Die Umsätze eines selbständigen Sportwettvermittlers an einen im EU-Ausland ansässigen Wettveranstalter wurden gemäß § 3a Abs. 2 Nr. 4 UStG a.F. im EU-Ausland ausgeführt wurden und waren daher im Inland nicht steuerbar.

Der Gerichtshof der Europäischen Union hat entschieden, dass bei einer Leistung, die ‚insbesondere in der Annahme von Wetten im Namen des Auftraggebers, der Aufzeichnung dieser Wetten, der Bestätigung des Abschlusses der Wette durch die Ausgabe eines Belegs an den Kunden, der Vereinnahmung der Gelder und schließlich der Auszahlung der Gewinne‘ besteht, die ‚Hauptleistung der Annahmestellen an ihren Auftraggeber in der Annahme der Wetten im Namen des Auftraggebers besteht, während die Vereinnahmung der Gelder für den Auftraggeber kein Selbstzweck, sondern eine Nebenleistung ist‘1. Daher steht der Umstand, dass die Tätigkeit der Wettvermittlerin nach Abschluss der Wettverträge auch die Abwicklung der Wettgeschäfte im Namen und auf Rechnung des Wettveranstalters umfasst, der Einordnung als Vermittlungsleistung nicht entgegen.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Urteil CSC Financial Services des Unionsgerichtshofs2. Der vom EuGH in diesem Urteil entschiedene Sachverhalt betraf die Anwerbung von Anlegern durch sog. ‚Call center‘ einschließlich der Kontrolle der von den Anlegern eingereichten Unterlagen. Damit ist der im vorliegenden Fall zu entscheidende Sachverhalt nicht vergleichbar.
Die von der Wettvermittlerin erbrachten Vermittlungsleistungen sind gemäß § 3a Abs. 2 Nr. 4 Satz 1 UStG a.F. im EU-Ausland ausgeführt worden und daher im Inland nicht steuerbar.
Eine sonstige Leistung wird nach § 3a Abs. 1 Satz 1 UStG a.F. grundsätzlich an dem Ort ausgeführt, von dem aus der leistende Unternehmer sein Unternehmen betreibt. Wird die sonstige Leistung von einer Betriebsstätte ausgeführt, gilt die Betriebsstätte als der Ort der sonstigen Leistung (§ 3a Abs. 1 Satz 2 UStG a.F.).
Abweichend hiervon wurde eine Vermittlungsleistung im Streitjahr nach § 3a Abs. 2 Nr. 4 Satz 1 UStG a.F. an dem Ort erbracht, an dem der vermittelte Umsatz ausgeführt wurde. Diese Regelung beruhte auf Art. 28b Teil E Abs. 3 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17.05.1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern (ab 1.01.2007: Art. 44 MwStSystRL a.F.3). Es besteht insoweit kein Vorrang des Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 77/388/EWG vor Art. 28b Teil E der Richtlinie 77/388/EWG und es stellt sich in jedem Einzelfall die Frage, ob eine der beiden Bestimmungen einschlägig ist4. Entgegen der Auffassung des Finanzamt stellt die Ortsbestimmung in § 3a Abs. 2 Nr. 4 UStG a.F. daher keinen Ausnahmetatbestand dar.
Die von der Wettvermittlerin vermittelten Umsätze wurden im EU-Ausland ausgeführt.
Die Wettvermittlerin hat Wettumsätze5 für die EU-Wettveranstalterin vermittelt. Der Leistungsort für diese Wettumsätze bestimmt sich gemäß § 3a Abs. 1 Satz 1 UStG a.F. (Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 77/388/EWG, ab 1.01.2007: Art. 43 MwStSystRL a.F.) und liegt damit am Sitz der Wettveranstalterin im EU-Ausland.
Die Wettumsätze wurden nicht i.S. von § 3a Abs. 1 Satz 2 UStG a.F. von einer Betriebsstätte der Wettveranstalterin im Inland ausgeführt.
Der in dieser Vorschrift verwendete Begriff der Betriebsstätte stimmt mit dem (bis zum 31.12 2006 in Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 77/388/EWG bzw.) vom 01.01.2007 bis 31.12 2009 in Art. 43 MwStSystRL a.F. verwendeten Begriff der festen Niederlassung überein6.
Zu Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 77/388/EWG (dem vom 01.01.2007 bis 31.12 2009 Art. 43 MwStSystRL a.F. entspricht) hat der Unionsgerichtshof bereits entschieden, dass vorrangiger Anknüpfungspunkt für die Bestimmung des Ortes der Dienstleistung der Ort ist, an dem der Dienstleistungserbringer den Sitz seiner wirtschaftlichen Tätigkeit hat. Eine weitere Niederlassung ist nur dann zu berücksichtigen, wenn die Anknüpfung an den Sitz nicht zu einer steuerlich sinnvollen Lösung führt oder wenn sie einen Konflikt mit einem anderen Mitgliedstaat zur Folge hat7.
