Organschaft bei einer GmbH & Co. KG

Nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG kann im Verhältnis zwischen zwei Schwestergesellschaften nicht bestimmt werden, welche Schwestergesellschaft Organträger und welche Organgesellschaft ist, so dass ohne Einbeziehung des gemeinsamen Gesellschafters keine Organschaft zwischen den beiden Schwestergesellschaften besteht1.

Organschaft bei einer GmbH & Co. KG

Für die wirtschaftliche Eingliederung i.S. von § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG müssen die Unternehmensbereiche von Organträger und Organgesellschaft miteinander verflochten sein. Dabei kann die wirtschaftliche Eingliederung auch auf der Verflechtung zwischen den Unternehmensbereichen zweier Organgesellschaften beruhen. Es müssen aber mehr als nur unerhebliche Beziehungen zwischen den Unternehmensbereichen bestehen. Hieran fehlt es bei der Vermietung von ohne weiteres austauschbaren Büroräumen.

Im hier entschiedenen Fall war Z Alleingesellschafter und einziger Geschäftsführer einer GmbH. Z schloss mit der GmbH einen Geschäftsführervertrag, nach dem er mit einem festen Monatsgehalt und unter Zusage eines Urlaubsanspruchs von 30 Tagen sowie mit Vergütungsfortzahlung im Krankheitsfall vergütet wurde. Gegenstand des Unternehmens der GmbH war insbesondere die Übernahme der persönlichen Haftung und Geschäftsführung der A-KG (KG), deren einzige Komplementärin die GmbH war. Die GmbH war am Gesellschaftsvermögen der KG nicht beteiligt und nahm auch nicht am Gewinn und Verlust der KG teil. Einziger Kommanditist der KG war Z. Unternehmensgegenstand der KG war die Finanz- und Versicherungsmaklertätigkeit. Die GmbH hatte gegenüber der KG Anspruch auf Ersatz aller ihr durch die Geschäftsführung erwachsenden Aufwendungen. Im Streitjahr 2013 zahlte die KG an die GmbH hierfür 24.000 €. Aufgrund eines mit Wirkung zum Jahresanfang 2014 abgeschlossenen Dienstleistungsvertrages stand der GmbH gegenüber der KG für ihre Geschäftsführertätigkeit ein monatlicher Vergütungsanspruch von 5.000 € (ab 01.07.2015: 6.750 €) zu. Zahlungen erfolgten nur in einem geringeren Umfang. Geschäftsanschrift der GmbH und der KG war seit Anfang 2013 A-Straße 1 in A-Stadt. Die Geschäftsräume mit einer Größe von 123 qm vermieteten Z und seine Ehefrau an die KG für eine Monatsmiete von 1.070 €. Der Mietgegenstand gehörte den Ehegatten je zur Hälfte. Im Laufe des Jahres 2014 übernahm die GmbH aus betrieblichen Organisationsgründen die zuvor von der KG erbrachten umsatzsteuerpflichtigen Beratungsleistungen an Dritte als eigenen Geschäftsbetrieb. Mehrere Fahrzeuge wurden nicht mehr von der KG, sondern von der GmbH geleast.

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Das Finanzamt – und ihm folgend das Finanzgericht Düsseldorf2 – verneinte eine Organschaft zwischen der GmbH und Z als Organträger ebenso wie eine Organschaft zwischen der GmbH und der KG als Schwestergesellschaften. Der Bundesfinanzhof sah dies nun ebenso:

Die Leistungen der GmbH an die KG sind nicht aufgrund einer zwischen diesen als Organgesellschaften und Z als Organträger bestehenden Organschaft nichtsteuerbar.

Nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG wird die gewerbliche oder berufliche Tätigkeit nicht selbständig ausgeübt, wenn eine juristische Person nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch in das Unternehmen eines anderen Unternehmers eingegliedert ist (Organschaft). Unionsrechtlich beruht dies auf Art. 11 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28.11.2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (MwStSystRL), wonach „jeder Mitgliedstaat in seinem Gebiet ansässige Personen, die zwar rechtlich unabhängig, aber durch gegenseitige finanzielle, wirtschaftliche und organisatorische Beziehungen eng miteinander verbunden sind, zusammen als einen Steuerpflichtigen behandeln“ kann.

