Der Bundesfinanzhof hat Zweifel daran, dass die Lieferung und Montage betriebsbereiter (sog. schlüsselfertiger) Photovoltaikanlagen umsatzsteuerlich eine Bauleistung im Sinne von § 13b UStG darstellt.

Nach § 69 Abs. 3 Satz 1, Abs. 2 Satz 2 FGO ist die Vollziehung eines angefochtenen Verwaltungsakts ganz oder teilweise auszusetzen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts bestehen. Ernstliche Zweifel i.S. von § 69 Abs. 2 Satz 2 FGO liegen dann vor, wenn bei summarischer Prüfung des angefochtenen Bescheides neben für seine Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige Gründe zutage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung von Rechtsfragen oder Unklarheit in der Beurteilung entscheidungserheblicher Tatfragen bewirken1. Die Entscheidung hierüber ergeht bei der im AdV-Verfahren gebotenen summarischen Prüfung aufgrund des Sachverhalts, der sich aus dem Vortrag der Beteiligten und der Aktenlage ergibt2. Zur Gewährung der AdV ist es nicht erforderlich, dass die für die Rechtswidrigkeit sprechenden Gründe im Sinne einer Erfolgswahrscheinlichkeit überwiegen3.
Nach diesen Maßgaben bestehen für den Bundesfinanzhof im Streitfall ernstliche Zweifel daran, die Montagen der PV-Anlagen als Bauleistungen i.S. von § 13b Abs. 2 Nr. 4 Satz 1 UStG (bis zum 30.06.2010 § 13b Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Satz 1 UStG), der für die Streitjahre unionsrechtlich auf Art.199 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28.11.2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem beruht, einzustufen.
Nach der Rechtsprechung des EuGH fällt insbesondere die Errichtung eines Gebäudes unter den Begriff der Bauleistung4.
Der Bundesfinanzhof hat entschieden, dass § 13b Abs. 2 Nr. 4 Satz 1 UStG (bis zum 30.06.2010 § 13b Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Satz 1 UStG) nicht alle „Bauleistungen“, die der Herstellung, Instandsetzung, Instandhaltung, Änderung oder Beseitigung von Bauwerken dienen, sondern nur Werklieferungen und sonstige Leistungen erfasst, die diesen Bauwerksbezug aufweisen5. Danach fallen jedenfalls die Erstellung eines Wohnhauses6 sowie Rohbauarbeiten7 in den Anwendungsbereich des § 13b Abs. 2 Nr. 4 Satz 1 UStG (bis zum 30.06.2010 § 13b Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Satz 1 UStG).
Weder der Gerichtshof der Europäischen Union noch der Bundesfinanzhof hatten bisher über die hier streitige Einstufung der Montage von Photovoltaik-Anlagen (PV-Anlagen) als Bauleistungen zu entscheiden.
Angesichts dieser ungeklärten Rechtslage gewährte der Bundesfinanzhof die beantragte Aussetzung der Vollziehung der angefochtenen Umsatzsteuerbescheide.
Denn ist die Rechtslage nicht eindeutig, ist über die zu klärenden Fragen grundsätzlich nicht im summarischen Beschlussverfahren zu entscheiden; die Klärung muss vielmehr dem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben8.
Dem ferner gestellten Antrag auf Aufhebung der Vollziehung der Umsatzsteuerbescheide war mit der Maßgabe zu entsprechen, dass die entstandenen Säumniszuschläge entfallen.
Nach § 69 Abs. 3 Satz 3 FGO kann das Gericht der Hauptsache ganz oder teilweise die Aufhebung der Vollziehung anordnen, wenn der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen ist. Diese Vorschrift gestattet es auch, die Vollziehung eines Steuerbescheides mit der Folge aufzuheben, dass in der Vergangenheit entstandene Säumniszuschläge entfallen9.
Die Aussetzung erfolgt ohne Sicherheitsleistung. Anhaltspunkte dafür, dass die Durchsetzung der Steuerforderung nach einem Unterliegen der Antragstellerin in der Hauptsache gefährdet oder erschwert sein könnte, sind weder vom Finanzamt vorgetragen worden noch aus der Akte ersichtlich10.
Bundesfinanzhof, Beschluss vom 2. Juli 2014 – XI S 8/14
- vgl. z.B. BFH, Beschluss vom 11.07.2013 – XI B 41/13, BFH/NV 2013, 1647, Rz 16, m.w.N.[↩]
- vgl. BFH, Beschlüsse vom 07.09.2011 – I B 157/10, BFHE 235, 215, BStBl II 2012, 590, Rz 12; in BFH/NV 2013, 1647, Rz 16, jeweils m.w.N.[↩]
- vgl. z.B. BFH, Beschlüsse in BFHE 235, 215, BStBl II 2012, 590, Rz 12; vom 25.04.2013 – XI B 123/12, BFH/NV 2013, 1273, Rz 12; in BFH/NV 2013, 1647, Rz 16[↩]
- EuGH, Urteil -BLV Wohn- und Gewerbebau GmbH- in HFR 2013, 190, UR 2013, 63, Rz 26[↩]
- BFH, Urteil vom 22.08.2013 – V R 37/10, BFHE 243, 20, BStBl II 2014, 128, Rz 29[↩]
- BFH, Urteil in BFHE 243, 20, BStBl II 2014, 128, Rz 32 und 36[↩]
- BFH, Urteil vom 11.12 2013 – XI R 21/11, BFHE 244, 115, BStBl II 2014, 425, UR 2014, 276, Rz 3 und 37[↩]
- vgl. BFH, Beschlüsse vom 14.10.2002 – V B 60/02, BFH/NV 2003, 87, unter II. 3.; vom 25.11.2005 – V B 75/05, BFHE 212, 176, BStBl II 2006, 484, unter II. 3.b; vom 13.03.2012 – I B 111/11, BFHE 236, 501, BStBl II 2012, 611, Rz 22; vom 12.12 2013 – XI B 88/13, BFH/NV 2014, 550, Rz 26, jeweils m.w.N.[↩]
- vgl. BFH, Beschluss vom 31.03.1998 – I S 8/97, BFH/NV 1998, 1318, unter II. 6., m.w.N.; Birkenfeld in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 69 FGO Rz 252[↩]
- vgl. z.B. BFH, Beschlüsse vom 05.06.2007 – III S 6/07, BFH/NV 2007, 2256, unter II. 3.; vom 18.12 2013 – I B 85/13, BFHE 244, 320, BFH/NV 2014, 970, Rz 37[↩]