Supervisionen als umsatzsteuerfreie Unterrichtsleistungen

Der Bundesfinanzhof hat seine Rechtsprechung geändert: Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. j der Richtlinie 77/388/EWG erfasst auch die Aus- und Fortbildung, so dass es nicht darauf ankommt, ob sich der Privatlehrer an Schüler oder Hochschüler wendet oder ob es sich um einen in einen Lehr- oder Studienplan eingebetteten Unterricht handelt.

Supervisionen als umsatzsteuerfreie Unterrichtsleistungen

(Lehr-)Supervisionen können damit als Unterrichtseinheiten, die von Privatlehrern erteilt werden und die sich auf Schul- und Hochschulunterricht beziehen, nach Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. j der 6. USt-Richtlinie 77/388/EWG steuerfrei sein.

§ 4 Nr. 21 Buchst. a Doppelbuchst. bb UStG befreit „die unmittelbar dem Schul- und Bildungszweck dienenden Leistungen privater Schulen und anderer allgemeinbildender oder berufsbildender Einrichtungen, … wenn die zuständige Landesbehörde bescheinigt, dass sie auf einen Beruf oder eine vor einer juristischen Person des öffentlichen Rechts abzulegende Prüfung ordnungsgemäß vorbereiten“.

Wie der Bundesfinanzhof mit Urteil vom 17. April 20081 zur insoweit inhaltsgleichen Vorgängerregelung in § 4 Nr. 21 Buchst. b UStG a.F. entschieden hat, muss sich aus der Bescheinigung ergeben, dass die unmittelbar dem Schul- und Bildungszweck dienenden Leistungen, für die die Steuerfreiheit beansprucht wird, auf einen Beruf oder eine vor einer juristischen Person des öffentlichen Rechts abzulegende Prüfung ordnungsgemäß vorbereiten, so dass es nicht ausreicht, dass sich aus der Bescheinigung -wie im Streitfall- nur ergibt, dass berufliche Bildungsmaßnahmen ordnungsgemäß durchgeführt werden. Entgegen der Auffassung der Supervisorin kommt aufgrund des eindeutigen Wortlauts der Bescheinigung eine dem Wortlaut widersprechende Auslegung aufgrund einer bloßen Bezugnahme auf den bei der Landesbehörde gestellten Antrag nicht in Betracht.

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Die Leistungen der Supervisorin können zwar nicht nach Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. i der Richtlinie 77/388/EWG, wohl aber gemäß Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. j der Richtlinie 77/388/EWG steuerfrei sein. Hierzu sind im zweiten Rechtsgang noch weitere Feststellungen zu treffen.

Nach Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. i der Richtlinie 77/388/EWG befreien die Mitgliedstaaten „die Erziehung von Kindern und Jugendlichen, den Schul- oder Hochschulunterricht, die Ausbildung, die Fortbildung oder die berufliche Umschulung sowie die damit eng verbundenen Dienstleistungen und Lieferungen von Gegenständen durch Einrichtungen des öffentlichen Rechts, die mit solchen Aufgaben betraut sind, oder andere Einrichtungen mit von dem betreffenden Mitgliedstaat anerkannter vergleichbarer Zielsetzung“.

Teil A Abs. 1 Buchst. j der Richtlinie 77/388/EWG befreit nach seinem Wortlaut zudem „den von Privatlehrern erteilten Schul- und Hochschulunterricht“. Wie der Gerichtshof der Europäischen Union in seinem Urteil „Eulitz“2 entschieden hat, weichen die einzelnen Sprachfassungen dieser Bestimmung voneinander ab. Unter Berücksichtigung dieser Unterschiede sind als Schul- und Hochschulunterricht „Unterrichtseinheiten, die … sich auf Schul- und Hochschulunterricht beziehen“ anzusehen3.

Im Streitfall kann die Supervisorin nicht in Anspruch nehmen, dass ihre Leistungen gemäß Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. i der Richtlinie 77/388/EWG steuerfrei sind: Sie ist weder eine Einrichtung des öffentlichen Rechts noch verfügt sie -mangels Bescheinigung- über die ansonsten erforderliche Anerkennung als Einrichtung mit vergleichbarer Zielsetzung wie eine Einrichtung, die mit z.B. Schul- oder Hochschulunterricht, Ausbildung, Fortbildung oder beruflicher Umschulung betraut ist.

