Die Personalgestellung durch einen gemeinnützigen Verein an einen Landschaftsverband ist umsatzsteuerfrei.

Bei der Personalgestellung an den Landschaftsverband handelt es sich zwar um eine in Deutschland steuerbare sonstige Leistung gem. § 3 Abs. 9 Satz 1 UStG i.V.m. § 3a Abs. 1 Satz 1 UStG.
Die Personalgestellung an den Landschaftsverband ist auch nicht nach § 4 Nr. 18 UStG von der Umsatzsteuer befreit. Denn die Leistung der Personalgestellung kommt nicht unmittelbar dem nach der Satzung des Vereins begünstigten Personenkreis zugute (§ 4 Nr. 18 Satz 1 Buchst. b UStG). Das Merkmal der Unmittelbarkeit i.S. von § 4 Nr. 18 Buchst. b UStG ist leistungsbezogen auszulegen, d.h. die Leistung selbst muss den nach der Satzung begünstigten Personenkreis unmittelbar und nicht nur mittelbar zugutekommen1. Dies ist bei der vorliegend zu beurteilenden Personalgestellung an den Landschaftsverband nicht der Fall.
Die Steuerbefreiung gem. § 4 Nr. 27 Buchst. a UStG ist ebenfalls nicht anwendbar, da es sich bei der an den Landschaftsverband gestellten Mitarbeiterin nicht um ein Mitglied einer geistlichen Genossenschaft oder eines Mutterhauses handelt, welches in dieser Eigenschaft durch den Verein an den Landschaftsverband gestellt wird.
Die Umsätze, die der Verein aus der Personalgestellung erzielt hat, sind jedoch in unmittelbarer Anwendung des Art. 132 Abs. 1 Buchst. g der MwStSystRL von der Umsatzsteuer befreit. Es handelt sich bei der vorliegend zu beurteilenden Personalgestellung um eine „eng mit der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit verbundene Dienstleistung“ im Sinne des Art. 132 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL. Außerdem handelt es sich beim Verein aufgrund seiner Mitgliedschaft im Diakonischen Werk der Evangelischen Kirche in Deutschland e.V. um eine anerkannte Einrichtung mit sozialem Charakter im Sinne dieser Richtlinienbestimmung.
Zu der Frage, wie das Tatbestandsmerkmal der engen Verbundenheit einer Dienstleistung mit einer umsatzsteuerbefreiten Hauptleistung auszulegen ist, hat der EuGH u.a. in den Entscheidungen in den Rechtssachen „Stichting Kinderopvang Enschede“ und „Horizon College“ Stellung genommen2. Die EuGH, Entscheidung in der Rechtssache „Horizon College“ betraf die Gestellung eines Lehrers von einer Lehreinrichtung an eine andere. Der EuGH führt in dieser Entscheidung aus, dass die Personalgestellung eines Lehrers durch eine Lehreinrichtung an eine andere grundsätzlich keine mit dem Schulunterricht eng verbundene Dienstleistung im Sinne des Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. i der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG (ab 2007: Art. 132 Abs. 1 Buchst. i MwstSystRL) darstellt. Etwas anderes gilt nach Auffassung des EuGH allerdings dann, wenn folgende Voraussetzungen erfüllt sind:
- Die Personalgestellung muss das Mittel darstellen, um unter den bestmöglichen Bedingungen in den Genuss des als Hauptleistung angesehenen Unterrichts zu kommen.
- Sowohl die eigentliche Unterrichtsleistung als auch die mit ihr eng verbundene Personalgestellung werden von Einrichtungen im Sinne der Richtlinienbestimmung er-bracht.
- Die Personalgestellung ist von solcher Art oder Qualität, dass ohne Rückgriff auf eine derartige Dienstleistung keine Gleichwertigkeit des Unterrichts der Zieleinrichtung gewährleistet wäre.
- Die Personalgestellung ist nicht im Wesentlichen auf die Erzielung zusätzlicher Einnahmen gerichtet und wird nicht in unmittelbarem Wettbewerb zu gewerblichen Unternehmen erbracht.