Für die wirtschaftliche Eingliederung i.S. von § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG müssen nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs die Unternehmensbereiche von Organträger und Organgesellschaft miteinander verflochten sein3. Für den Organträger beruht dies darauf, dass die Organschaft die Eingliederung in sein Unternehmen und damit seine Unternehmereigenschaft voraussetzt. Ob dies als unionsrechtskonform anzusehen ist, ist ohne Bedeutung, da im Hinblick auf den eindeutigen Wortlaut des nationalen Rechts eine hiervon abweichende richtlinienkonforme Auslegung nicht in Betracht kommt. Der Bundesfinanzhof verweist hierzu auf die bisherige BFH-Rechtsprechung4. Dasselbe gilt für die Organgesellschaft im Hinblick darauf, dass es sich bei § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG um eine Vorschrift zur Unselbständigkeit einer gewerblichen oder beruflichen Tätigkeit der Organgesellschaft handelt.

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Danach liegt im Streitfall keine die GmbH, die KG und Z umfassende Organschaft vor.

Es besteht keine unmittelbare wirtschaftliche Eingliederung der GmbH in Z als Organträger. Diese wird nicht durch die Geschäftsführertätigkeit des Z bei der GmbH begründet, da Z insoweit nichtselbständig und damit nicht als Unternehmer tätig war.

Auch die Vermietung der Büroräume begründet keine unmittelbare wirtschaftliche Eingliederung, da Z an die KG, nicht aber an die GmbH vermietet hat.

Es liegt auch keine mittelbare wirtschaftliche Eingliederung der GmbH in das Unternehmen des Z aufgrund einer Verflechtung mit dem Unternehmensbereich der KG vor. Zwar muss die wirtschaftliche Eingliederung nicht aufgrund unmittelbarer Beziehungen zum Organträger bestehen, sondern kann auch auf der Verflechtung zwischen den Unternehmensbereichen zweier Organgesellschaften beruhen5. Dies setzt indes voraus, dass die KG in das Unternehmen des Z eingegliedert ist, was im Streitfall im Hinblick auf das Erfordernis der wirtschaftlichen Eingliederung zu verneinen ist.

Zwar ist es bei einer deutlichen Ausprägung der finanziellen und organisatorischen Eingliederung -wie im Streitfall- unschädlich, wenn die wirtschaftliche Eingliederung weniger deutlich zu Tage tritt6. Gleichwohl muss auch für die wirtschaftliche Eingliederung ein vernünftiger wirtschaftlicher Zusammenhang im Sinne einer wirtschaftlichen Einheit, Kooperation oder Verflechtung zwischen den Unternehmensbereichen vorhanden sein. Die Tätigkeiten in diesen Bereichen müssen zumindest aufeinander abgestimmt sein und sich dabei fördern und ergänzen7. Dabei braucht die Organgesellschaft nicht wirtschaftlich vom Organträger abhängig zu sein. Es müssen aber mehr als nur unerhebliche Beziehungen zwischen den Unternehmensbereichen bestehen8. Die Vermietung eines Betriebsgrundstücks mit einer Größe von 2 982 qm, dem für die Unternehmenstätigkeit „besonderes Gewicht“ zukommt9, oder einer Halle mit 967 qm und einem Bürotrakt bestehend aus sieben Räumen mit 273 qm10 reicht hierfür aus. Dies trifft demgegenüber auf die im Streitfall vorliegende Vermietung von nicht eigens für die Unternehmenstätigkeit in besonderer Weise ausgestatteten und daher ohne weiteres austauschbaren Büroräumen nicht zu, da ihr eine nur geringe Bedeutung zukommt11. Dies genügt ebenso wie die bloße Übernahme von Verwaltungsaufgaben in den Bereichen Buchführung und laufende Personalverwaltung12 nicht.

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Die GmbH ist auch nicht i.S. von § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG mit der KG als Schwestergesellschaft organschaftlich verbunden.

Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs reicht es für die finanzielle Eingliederung einer GmbH in eine Personengesellschaft nicht aus, dass letztere nicht selbst, sondern nur ihr Gesellschafter mit Stimmenmehrheit an der GmbH beteiligt ist13. Hierfür spricht bereits, dass nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG im Verhältnis zwischen zwei Schwestergesellschaften nicht bestimmt werden kann, welche Schwestergesellschaft Organträger und welche Organgesellschaft ist. Ob sich anderes aus Art. 11 MwStSystRL und einer aus dieser Bestimmung ableitbaren Mehrwertsteuergruppe ergeben kann, ist für die Anwendung von § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG, der auch insoweit nicht im Sinne eines Verzichts auf die besondere Stellung des Organträgers richtlinienkonform auslegbar ist, ohne Bedeutung.