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Die Supervisorin kann aber geltend machen, dass ihre Leistungen nach Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. j der Richtlinie 77/388/EWG als Unterrichtseinheiten, die von Privatlehrern erteilt werden und die sich auf Schul- und Hochschulunterricht beziehen, steuerfrei sind.

Nach der Rechtsprechung des Unionsgerichtshofs beschränkt sich der Begriff des Schul- und Hochschulunterrichts „nicht auf Unterricht …, der zu einer Abschlussprüfung zur Erlangung einer Qualifikation führt oder eine Ausbildung im Hinblick auf die Ausübung einer Berufstätigkeit vermittelt, sondern [schließt] … andere Tätigkeiten ein …, bei denen die Unterweisung in Schulen und Hochschulen erteilt wird, um die Kenntnisse und Fähigkeiten der Schüler oder Studenten zu entwickeln, sofern diese Tätigkeiten nicht den Charakter bloßer Freizeitgestaltung haben“4. Es handelt sich um die „Vermittlung von Kenntnissen und Fähigkeiten durch den Unterrichtenden an Schüler oder Studierende im Rahmen einer Ausbildung im Hinblick auf die Ausübung einer Berufstätigkeit“5.

Zudem ist es „unerheblich“, dass Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. j der Richtlinie 77/388/EWG „nicht ausdrücklich die Aus- und Fortbildung erwähnt“6, da „nicht zwischen dem Unterricht, der Schülern oder Studierenden erteilt wird, die an einer erstmaligen Schul- oder Hochschulausbildung teilnehmen, und dem Unterricht zu unterscheiden [ist], der Personen erteilt wird, die bereits über einen Schul- oder Hochschulabschluss verfügen und die aufgrund dieses Abschlusses ihre Berufsausbildung betreiben“, und da das „Gleiche für die Unterrichtseinheiten [gilt], die sich auf diesen Unterricht beziehen“7, zumal sich „eine solche Unterscheidung anhand der Unterrichtsinhalte als schwierig erweisen“ würde und eine besonders enge Auslegung des Begriffs Schul- und Hochschulunterricht „die Gefahr einer je nach Mitgliedstaat unterschiedlichen Anwendung des Mehrwertsteuersystems hervorrufen [würde], weil die jeweiligen Unterrichtssysteme der Mitgliedstaaten unterschiedlich gestaltet sind“8.

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Im Hinblick auf das „Eulitz“-Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union9 wird im Schrifttum zutreffend geltend gemacht, dass nach Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. j der Richtlinie 77/388/EWG nicht nur Unterrichtseinheiten, die sich auf Schul- und Hochschulunterricht beziehen, sondern auch Unterrichtseinheiten, die sich auf Ausbildung, Fortbildung oder berufliche Umschulung beziehen, steuerfrei sein können10.

Dem folgt auch der Bundesfinanzhof unter Aufgabe seiner bisherigen Rechtsprechung. Es kommt nicht darauf an, dass der Privatlehrer an einer Schule oder Hochschule tätig ist, sich an Schüler oder Hochschüler wendet oder es sich um einen in einen Lehr- oder Studienplan eingebetteten Unterricht handelt11, da sich Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. j der Richtlinie 77/388/EWG auf jegliche Aus- und Fortbildung bezieht, die nicht den Charakter bloßer Freizeitgestaltung hat. Entgegen der Auffassung des Finanzamt ist ein Lehrplan nicht unabdingbar für die Steuerfreiheit. Daher können auch Supervisionsleistungen steuerfrei sein.

Die Entscheidung steht nicht im Widerspruch zum BFH-Urteil vom 17. Juni 199812, das zu Vortragstätigkeiten einer Familienbildungsstätte ergangen ist.

Die Sache ist nicht spruchreif. Im Hinblick auf eine mögliche Berufung der Supervisorin auf Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. j der Richtlinie 77/388/EWG sind im zweiten Rechtsgang weitere Feststellungen dazu zu treffen, ob sie als Privatlehrer tätig war und welcher Art die von der Supervisorin im Einzelnen erbrachten Leistungen waren.