Diese Rechtgrundsätze, die den Steuerbefreiungstatbestand des Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. i der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG bzw. des Art. 132 Abs. 1 Buchst. i MwstSystRL betreffen, gelten nach Auffassung des Finanzgerichts für den vorliegend einschlägigen Steuerbefreiungstatbestand des Art. 132 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL entsprechend. Aus dem Wortlaut der Richtlinie ergeben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass die vom EuGH entwickelten Rechtsgrundsätze auf den Steuerbefreiungstatbestand des Art. 132 Abs. 1 Buchst. i MwStSystRL beschränkt wären. Auch sonst sind keine Anhaltspunkte ersichtlich, die eine solche Beschränkung rechtfertigen könnten.
Die Übertragung der zu Art. 132 Abs. 1 Buchst. i MwStSystRL entwickelten Rechtsgrundsätze auf den vorliegend einschlägigen Art. 132 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL muss die Besonderheiten dieser Normen und ihrer Regelungsbereiche berücksichtigen. In dem Fall „Horizon College“ war über die Personalgestellung eines Lehrers zu entscheiden, der unmittelbar und persönlich Unterrichtsleistungen erbrachte, welche nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. i der MwStSystRL von der Umsatzsteuer befreit waren. Demgegenüber war Frau – V während ihrer Gestellung an den Landschaftsverband nicht unmittelbar in die Erbringung entgeltlicher Außenumsätze eingeschaltet; ihre Aufgabe lag vielmehr darin, das Sozialfürsorgeprojekt „XYZ“ zu entwickeln und interessierten Organisationen vorzustellen. Auch eine solche projektleitende Tätigkeit, die nicht unmittelbar die Erbringung entgeltlicher Umsätze umfasst, kann allerdings grundsätzlich als eine eng mit der Sozialfürsorge verbundene Dienstleistung anzusehen sein. Dies setzt voraus, dass der entliehene Mitarbeiter nicht nur untergeordnete und austauschbare Hilfsleistungen erbringt. Vielmehr muss die Arbeit des entliehenen Mitarbeiters entsprechend den vom EuGH formulierten Voraussetzungen von solcher Art oder Qualität sein, dass ohne Rückgriff auf eine derartige Dienstleistung keine gleichwertige Verfolgung der Zwecke der Sozialfürsorge möglich wäre. Die Abgrenzung der eng mit der Sozialfürsorge verbundenen Personalgestellungen von den übrigen Personalgestellungen mag sich aufgrund der Unbestimmtheit der Kriterien im Einzelfall schwierig gestalten. Dies rechtfertigt es jedoch nicht, die vom EuGH aufgestellten Rechtsgrundsätze in Fällen wie dem vorliegenden nicht anzuwenden. Zudem ergeben sich hieraus nach Auffassung des Finanzgerichts keine Auslegungs- und Abgrenzungsfragen, die mit dem herkömmlichen Instrumentarium der Gesetzesauslegung- und anwendung nicht lösbar wären. Etwaige Rechtsunsicherheiten erscheinen nach Auffassung des Finanzgerichts auch deshalb hinnehmbar, weil der praktische Anwendungsbereich der Umsatzsteuerbefreiung eng eingegrenzt ist. Denn es können unter Zugrundelegung der EuGH-Rechtsprechung nur Personalgestellungen zwischen anerkannten Einrichtungen mit sozialem Charakter im Sinne des Art. 132 Abs. 1 Buchst. g MwstSystRL in den Anwendungsbereich der Umsatzsteuerbefreiung fallen. Personalgestellungen von gewerblichen Unternehmen an Einrichtungen der Sozialfürsorge oder umgekehrt von Einrichtungen der Sozialfürsorge an gewerbliche Unternehmen können von vorneherein nicht in den Anwendungsbereich der Umsatzsteuerbefreiung fallen. Auch Personalgestellungen ohne Bezug zu einer konkreten Tätigkeit im Bereich der Sozialfürsorge – z.B. Personalgestellungen von Buchhaltern oder Personaldisponenten – fallen von vorneherein nicht in den Anwendungsbereich der Umsatzsteuerbefreiung.