Eine organschaftliche Verbindung zwischen zwei Schwestergesellschaften, die zu einer Nichtsteuerbarkeit der zwischen ihnen erbrachten Leistungen führt, ist auch nicht aus Art. 11 MwStSystRL ableitbar. Hiergegen spricht bereits, dass dieser Bestimmung keine unmittelbare Wirkung im Sinne eines Berufungsrechts zukommt14.

Die Sache ist spruchreif. Auf weitergehende Fragen zur Anwendung des Unionsrechts, insbesondere zu Art. 11 MwStSystRL15 kommt es vorliegend nicht an. So stellt sich vorliegend mangels Organschaft nicht die Frage, ob entgegen einer bestehenden Organschaft aus der Richtlinie abzuleiten ist, dass der Organträger kein Steuerschuldner ist16. Ebenso stellt sich nicht die Frage, ob anstelle eines Organträgers eine Mehrwertsteuergruppe als Steuerschuldner zu bestimmen ist oder ob es für die Organschaft auf eine Willensdurchsetzung ankommt17.

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Bundesfinanzhof, Urteil vom 1. Februar 2022 – V R 23/21

  1. Festhalten an BFH, Urteil vom 01.12.2010 – XI R 43/08, BFHE 232, 550, BStBl II 2011, 600[]
  2. FG Düsseldorf, Urteil vom 20.11.2020 – 1 K 347/19 U[]
  3. BFH, Urteile vom 07.07.2011 – V R 53/10, BFHE 234, 548, BStBl II 2013, 218, Rz 21; vom 20.08.2009 – V R 30/06, BFHE 226, 465, BStBl II 2010, 863, unter II. 2.c aa[]
  4. BFH, Urteil vom 12.10.2016 – XI R 30/14, BFHE 255, 467, BStBl II 2017, 597, Rz 41[]
  5. BFH, Urteil in BFHE 226, 465, BStBl II 2010, 863, unter II. 2.c ee(1), wie sie sich vorliegend aus den entgeltlichen Geschäftsführungsleistungen der GmbH an die KG ergeben kann, zumal diese unter bestimmten Voraussetzungen als Organgesellschaft anzusehen sein kann ((BFH, Urteile vom 02.12.2015 – V R 25/13, BFHE 251, 534, BStBl II 2017, 547; vom 19.01.2016 – XI R 38/12, BFHE 252, 516, BStBl II 2017, 567; und vom 01.06.2016 – XI R 17/11, BFHE 254, 164, BStBl II 2017, 581[]
  6. vgl. BFH, Urteil vom 03.04.2008 – V R 76/05, BFHE 221, 443, BStBl II 2008, 905, unter II. 3.a[]
  7. vgl. z.B. BFH, Urteile vom 25.06.1998 – V R 76/97, BFH/NV 1998, 1534, unter II. 2.a; vom 03.04.2003 – V R 63/01, BFHE 202, 79, BStBl II 2004, 434, unter II. 1.c[]
  8. BFH, Urteil vom 29.10.2008 – XI R 74/07, BFHE 223, 498, BStBl II 2009, 256, unter II. 1.b cc[]
  9. BFH, Urteil vom 16.08.2001 – V R 34/01, BFH/NV 2002, 223, unter II. 2.[]
  10. BFH, Urteil vom 29.01.2009 – V R 67/07, BFHE 225, 172, BStBl II 2009, 1029[]
  11. BFH, Urteil in BFHE 225, 172, BStBl II 2009, 1029, unter II. 3.c bb[]
  12. BFH, Urteil in BFH/NV 1998, 1534, unter II. 2.c[]
  13. BFH, Urteil vom 01.12.2010 – XI R 43/08, BFHE 232, 550, BStBl II 2011, 600, Leitsatz 1[]
  14. EuGH, Urteil „Larentia + Minerva“ vom 16.07.2015 – C-108/14 und – C-109/14, EU:C:2015:496, Rz 52[]
  15. vgl. BFH, Beschlüsse vom 11.12.2019 – XI R 16/18, BFHE 268, 240; und vom 07.05.2020 – V R 40/19, BFHE 270, 166[]
  16. BFH, Beschluss in BFHE 270, 166[]
  17. BFH, Beschluss in BFHE 268, 240[]
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Geschlossener Immobilienfonds - und das Wiederaufleben der Kommanditistenhaftung

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