Nach § 4 Nr. 14 Satz 1 UStG 1999 sind u.a. die Umsätze aus der Tätigkeit als Arzt steuerfrei. Die Steuerbefreiung betrifft nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs nur Tätigkeiten, die zum Zweck der Vorbeugung, der Diagnose, der Behandlung und, soweit möglich, der Heilung von Krankheiten oder Gesundheitsstörungen für bestimmte Patienten ausgeführt werden [1].

Wird eine ärztliche Leistung in einem Zusammenhang erbracht, der die Feststellung zulässt, dass ihr Hauptziel nicht der Schutz der Gesundheit ist, sind § 4 Nr. 14 Satz 1 UStG und Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. c der Sechsten Umsatzsteuer-Richtline 77/388/EWG [2] auf diese Leistung nicht anzuwenden [3].
Für die Umsatzsteuerfreiheit von Schönheitsoperationen reicht es daher nicht aus, dass die Operationen nur von einem Arzt ausgeführt werden können. Erforderlich ist vielmehr, dass derartige Operationen dem Schutz der menschlichen Gesundheit dienen [4].
Nach dem Urteil „PFC Clinik AB“ des Gerichtshofs der Europäischen Union [5] fallen ästhetische Operationen und ästhetische Behandlungen nur dann unter den Begriff „ärztliche Heilbehandlungen“ oder „Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin“, i.S. von Art. 132 Abs. 1 Buchst. b bzw. Buchst. c der Richtlinie des Rates vom 28.11.2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem 2006/112/EG, wenn diese Leistungen dazu dienen, Krankheiten oder Gesundheitsstörungen zu diagnostizieren, zu behandeln oder zu heilen oder die Gesundheit zu schützen, aufrechtzuerhalten oder wiederherzustellen.
Soweit der Unionsgerichtshof in diesem Urteil ausführt, dass die Beurteilung der medizinischen Frage auf medizinischen Feststellungen beruhen müsse, die von dem entsprechenden Fachpersonal zu treffen sei, geht diese Aussage zwar über die vom Bundesfinanzhof [6] geäußerten Indizwirkung einer Kostenerstattung durch die Sozialversicherungsträger für die medizinische Indikation einer ärztlichen Behandlung hinaus. Unter Berücksichtigung dieser Einschränkung fehlt im Streitfall eine medizinische Indikation selbst für die Behandlungen, deren Kosten von der Sozialversicherung getragen wurden, sodass die vom Kläger aufgeworfene Rechtsfrage nach der Steuerfreiheit von darüber hinausgehenden und an deren Steuerfreiheit anknüpfende Leistungen in einem Revisionsverfahren nicht entscheidungserheblich und damit nicht klärbar wäre.
Aus dem BFH-Beschluss in BFH/NV 2010, 2136 ergibt sich zwar unter Hinweis auf das BFH-Urteil in BFHE 206, 471, BStBl II 2004, 862, dass im Regelfall von einer medizinischen Indikation ausgegangen wird, wenn die Kosten der Operation von den Sozialversicherungsträgern getragen werden. Der BFH-Beschluss in BFH/NV 2010, 2136 ist jedoch keine taugliche Divergenzentscheidung, da in ihm lediglich über eine Nichtzulassungsbeschwerde entschieden wurde [7]. Die Äußerung über die medizinische Indikation bei Kostentragung durch die Sozialversicherung im BFH-Urteil in BFHE 206, 471, BStBl II 2004, 862 stellt ein nicht entscheidungserhebliches obiter dictum dar. Denn aus dem Tatbestand des Urteils ergibt sich, dass der Kläger im Rahmen von Privatliquidationen medizinisch nicht indizierte Schönheitsoperationen gegen Entgelt durchführte.
In welchen Fällen mehrere zusammenhängende Leistungen als einheitlicher Umsatz („komplexe Leistung“) zu behandeln sind, ist durch die Rechtsprechung des Unionsgerichtshofs und des Bundesfinanzhofs bereits geklärt. Danach liegt ein einheitlicher Umsatz nicht nur dann vor, wenn eine Leistung als Hauptleistung und andere Leistungen als Nebenleistungen zu beurteilen sind, sondern auch dann, wenn zwei oder mehr Handlungen oder Einzelleistungen des Steuerpflichtigen für den Leistungsempfänger so eng miteinander verbunden sind, dass sie objektiv einen einzigen untrennbaren wirtschaftlichen Vorgang bilden, dessen Aufspaltung ‑aus der maßgeblichen Sicht eines Durchschnittsverbrauchers- wirklichkeitsfremd wäre [8].
Bundesfinanzhof, Beschluss vom 8. April 2014 – V B 38/13
- BFH, Urteile vom 30.06.2005 – V R 1/02, BFHE 210, 188, BStBl II 2005, 675; vom 13.07.2006 – V R 7/05, BFHE 214, 458, BStBl II 2007, 412; vom 01.02.2007 – V R 64/05, BFH/NV 2007, 1203; BFH, Beschlüsse vom 31.07.2007 – V B 98/06, BFHE 217, 94, BStBl II 2008, 35; vom 30.01.2008 – XI R 53/06, BFHE 221, 399, BStBl II 2008, 647, jeweils m.w.N.[↩]
- Sechste Richtlinie des Rates vom 17.05.1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG[↩]
- BFH, Beschluss in BFHE 217, 94, BStBl II 2008, 35[↩]
- BFH, Urteile vom 07.10.2010 – V R 17/09, BFH/NV 2011, 865; und vom 15.07.2004 – V R 27/03, BFHE 206, 471, BStBl II 2004, 862; BFH, Beschluss vom 18.02.2008 – V B 35/06, BFH/NV 2008, 1001[↩]
- EuGH, Urteils vom 21.03.2013 – C‑91/12 [PFC Clinik AB], HFR 2013, 458[↩]
- BFH, Beschluss vom 01.07.2010 – V B 62/09, BFH/NV 2010, 2136[↩]
- vgl. BFH, Beschluss vom 13.07.2004 – X B 175/03, BFH/NV 2004, 1544[↩]
- vgl. BFH, Urteil vom 10.01.2013 – V R 31/10, BFHE 240, 380, BStBl II 2013, 352, Rz 19 bis 21; BFH, Beschluss vom 29.09.2011 – V B 23/10, BFH/NV 2012, 75[↩]