Die vorstehend unter Nr. 1 und 3 in der EuGH, Entscheidung „Horizon College“ aufgeführten Voraussetzungen – welche die Würdigung der Personalgestellung in qualitativer Hinsicht betreffen – sind nach Auffassung des Finanzgerichts Münster gemeinsam zu prüfen, da sie inhaltlich im Wesentlichen deckungsgleich sind. Eine Personalgestellung, die „das Mittel darstellt, um unter den bestmöglichen Bedingungen in den Genuss der Hauptleistung zu kommen“, wird regelmäßig zugleich „von solcher Art oder Qualität sein, dass ohne Rückgriff auf diese Personalgestellung keine gleichwertige Hauptleistung gewährleistet wäre“.
Die vorstehend dargestellten tatbestandlichen Voraussetzungen der Umsatzsteuerbefreiung sind im vorliegenden Fall erfüllt:
Qualitative Betrachtung der Personalgestellung:
Die Personalgestellung genügt in qualitativer Hinsicht den Voraussetzungen an eine nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL umsatzsteuerfreie Personalgestellung.
Das Projekt „XYZ“ ist unstreitig ein Projekt der Sozialfürsorge im Sinne des Art. 132 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL, da sein Gegenstand in der Beratung und Aufklärung von Jugendlichen zum Thema Drogenmissbrauch liegt.
Die Gestellung durch den Verein an den Landschaftsverband stellt weiterhin ein Mittel dar, um dem der Landschaftsverband unter bestmöglichen Bedingungen die Weiterentwicklung bzw. Realisierung des Projektes „XYZ“ zu erlauben. Dementsprechend war die Personalgestellung zugleich von einer solchen Art und Qualität, dass ohne sie die Weiterentwicklung dieses Projektes nicht in gleichwertiger Form möglich gewesen wäre.
Dass die gestellte Mitarbeiterin ausschließlich für das Projekt „XYZ“ tätig war, folgt aus dem vom Verein vorgelegten Abordnungsvertrag. Nach § 1 Abs. 1 dieses Vertrages erfolgte die Abordnung „zur inhaltlichen und fachlichen Koordinierung des Projektes ‚XYZ‘“. In § 1 Abs. 2 war vorgesehen, dass die Mitarbeiterin „nur in der genannten Funktion eingesetzt und nicht zu anderen Funktionen herangezogen werden“ durfte. Es sind keine Umstände erkennbar, die darauf hindeuten, dass der Vertrag anders als vorgesehen umgesetzt worden ist, und dass die Mitarbeiterin dem Landschaftsverband zusätzlich anderweitige Arbeiten verrichtet hat.
Weiterhin muss davon ausgegangen werden, dass die Personalgestellung für den Erfolg des Projektes „XYZ“ von zentraler Bedeutung war. Die abgestellte Mitarbeiterin hat dieses Projekt entwickelt, was indiziert, dass erst durch ihre weitere Mitarbeit eine sachgerechte praktische Umsetzung dieses Projektes möglich war. Auch hat Frau – V im Rahmen der Umsetzung des Projektes eine leitende Funktion eingenommen. Dies folgt u.a. aus dem Umstand, dass sie auf den Internetseiten des Landschaftsverbands als Projektkoordinatorin vorgestellt wird. Umstände, die für eine nur untergeordnete Bedeutung der Tätigkeit der gestellten Mitarbeiterin sprechen, sind nicht ersichtlich.