Eine Betriebsstätte bzw. feste Niederlassung liegt deshalb nur dann vor, wenn die Niederlassung eines Steuerpflichtigen einen hinreichenden Grad an Beständigkeit sowie eine Struktur hat, die von der personellen und technischen Ausstattung her eine autonome Erbringung der betreffenden Dienstleistungen ermöglicht8.
Dabei sind u.a. folgende Grundsätze zu beachten9:
- Für die Annahme einer festen Niederlassung in einem Staat ist es nicht erforderlich, dass der Steuerpflichtige dort über Personal verfügt, das bei ihm selbst angestellt ist, oder über Sachmittel, die sich in seinem Eigentum befinden. Es würde zu Missbrauch einladen, wenn ein Steuerpflichtiger allein dadurch die Besteuerung von Dienstleistungen von einem Mitgliedstaat in den anderen verlagern könnte, indem er seinen Personalbedarf über verschiedene Dienstleister deckte. Gleiches gilt für Sachmittel.
- Auch wenn eine feste Niederlassung nicht zwingend eigenes Personal und eigene technische Ausstattung erfordert, muss dem Steuerpflichtigen jedoch -aufgrund des Erfordernisses eines hinreichenden Grads an Beständigkeit der Niederlassung- eine vergleichbare Verfügungsgewalt über das Personal und die Sachmittel zustehen.
- Ein Steuerpflichtiger kann zwar nicht als solcher eine feste Niederlassung eines anderen Steuerpflichtigen darstellen; dies schließt aber nicht aus, dass ein Steuerpflichtiger engen und beständigen Zugriff auf die personelle und technische Ausstattung eines anderen Steuerpflichtigen hat, der auch gleichzeitig für die dadurch begründete feste Niederlassung in anderer Hinsicht ein Dienstleistungserbringer sein kann.
Diese Voraussetzungen einer Betriebsstätte bzw. festen Niederlassung lagen im hier vom Bundesfinanzhof entschiedenen Streitfall nicht vor:
Der Wettveranstalter verfügt im Inland weder über eigenes Personal noch über eine Struktur mit einem hinreichenden Grad an Beständigkeit, in deren Rahmen Wettverträge abgefasst oder Entscheidungen über die Geschäftsführung getroffen werden können, d.h. eine Struktur, die die autonome Erbringung der fraglichen Dienstleistungen ermöglicht10. Die Wettvermittlerin war selbständig tätig, der Wettveranstalter hatte kein Mitspracherecht bei der Auswahl der Mitarbeiter der Wettvermittlerin. Nach dem Vermittlungsvertrag führte die Wettvermittlerin ihren Betrieb auf eigene Rechnung und Gefahr als selbständiger Kaufmann und war nicht berechtigt, die Wettveranstalterin zu vertreten. Dergestalt unabhängige Vermittler, die -wie die Wettvermittlerin- den Kontakt zwischen den interessierten Kunden und der Wettveranstalterin herstellen, können nicht als Personal i.S. dieser EuGH-Rechtsprechung angesehen werden11.
Die Leistung der Wettvermittlerin gilt -mangels Verwendung einer deutschen Umsatzsteuer-Identifikationsnummer durch die Wettveranstalterin- auch nicht nach § 3a Abs. 2 Nr. 4 Satz 2 UStG a.F. als im Inland ausgeführt.
Ein steuerbarer Umsatz ergäbe sich auch dann nicht, wenn die von der Wettveranstalterin ausgeführten Wettumsätze als auf elektronischem Weg erbrachte sonstige Leistungen i.S. von § 3a Abs. 4 Nr. 14 UStG a.F.12 anzusehen wären. Denn die Vermittlung dieser sonstigen Leistung wurde im Streitjahr nach § 3a Abs. 4 Nr. 10 i.V.m. Abs. 3 Satz 1 UStG a.F. dort ausgeführt, wo der Empfänger sein Unternehmen betreibt, d.h. im EU-Ausland. Aus den oben aufgeführten Gründen liegt auch insoweit keine feste Niederlassung der Wettveranstalterin im Inland vor.
Die Steuerbarkeit der von der Wettvermittlerin ausgeführten Vermittlungsleistungen im EU-Ausland führt auch dann nicht zu einer systemwidrigen Nichtbesteuerung dieser Vermittlungsleistungen, wenn diese im EU-Ausland steuerfrei sein sollten. Sollte diese Steuerbefreiung gegen geltendes Unionsrecht verstoßen, so wäre hiergegen im Rahmen eines Vertragsverletzungsverfahrens vorzugehen. Die Verlagerung des Leistungsorts kommt allein deshalb nicht in Betracht. Anhaltspunkte für eine von den tatsächlichen wirtschaftlichen Verhältnissen abweichende missbräuchliche Gestaltung13 sind vorliegend nicht festgestellt.
