Ordnungsgemäßes Fahrtenbuch und die 1%-Regelung

Die nichtunternehmerische Nutzung eines dem Unternehmen zugeordneten Fahrzeugs ist unter den Voraussetzungen des § 3 Abs. 9a Nr. 1 UStG in der für das Streitjahr maßgebenden Fassung als unentgeltliche Wertabgabe der Besteuerung zu unterwerfen. Als Bemessungsgrundlage sind dabei gemäß § 10 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 UStG die Kosten anzusetzen, soweit sie zum vollen oder teilweisen Vorsteuerabzug berechtigt haben. Demgemäß sind die Kosten, die zum Vorsteuerabzug berechtigt haben, auf die privaten und unternehmerischen Fahrten aufzuteilen1.

Ordnungsgemäßes Fahrtenbuch und die 1%-Regelung

Soweit diese Kosten und der Umfang der privaten und unternehmerischen Fahrten nicht ermittelt werden können, sind sie gemäß § 162 AO zu schätzen. Diese Schätzungsbefugnis hat auch das Finanzgericht, wenn eine weitere Sachaufklärung nicht möglich ist (§ 96 Abs. 1 Satz 1 2. Halbsatz FGO). Die Schätzung muss in sich schlüssig sein; ihre Ergebnisse müssen darüber hinaus wirtschaftlich vernünftig und möglich sein. Die gewählte Schätzungsmethode muss dem Ziel gerecht werden, die Besteuerungsgrundlagen durch Wahrscheinlichkeitsüberlegungen so zu bestimmen, dass sie der Wirklichkeit möglichst nahe kommen2.

Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs ist der ertragsteuerrechtliche Wert der Nutzungsentnahme nach § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG, wonach die private Nutzung eines Kfz für jeden Kalendermonat mit 1% des inländischen Listenpreises im Zeitpunkt der Erstzulassung einschließlich Umsatzsteuer anzusetzen ist (sog. 1%-Regelung)), für das Umsatzsteuerrecht grundsätzlich kein geeigneter Maßstab, um die Kosten, soweit sie zum Vorsteuerabzug berechtigt haben (§ 10 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 UStG), auf die Privatfahrten und die unternehmerischen Fahrten aufzuteilen3, zumal sich der Ansatz des ertragsteuerrechtlichen Entnahmewerts nach § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG ohnehin verbiete, wenn die mit der Nutzung des PKW zusammenhängenden Kosten, für die ein Unternehmer den Vorsteuerabzug berechtigterweise in Anspruch genommen habe, geringer seien. Die Bemessungsgrundlage für die private PKW-Nutzung eines gemischt genutzten PKW könne immer nur einen Bruchteil der gesamten Kfz-Kosten ausmachen.

Weiterlesen:
Porsche Carrera - und nur unter 10% private PKW-Nutzung

Gleichwohl ist es nach höchstrichterlicher Rechtsprechung nicht zu beanstanden, wenn die Finanzverwaltung bei der Umsatzbesteuerung aus Vereinfachungsgründen bei der Ermittlung der Bemessungsgrundlage für die Besteuerung der nichtunternehmerischen Nutzung des dem Unternehmen zugeordneten Fahrzeugs von dem ertragsteuerrechtlichen Wert der Nutzungsentnahme nach der sog. 1%-Regelung des § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG ausgeht und von diesem (Netto-)Wert für die nicht mit Vorsteuern belasteten Kosten einen pauschalen Abschlag von 20% vornimmt4. Macht der Unternehmer indes umsatzsteuerlich von der 1%-Regelung keinen Gebrauch und liegen die Voraussetzungen der sog. Fahrtenbuchregelung – etwa mangels eines ordnungsgemäßen Fahrtenbuches – nicht vor, ist der private Nutzungsanteil für Umsatzsteuerzwecke anhand geeigneter Unterlagen im Wege einer sachgerechten Schätzung zu ermitteln. Fehlen geeignete Unterlagen für die Schätzung, ist der private Nutzungsanteil mit mindestens 50% zu schätzen, soweit sich aus den besonderen Verhältnissen des Einzelfalles nichts Gegenteiliges ergibt; aus den Gesamtaufwendungen sind die nicht mit Vorsteuern belasteten Kosten in der belegmäßig nachgewiesenen Höhe auszuscheiden5. Im Ergebnis sind daher der Entnahmewert nach § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG und die Bemessungsgrundlage für die Besteuerung der nichtunternehmerischen Nutzung eines dem Unternehmen zugeordneten Fahrzeugs unabhängig voneinander zu ermitteln. Führt der Unternehmer kein ordnungsgemäßes Fahrtenbuch und entscheidet er sich nicht von vornherein auch umsatzsteuerlich für die sog. 1%-Regelung nach § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG, ist es unvermeidbar, dass die einkommensteuerrechtlichen und umsatzsteuerrechtlichen Bemessungsgrundlagen voneinander abweichen6.

Weiterlesen:
Organschaft - und die finanzielle Eingliederung

Unter Anwendung dieser Rechtsgrundsätze, die sich das Finanzgericht Köln zueigen macht, bestehen weder dem Grunde noch der Höhe nach Bedenken gegen die Berücksichtigung einer unentgeltlichen Wertabgabe, die das Finanzamt im Streitfall nach der so genannten 1%-Regelung vorgenommen hat. Es hat sich erkennbar im zulässigen Rahmen einer Schätzung gehalten, indem es von dem ertragsteuerlichen Wert für die nicht mit Vorsteuer belasteten Kosten einen Abschlag von 20% vorgenommen hat.