Der Gewährung der Umsatzsteuerbefreiung steht nicht entgegen, dass der Verein lediglich die Personalgestellung an den Landschaftsverband ohne eine weitere damit in Zusammenhang stehende Leistung im Bereich der Sozialfürsorge bringt. Das Finanzamt hat in der Einspruchsentscheidung ausgeführt, dass eine Personalgestellung nur dann als umsatzsteuerfrei angesehen werden kann, wenn das den Mitarbeiter entsendende Unternehmen eine andere Leistung im Bereich der Sozialfürsorge erbringt, zu der sich die Personalgestellung als unselbständige Nebenstellung darstellt. Dieses Verständnis des Finanzamtes findet indes keine Grundlage in der oben angeführten EuGH-Rechtsprechung. Dem Urteil „Horizon College“ kann nicht entnommen werden, dass eine Personalgestellung nur dann von der Umsatzsteuer befreit ist, wenn sich die Personalgestellung als Nebenleistung zu einer anderen umsatzsteuerbefreiten Leistung darstellt, die von dem entsendenden Unternehmen gleichzeitig erbracht wird.
Personalgestellung durch eine und an eine anerkannte Einrichtung der Sozialfürsorge:
Es handelt sich sowohl beim Verein als auch beim Landschaftsverband Westfalen/Lippe um anerkannte Einrichtungen mit sozialem Charakter im Sinne des Art. 135 Abs. 1 Buchst. i der MwStSystRL.
Die Anerkennung des Vereins als Einrichtung mit sozialem Charakter folgt aus seiner Mitgliedschaft im Diakonischen Werk der Evangelischen Kirche in Deutschland e.V., bei dem es sich um einen anerkannten Verband der freien Wohlfahrtspflege nach § 4 Nr. 18 UStG i.V.m. § 23 Nr. 1 UStDV handelt3.
Der Landschaftsverband ist eine Körperschaft des öffentlichen Rechts. Er ist damit, soweit er wie im vorliegenden Fall im Bereich der Sozialfürsorge tätig ist, schon kraft seiner Rechtsform als staatlich anerkannte Einrichtung der Sozialfürsorge anzusehen.
Personalgestellung ohne Gewinnerzielungsabsicht
Die Personalgestellung der Mitarbeiterin an den Landschaftsverband war schließlich auch nicht im Wesentlichen auf die Erzielung zusätzlicher Einnahmen gerichtet und erfolgte nicht in unmittelbarem Wettbewerb zu gewerblichen Unternehmen. Der Verein hat durch die Entsendung seiner Mitarbeiterin an den Landschaftsverband keine zusätzlichen Einnahmen erzielt. Denn im Personalabordnungsvertrag war lediglich eine Weiterberechnung der Personalkosten vereinbart; ein Gewinnaufschlag zugunsten des Vereins war nicht vorgesehen. Auch ist nicht ersichtlich, dass der Verein mit der Personalgestellung an den Landschaftsverband zu gewerblichen Unternehmen in unmittelbaren Wettbewerb trat. Es existiert nach Überzeugung des Finanzgerichts kein gewerblicher Markt für Projekte der Sozialfürsorge wie das vorliegend betroffene Projekt „XYZ“.
Da die streitgegenständliche Personalgestellung bereits nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL von der Umsatzsteuer befreit ist, kann das Finanzgericht Münster dahinstehen lassen, ob sich die Umsatzsteuerbefreiung gegebenenfalls auch aus Art. 132 Abs. 1 Buchst. h MwStSystRL ableiten ließe.
Finanzgericht Münster, Gerichtsbescheid vom 15. Oktober 2014 – 5 K 4314/12 U
- vgl. BFH, Urteil vom 23.07.2009 – V R 93/07, BFH/NV 2009, 2073[↩]
- EuGH, Urteil vom 09.02.2006, „Stichting Kinderopvang Enschede“, – C-415/04, Slg. 2006, I-1385; EuGH, Urteil vom 14.06.2007, „Horizon College“, – C-434/05, Slg. 2007, I-4793; vgl. auch: BFH, Urteil vom 23.07.2009 – V R 93/07, BFH/NV 2009, 2073, Juris Rn. 34[↩]
- vgl. BFH, Urteil vom 23.07.2009 – V R 93/07, BFH/NV 2009, 2073, Rn. 37[↩]