze hinaus betrifft das EuGH-Urteil Eurodental5 den Sonderfall der Lieferung eines Gegenstandes, der im Abgangsmitgliedstaat (Luxemburg) entsprechend dem Regelsystem der Richtlinie 77/388/EWG steuerfrei ist, während die Lieferung desselben Gegenstandes aufgrund einer mit der Richtlinie übereinstimmenden Sonderregelung im Bestimmungsmitgliedstaat steuerpflichtig ist. Der Gerichtshof der Europäischen Union versagt auch für diesen Sonderfall den Vorsteuerabzug, was z.B. Reiß6 kritisiert.
Eine derartige Fallgestaltung liegt im Streitfall nicht vor. Soweit sie geltend macht, dass Lieferungen nach Österreich erfolgt seien und die Lieferungen von Blutplasma in Österreich –anders als nach dem deutschem UStG– steuerpflichtig seien, schließt sich der Bundesfinanzhof dem nicht an. Denn nach § 6 Abs. 1 Nr. 21 des österreichischen Bundesgesetzes über die Besteuerung der Umsätze7 sind –wie im Inland– „die Lieferungen von menschlichen Organen, menschlichem Blut und Frauenmilch“ steuerfrei. Diese Steuerfreiheit besteht nach Ruppe/Achatz8 seit dem 1. Januar 1997.
Soweit hiergegen geltend gemacht wird, dass sich diese Steuerfreiheit im Gegensatz zu der nach nationalem Recht bestehenden Rechtslage nicht auf Plasma beziehe, das ausschließlich zur industriellen Weiterverarbeitung und zur Erzeugung von Arzneispezialitäten verwendet wird, und Gegenstand ihrer Lieferungen derartiges Plasma gewesen sei, handelt es sich um neuen Sachvortrag, der im Revisionsverfahren nicht zu berücksichtigen war9.
Im Übrigen kann der Bundesfinanzhof offenlassen, ob die für den Streitfall maßgeblichen Grundsätze des EuGH, Urteils Eurodental in Slg. 2006, I-11479 auch auf Ausfuhrlieferungen übertragen werden können10. Daher kommt es auf mögliche gesetzgeberische Erwägungen zum UStG 1967 im Hinblick auf das Konkurrenzverhältnis zwischen Steuerbefreiungen für Inlandslieferungen und Ausfuhrlieferungen nicht an.
Bundesfinanzhof, Urteil vom 22. August 2013 – V R 30/12
- BFH, Urteil vom 09.02.2012 – V R 40/10, BFHE 236, 258, BStBl II 2012, 844, Rz 19[↩]
- EuGH, Urteil Eurodental in Slg. 2006, I-11479 Rdnr. 40[↩]
- EuGH, Urteil Eurodental in Slg. 2006, I-11479 Rdnr. 41[↩]
- EuGH, Urteil Eurodental in Slg. 2006, I-11479 Rdnr. 44[↩]
- EuGH, Slg. 2006, I-11479[↩]
- Reiß, UR 2007, 565 ff.[↩]
- BGBl für die Republik Österreich 663/1994, S. 5379[↩]
- Ruppe/Achatz, UStG, 4. Aufl.2011, § 6 Rz 419[↩]
- vgl. z.B. BFH, Urteil vom 05.05.2011 – V R 39/10, BFH/NV 2011, 1474, unter II.3.[↩]
- vgl. insoweit die Kritik von Reiß in UR 2007, 565 ff., 573 f.[↩]