§ 162 Abs. 2 Satz 2 AO schreibt einen Schätzungsauftrag (u.a.) vor, wenn tatsächliche Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit der vom Steuerpflichtigen gemachten Angaben zu steuerpflichtigen Einnahmen bestehen.

Ob solche tatsächlichen Anhaltspunkte vorliegen, ist eine Frage des Einzelfalls.
Auch die Frage, ob die Lücken in der Rechnungsnummernabfolge zur Schätzung verpflichten, hängt von der tatsächlichen Situation und damit vom jeweiligen Einzelfall ab.
Dies zeigt exemplarisch der hier vom Bundesfinanzhof entschiedene Streitfall: Das Finanzgericht hat seine Schätzungsbefugnis damit begründet, dem Unternehmer sei es nicht gelungen, eine hinreichend plausible mit Nachweisen unterlegte Erklärung dafür zu geben, warum in einem Zeitraum von drei Jahren Rechnungsnummern in nicht zu vernachlässigender Zahl keine Ausgangsrechnungen zuzuordnen waren und dabei die Besonderheiten des Streitfalls -Nichterfassung der Bareinnahmen- gewürdigt.
Ob Lücken bei der fortlaufenden Nummerierung der Rechnungen nach § 14 Abs. 4 Satz 1 Nr. 4 UStG zur Schätzung führen müssen, ist einzelfallbezogen zu beantworten und obliegt der Entscheidung der Tatsacheninstanz. Die Revision kann deshalb nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen werden.
Das Gleiche gilt in Bezug auf die Höhe eines (Un-)Sicherheitszuschlags. Dieser ist anhand der jeweiligen tatsächlichen Umstände wirtschaftlich vernünftig zu wählen, wenn das Finanzgericht aufgrund einzelner Feststellungen von sachlichen Fehlern in den Unterlagen des Unternehmers ausgeht. Einer abstrakten Aussage ist eine solche Fragestellung nicht zugänglich.
Soweit sich der Unternehmer gegen die Höhe des (Un-)Sicherheitszuschlags wie auch die Art und Weise der Plausibilitätsprüfung des Finanzgericht wendet, richtet sich sein Vorbringen gegen die Richtigkeit der Schätzung.
Eine solche Rüge der falschen Rechtsanwendung und tatsächlichen Würdigung des Streitfalls durch das Finanzgericht im Rahmen einer Schätzung ist im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren grundsätzlich unbeachtlich. Dies gilt insbesondere für Einwendungen gegen die Richtigkeit von Steuerschätzungen (Verstöße gegen anerkannte Schätzungsgrundsätze, Denkgesetze und Erfahrungssätze sowie materielle Rechtsfehler)1.
Ein zur Zulassung der Revision berechtigender erheblicher Rechtsfehler aufgrund objektiver Willkür kann allenfalls in Fällen bejaht werden, in denen das Schätzungsergebnis des Finanzgericht wirtschaftlich unmöglich und damit schlechthin unvertretbar ist. Ein Verstoß gegen Denkgesetze führt bei Schätzungen erst zur Zulassung der Revision wegen willkürlich falscher Rechtsanwendung, wenn sich das Ergebnis als offensichtlich realitätsfremd darstellt2.
Dies ist vorliegend nicht der Fall. Denn es erscheint zumindest vertretbar, wenn das Finanzgericht aufgrund der Vielzahl von Lücken bei den Rechnungsnummern in Kombination mit den drei nicht verbuchten Rechnungen die Vollständigkeit der Erfassung der Einnahmen nicht mehr als gewährleistet ansieht. Eine solche Situation ist charakteristisch für den (Un-)Sicherheitszuschlag als Form einer griffweisen Schätzung3.
Diese Form der Schätzung steht auch nicht im Widerspruch zur BFH-Entscheidung vom 25.03.20154. Zwar hat der Bundesfinanzhof in diesem Urteil in Relation zum Zeitreihenvergleich auf den grundsätzlichen Vorrang der die individuellen Verhältnisse des jeweiligen Steuerpflichtigen berücksichtigenden Schätzungsmethoden hingewiesen, zu denen neben der Vermögenszuwachs- oder Geldverkehrsrechnung auch die Aufschlags- und Ausbeutekalkulation gehört. Der Bundesfinanzhof hat aber auch den Grundsatz, dass das Finanzamt in der Wahl seiner Schätzungsmethoden frei ist, ausdrücklich bestätigt5.
Bundesfinanzhof, Beschluss vom 7. Februar 2017 – X B 79/16
- vgl. z.B. BFH, Beschluss vom 21.01.2009 – X B 125/08, BFH/NV 2009, 951[↩]
- BFH, Beschluss in BFH/NV 2009, 951[↩]
- vgl. z.B. BFH, Urteil vom 15.04.2015 – VIII R 49/12 Rz 19[↩]
- BFH, Urteil vom 25.03.2015 – X R 20/13, BFHE 249, 390, BStBl II 2015, 743[↩]
- so auch schon BFH, Beschluss vom 13.09.2016 – X B 146/15, BFH/NV 2016, 1747, unter II. 2.a, m.w.N.[↩]