Österreichurlaub – und die Umsatzsteuerpflicht des deutschen Reiseveranstaltsers

Ein deutscher Reiseveranstalter kann sich bei Empfang von Reiseleistungen durch einen Unternehmer in einem anderen EU-Staat direkt auf Art. 306 ff. MwStSystRL berufen mit der Folge, dass die von ihm bezogenen Leistungen in Deutschland nicht steuerbar sind.

Österreichurlaub – und die Umsatzsteuerpflicht des deutschen Reiseveranstaltsers

Nach neuerer Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs1 kann sich ein Unternehmer, der gegenüber anderen Reiseunternehmern Reiseleistungen für deren Unternehmen erbringt, in Abweichung von § 25 Abs. 1 UStG direkt auf Art. 306 ff. MwStSystRL berufen und eine sogenannte Margenbesteuerung seiner Reiseleistungen verlangen, weil die EU-Regelung auch dann anwendbar ist, wenn die Reiseleistung nicht an einen Endverbraucher, sondern an einen Unternehmer für sein Unternehmen erbracht wird2.

Damit kann sich im hier vom Niedersächsischen Finanzgericht entschiedenen Streitfall auch die hier klagende Reiseveranstalterin auf diese für sie günstigeren Normen der MwStSystRL berufen, obwohl sich die Regelungen eigentlich nur auf die von der GMBH erbrachten sonstigen Leistungen beziehen. Nach der Rechtsprechung des EuGH sind die nationalen Gerichte bei einem Widerspruch zwischen den Vorschriften des innerstaatlichen Rechts und den Bestimmungen des Unionsrechts gehalten, für die volle Wirksamkeit des Unionsrechts Sorge zu tragen, indem sie erforderlichenfalls jede – auch spätere – entgegenstehende Vorschrift des nationalen Rechts aus eigener Entscheidungsbefugnis unangewandt lassen, ohne dass die vorherige Beseitigung dieser Vorschrift auf gesetzgeberischem Wege oder durch irgendein anderes verfassungsrechtliches Verfahren beantragt oder abgewartet werden müsste. Es ist alles Erforderliche zu tun, um diejenigen innerstaatlichen Rechtsvorschriften „auszuschalten“, die unter Umständen ein Hindernis für die volle Wirksamkeit der Unionsnormen bilden3. In Übereinstimmung hiermit kann sich der Steuerpflichtige nach der Rechtsprechung insbesondere auf den Anwendungsvorrang des Unionsrechts gegenüber richtlinienwidrigen Regelungen des nationalen Rechts berufen4. In Bezug auf den Anwendungsvorrang eines unionsrechtlichen Tatbestands ist allein die Steuerminderung für den Steuerpflichtigen maßgebend, der sich auf ihn als günstigere Regelung berufen will. Unerheblich demgegenüber ist, welchen rechtlichen Interessen die Bestimmung des Unionsrechts dient. Die Rechtsfolgen des von einem Steuerpflichtigen geltend gemachten Anwendungsvorrangs beschränken sich auf seine Person und wirken sich nicht auf die Besteuerung des anderen am Leistungsaustausch Beteiligten aus5. Zur Überzeugung des Finanzgerichts sind die Steuerausfälle, die sich dadurch ergeben, dass der eine Teil des Leistungsaustauschs sich auf eine für ihn günstigere Unionsregelung beruft, während der andere Teil an der für ihn günstigeren nationalen Regelung festhält, notwendige Folge des Gebots, das Unionsrecht in jedem Falle gegenüber dem entgegenstehenden nationalen Recht durchzusetzen.

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Der Einwand, dass die Reiseveranstalterin nicht über ordnungsgemäße Rechnungen der GMBH verfüge, weil auf ihnen entgegen § 14 a Abs. 6 Satz 1 UStG in der Fassung des AmtshilfeRLUmsG vom 26.06.20136 der Hinweis auf Sonderregelung für Reisebüros fehle, kann schon deshalb nicht durchschlagen, weil in § 14 a Abs. 6 UStG besondere Verpflichtungen der GMBH als leistende Unternehmerin geregelt sind. Im Übrigen gilt diese zusätzliche Verpflichtung erst für Leistungen, die ab 30.06.2013 erbracht werden.

Unter Anwendung des EU-Rechts sind die sonstigen Leistungen der GMBH an die Reiseveranstalterin in den Streitjahren in Deutschland nicht steuerbar. Nach Art. 307 Abs. 1 MwStSystRL sind die Leistungspakete der GMBH als eine sonstige Leistung zu qualifizieren. Die einheitliche Dienstleistung wird in Österreich besteuert, da die GMBH dort ihren Sitz hat (Art. 307 Abs. 1 MwStSystRL). Mangels Steuerbarkeit der Leistungen ist eine Steuerschuldnerschaft der Reiseveranstalterin als Leistungsempfängerin nicht möglich.

Niedersächsisches Finanzgericht, Urteil vom 11. Juni 2015 – 16 K 53/15 ((nicht rkr. – Nichtzulassungsbeschwerde beim BFH – XI B 63/15)

  1. BFH, Urteile vom 21.11.2013 – V R 11/11, BFH/NV 2014, 4356; und vom 20.03.2014 – V R 25/11, BFH/NV 2014, 1173[]
  2. vgl. auch EuGH, Urteil vom 26.09.2013 – C-189/11, Rdnrn. 51 ff.[]
  3. EuGH, Urteil vom 26.02.2013 – C-617/10, NJW 2013, 1415[]
  4. BFH, Urteil vom 11.10.2012 – V R 9/10, BFH/NV 2013, 170[]
  5. BFH, Urteil vom 24.10.2013 – V R 17/13, BFH/NV 2014, 284[]
  6. BGBl2013, 1809[]
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