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Das Finanzgericht wird dabei insbesondere zu berücksichtigen haben, dass es der Erteilung von Unterrichtseinheiten, die sich auf Schul- und Hochschulunterricht beziehen, durch einen Privatlehrer nicht entgegensteht, wenn dieser mehreren Personen gleichzeitig Unterricht erteilt, dass die der Unterrichtserteilung zugrunde liegende Rechtsbeziehung auch zu einer anderen Person als Unterrichtsteilnehmer bestehen kann und dass das Nichtbestehen eines Vergütungsanspruchs im Verhinderungsfall und bei Kursausfall für eine als Privatlehrer ausgeübte Tätigkeit spricht13. Die bloße Unternehmereigenschaft reicht demgegenüber nicht aus14.

Ohne Bedeutung ist für den Streitfall, dass der Unionsgerichtshof die Privatlehrereigenschaft versagt, wenn der Auftraggeber des Unterrichtenden die Leistung dazu verwendet, als eigenständige Bildungseinrichtung entgeltliche Unterrichtsleistungen zu erbringen15, da es den Auftraggebern der Supervisorin um die Aus- und Fortbildung des eigenen Personals ging.

In Bezug auf die Lehrsupervisionen kann sich die Steuerfreiheit bereits daraus ergeben, dass die Supervisorin andere darin unterrichtet hat, Supervisionen auszuführen.

Hinsichtlich der weiteren Supervisionsleistungen ist -ohne Bindung an die einkommensteuerrechtliche Beurteilung des Veranlassungszusammenhangs bei Werbungskosten- zu berücksichtigen, dass diese vorrangig auf die spezifischen Bedürfnisse einer Berufstätigkeit ausgerichtet sein können, wenn sie dazu dienen, Lösungsmöglichkeiten für konkrete Arbeitsplatzsituationen zu erarbeiten und in gemeinsamer Reflexion Fehler und Schwachstellen aufzuarbeiten16. Für die erforderliche Berufsbezogenheit als Aus- und Fortbildungsmaßnahme kann es ausreichen, dass die Supervisorin Sozialarbeiter für die von diesen ausgeübte Berufstätigkeit anhand von Fallbeispielen gruppenweise angeleitet hat. Insoweit kommt den mit dem jeweiligen Auftraggeber vereinbarten Lehrinhalten indizielle Bedeutung zu.

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Bundesfinanzhof, Urteil vom 20. März 2014 – V R 3/13

  1. BFH, Urteil vom 17.04.2008 – V R 58/05, BFHE 221, 489, BFH/NV 2008, 1418, unter II. 2.c[]
  2. EuGH, Urteil vom 28.01.2010 – C-473/08, Eulitz, Slg. 2010, I-907[]
  3. EuGH, Urteil Eulitz in Slg. 2010, I-907 Rdnr. 23[]
  4. EuGH, Urteil vom 14.06.2007 – C-445/05, Haderer, Slg. 2007, I-4841 Rdnr. 26[]
  5. EuGH, Urteil Eulitz in Slg. 2010, I-907 Rdnr. 33[]
  6. EuGH, Urteil Eulitz in Slg. 2010, I-907 Rdnr. 34[]
  7. EuGH, Urteil Eulitz in Slg. 2010, I-907 Rdnr. 35[]
  8. EuGH, Urteil Eulitz in Slg. 2010, I-907 Rdnr. 36[]
  9. EuGH, Urteil Eulitz in Slg. 2010, I-907[]
  10. Tehler, EU-Umsatzsteuerberater 2010, 6 ff., 8; Philipowski, UR 2010, 161 ff., 163; und Nieskens, UR 2013, 175 ff., 179[]
  11. so noch BFH, Urteil in BFHE 221, 489, BFH/NV 2008, 1418, unter II. 3.b bb[]
  12. BFH, Urteil vom 17.06.1998 – XI R 68/97, BFH/NV 1999, 81, unter II. 3.[]
  13. EuGH, Urteil Haderer in Slg. 2007, I-4841 Rdnrn. 31 ff.[]
  14. EuGH, Urteil Eulitz in Slg. 2010, I-907 Rdnr. 47[]
  15. EuGH, Urteil Eulitz in Slg. 2010, I-907 Rdnrn. 52 ff.[]
  16. vgl. BFH, Urteil vom 28.08.2008 – VI R 35/05, BFHE 223, 1, BStBl II 2009, 108[]
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