Der Bundesfinanzhof hat dem Gerichtshof der Europäischen Union in einem Vorabentscheidungsersuchen die Frage vorgelegt, ob die „Sonderregelung für Reisebüros“ in Art. 26 der Mehrwertsteuer-Richtlinie 77/388/EWG auch für den Verkauf von Opernkarten durch ein Reisebüro ohne zusätzlich erbrachte Leistungen gilt.
 
Dem Vorabentscheidungsersuchen des Bundesfinanzhofs liegt ein Fall zugrunde, in dem die Klägerin, die ein Reisebüro betreibt, von der Sächsischen Staatsoper Dresden (Semperoper) Eintrittskarten erwarb und diese an Endabnehmer ohne zusätzlich erbrachte Reiseleistungen veräußerte. Streitig ist, ob diese Kartenverkäufe der sog. Margenbesteuerung nach § 25 UStG unterliegen.
§ 25 UStG gilt für „Reiseleistungen“, die ein Unternehmer gegenüber Endabnehmern erbringt, soweit der Unternehmer dabei gegenüber dem Leistungsempfänger im eigenen Namen auftritt und Reisevorleistungen in Anspruch nimmt. Umsatzsteuerrechtliche Bemessungsgrundlage der Reiseleistung eines Reisebüros ist nicht – wie sonst im Umsatzsteuerrecht – der gesamte Betrag, den der Kunde für die empfangene Reiseleistung aufwendet (abzüglich der Umsatzsteuer), sondern nur der Unterschied zwischen diesem Betrag und dem Betrag, den das Reisebüro für die Reisevorleistung aufwendet, also die sogenannte Marge.
Eine entsprechende Regelung enthält bereits die „Sonderregelung für Reisebüros“ in Art. 26 der Mehrwertsteuer-Richtlinie 77/388/EWG, auf der § 25 UStG beruht. Deshalb ist § 25 UStG im Einklang mit dieser Bestimmung (richtlinienkonform) auszulegen. Allerdings geht die Regelung in Art. 26 der Mehrwertsteuer-Richtlinie 77/388/EWG über die Regelung des § 25 UStG hinaus: § 25 UStG stellt vorrangig auf die Art der Leistung („Reiseleistungen“) ab. Dagegen spricht Art. 26 der Richtlinie 77/388/EWG primär gegenüber Reisenden ausgeführte Umsätze bestimmter Unternehmer der Reisebranche an1. Die Regelung der Mehrwertsteuer-Richtlinie gilt damit nicht nur, wie im Wortlaut des § 25 UStG vorgesehen, für „Reiseleistungen“, sondern dem Wortlaut nach weitergehend für „Umsätze der Reisebüros“.
Diese Voraussetzung liegt nach einem früheren Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften auch dann vor, wenn Reisebüros nicht die Beförderung des Reisenden übernehmen, sondern sich darauf beschränken, dem Reisenden eine Ferienwohnung zur Verfügung stellen2.
Der Bundesfinanzhof hält es für zweifelhaft, ob diese zur Vermietung einer Ferienwohnung als einer typischen Reiseleistung ergangene Rechtsprechung gleichermaßen für den isolierten Verkauf von Opernkarten gilt. Die Klärung der Zweifel, wie der Anwendungsbereich des Art. 26 der Mehrwertsteuer- Richtlinie 77/388/EWG zu bestimmen ist, ist allerdings dem Gerichtshof der Europäischen Union vorbehalten, dem der Bundesfinanzhof deshalb die Sache zur Vorabentscheidung vorgelegt hat.
Bundesfinanzhof, Beschluss vom 10. Dezember 2009 – XI R 39/08