Das Finanzamt hat als Bemessungsgrundlage für die Umsatzsteuer zu Recht den nach der sog. 1%-Regelung des § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG ermittelten und mit einem Abschlag von 20% versehenen ertragsteuerrechtlichen Nutzungswert zugrunde gelegt.

Die Klägerin hat kein ordnungsgemäßes Fahrtenbuch im Sinne des § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 3 EStG geführt. Bereits aus dem auch nach ihrem eigenen Sachvortrag als Ursprungsbeleg geführten „Vokabelheft“ ist nicht erkennbar, für welches Fahrzeug die darin enthaltenen Aufzeichnungen geführt worden sind. Das Fahrtenbuch ist darüber hinaus nicht ordnungsgemäß, weil die Fahrten darin nicht vollständig wiedergegeben sind. Nach der vom Finanzgericht für zutreffend erachteten Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs7 verlangt die vollständige Wiedergabe einer Fahrt unter anderem grundsätzlich die Angabe des Ausgangspunktes und des Endpunktes der Fahrt. Das ist vorliegend nicht der Fall. Im „Vokalbelheft“ findet sich für jeden aufgezeichneten Tag lediglich eine einzige Ortsangabe, wobei bereits nicht erkennbar ist, ob es sich hierbei um den Ausgangs- oder den Endpunkt der angegebenen Fahrt handeln soll. Damit sind weder der Ausgangspunkt noch das Fahrtziel ausreichend bestimmt oder bestimmbar. Die zudem sehr allgemein gehaltenen Angaben durch die Nennung alleine eines – teilweise mit dem Zusatz „WEG“, „Baustelle“ o.ä. versehenen – Ortes gestatten es insbesondere nicht, die Aufzeichnungen mit vertretbarem Aufwand auf ihre materielle Richtigkeit hin zu überprüfen. So genügen nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs bloße Ortsangaben ohne weitere Benennung des aufgesuchten Kunden oder Geschäftspartners nicht den Anforderungen an ein ordnungsgemäßes Fahrtenbuch8. Dies gilt erst recht, wenn – wie vorliegend – nicht nur die Angaben zum aufgesuchten Kunden oder Geschäftspartner bzw. der konkreten dienstlichen Verrichtung fehlen, sondern die Angaben sich in der bloßen – allgemeinen – Nennung eines Ortes („Tankstelle“, „LG … WEG ….“, „…. neues Objekt“, „…. Baustelle“, „…. ….“ etc.) erschöpfen. Es sind für den Finanzgericht auch keine besondere Umstände ersichtlich, die es im konkreten Einzelfall gestatten würden, allein aus der bloßen Angabe des jeweiligen Ortes auf das eigentliche (konkrete) Fahrtziel und die tatsächliche Durchführung der Fahrt mit dem von der Klägerin angegebenen Fahrzeug sicher schließen zu können.

Weiterlesen:
Der irrtümlich vereinbarte Nettopreis

Vor diesem Hintergrund war das Finanzamt berechtigt, die Anschaffungskosten zu Grunde zu legen und 12% * 80% hiervon als Bemessungsgrundlage für die Privatnutzung des Fahrzeugs bei der Umsatzbesteuerung zu berücksichtigen.

Da auch sonst keine tragfähigen Anhaltspunkte für eine sachgerechte Schätzung der Privatnutzung anhand objektiver Kriterien gegeben bzw. vorgetragen sind, muss die Klägerin es gegen sich gelten lassen, dass ihr gegenüber im Rahmen einer Schätzung auch nachteilige Schlussfolgerungen gezogen werden9. Dabei kann aufgrund des im finanzgerichtlichen Verfahren geltenden Verböserungsverbots dahinstehen, ob mit Blick auf die vorsteuerbelasteten Gesamtkosten von rund 24.127 Euro und unter Berücksichtigung des Umstandes, dass der private Nutzungsanteil bei Fehlen geeigneter Unterlagen und der Nichtanwendung der sogenannten 1%-Regelung grundsätzlich mit mindestens 50% anzusetzen ist5, nicht sogar eine höhere Bemessungsgrundlage in Betracht gekommen wäre.

Finanzgericht Köln, Urteil vom 28. August 2012 – 7 K 1780/11

  1. vgl. BFH, Urteil vom 19.05.2010 – XI R 32/08, BStBl. II 2010, 1079 m.w.N.[]
  2. vgl. BFH, Urteil vom 04.11.1999 – V R 35/99, BFH/NV 2000, 759[]
  3. vgl. BFH, Urteil vom 19.05.2010 – XI R 32/08, BStBl. II 2010, 1079[]
  4. vgl. BFH, Urteile vom 07.12.2010 – VIII R 54/07, BStBl. II 2011, 451; und vom 19.05.2010, XI R 32/08, BStBl. II 2010, 1079 sowie BMF-Schreiben in BStBl. I 2004, 864, Tz.02.1[]
  5. vgl. BFH, Urteil vom 07.12.2010 – VIII R 54/07, BStBl. II 2011, 451 m.w.N.[][]
  6. vgl. BFH, Urteil vom 07.12.2010 – VIII R 54/07, BStBl. II 2011, 451[]
  7. vgl. dazu etwa BFH, Beschluss vom 01.03.2012 – VI R 33/10, BStBl. II 2012, 505 m.w.N.[]
  8. vgl. BFH, Beschluss vom 01.03.2012 – VI R 33/10, BStBl. II 2012, 505[]
  9. vgl. BFH, Beschluss vom 17.03.1997 – I B 123/95, BFH/NV 1997, 730[]
Weiterlesen:
Hotelschecks