Bundesfinanzhof, Beschluss vom 15. Februar 2017 – XI R 21/15
- vgl. EuGH, Urteil Tiercé Ladbroke vom 14.05.2008 – C-231/07 und – C-232/07, EU:C:2008:275, Rz 18 und 22, HFR 2008, 990[↩]
- EuGH, Urteil vom 13.12 2001 – C-235/00, EU:C:2001:696, UR 2002, 84[↩]
- Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28.11.2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem in der bis zum 31.12 2009 geltenden Fassung[↩]
- EuGH, Urteil Lipjes vom 27.05.2004 – C-68/03, EU:C:2004:325, UR 2004, 355, Rz 16[↩]
- vgl. dazu EuGH, Urteile United Utilities vom 13.07.2006 – C-89/05, EU:C:2006:469, UR 2006, 521, Rz 26; Henfling u.a. vom 14.07.2011 – C-464/10, EU:C:2011:489, UR 2012, 470, Rz 30; ferner BFH, Urteil vom 10.12 1970 – V R 50/67, BFHE 101, 153, BStBl II 1971, 193; BFH, Beschluss vom 22.03.2005 – II B 14/04, BFH/NV 2005, 1379[↩]
- BFH, Beschluss vom 14.04.2010 – V B 157/08, BFH/NV 2010, 1315, Rz 4; BFH, Urteil vom 12.12 2012 – XI R 30/10, BFHE 239, 526, BStBl II 2013, 348, Rz 36 ff., m.w.N.[↩]
- vgl. z.B. EuGH, Urteile Berkholz vom 04.07.1985 – C-168/84, EU:C:1985:299, Rz 17; Faaborg-Gelting Linien vom 02.05.1996 – C-231/94, EU:C:1996:184, HFR 1996, 612, Rz 16; ARO Lease vom 17.07.1997 – C-190/95, EU:C:1997:374, UR 1998, 185, Rz 15; Welmory vom 16.10.2014 – C-605/12, EU:C:2014:2298, UR 2014, 937, Rz 53; ferner BFH, Urteile vom 19.11.1998 – V R 30/98, BFHE 187, 348, BStBl II 1999, 108, unter II. 1.b, Rz 14; vom 10.12 1998 – V R 49/97, BFH/NV 1999, 839, unter 1.a, Rz 2; vom 30.06.2011 – V R 37/09, BFH/NV 2011, 2129, Rz 17[↩]
- vgl. z.B. EuGH, Urteile ARO Lease, EU:C:1997:374, UR 1998, 185, Rz 16; Lease Plan Luxembourg vom 07.05.1998 – C-390/96, EU:C:1998:206, UR 1998, 343, Rz 24; Planzer Luxembourg vom 28.06.2007 – C-73/06, EU:C:2007:397, UR 2007, 654, Rz 54; E. ON Global Commodities vom 06.02.2014 – C-323/12, EU:C:2014:53, UR 2014, 409, Rz 46; ferner BFH, Urteil vom 08.09.2010 – XI R 15/08, BFH/NV 2011, 661, Rz 24; siehe nunmehr Art. 11 Abs. 2 der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 282/2011 des Rates vom 15.03.2011 zur Festlegung von Durchführungsvorschriften zur Richtlinie 2006/112/EG über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem; Lippross, Umsatzsteuer, 23. Aufl., S. 271 f.; Wäger in Sölch/Ringleb, Umsatzsteuer, § 3a Rz 60; Abschn. 3a.1 Abs. 3 des Umsatzsteuer-Anwendungserlasses[↩]
- vgl. EuGH, Schlussanträge der Generalanwältin Kokott vom 15.05.2014 in der Rechtssache Welmory, EU:C:2014:340, Rz 48 ff.[↩]
- vgl. dazu EuGH, Urteile ARO Lease, EU:C:1997:374, UR 1998, 185, Rz 19; Lease Plan Luxembourg, EU:C:1998:206, UR 1998, 343, Rz 26 zu Leasinggesellschaften[↩]
- vgl. z.B. EuGH, Urteil ARO Lease, EU:C:1997:374, UR 1998, 185, Rz 21 zum Fahrzeugleasing[↩]
- vgl. dazu BFH, Urteil vom 01.06.2016 – XI R 29/14, BFHE 254, 183, BStBl II 2016, 905; jetzt: § 3a Abs. 5 Satz 2 Nr. 3 UStG[↩]
- vgl. zu den Anforderungen daran bei Ortsregelungen EuGH, Urteil WebMindLicences vom 17.12 2015 – C-419/14, EU:C:2015:832, UR 2016, 56, Rz 37 ff., 42 ff.[↩]