Überlassen von Bootsliegeplätzen – und die Umsatzsteuer

Die entgeltliche Überlassung von Bootsliegeplätzen ist nicht steuersatzermäßigt. Dies gilt auch, soweit der Hafen von einem gemeinnützigen Verein betrieben wird.

Überlassen von Bootsliegeplätzen – und die Umsatzsteuer

In dem hier in Umsetzung der „Segler-Vereinigung Cuxhaven“, Entscheidung des Gerichtshof der Europäischen Union1 vom Bundesfinanzhof entschiedenen Fall war streitig, ob die Umsätze aus der Vereinnahmung von Hafengeldern dem ermäßigten Steuersatz nach § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a oder Nr. 11 UStG unterliegen. Der klagende, gemeinnützige Verein, dessen Zweck die Förderung des Segel- und Motorwassersports ist, unterhält in seinem Hafen etwa 300 Liegeplätze, die in den hier entschiedenen Streitjahren 2010 bis 2012 zu ca. 50 % fest an Mitglieder vergeben wurden. Die Mitglieder sind verpflichtet, bei Abwesenheit die Nutzung ihrer Liegeplätze durch Gäste zu dulden. Die übrigen 50 % der Liegeplätze stehen den Gästen uneingeschränkt zur Verfügung. Die Entgelte aus der Überlassung der Liegeplätze an Gäste unterwarf der Verein in den Streitjahren dem ermäßigten Steuersatz. Im Anschluss an eine bei ihm durchgeführte Umsatzsteuer-Sonderprüfung änderte das Finanzamt die Umsatzsteuerbescheide und unterwarf die streitigen Umsätze dem Regelsteuersatz.

Das Niedersächsische Finanzgericht wies die Klage des Vereins ab2; die kurzfristige Überlassung von Bootsliegeplätzen sei keine „kurzfristige Vermietung von Campingflächen“ nach § 12 Abs. 2 Nr. 11 UStG, sondern eine steuerpflichtige Vermietung von Plätzen für das Abstellen von Fahrzeugen (§ 4 Nr. 12 Satz 2 Alternative 2 UStG). Im Revisionsverfahren hat der Bundesfinanzhof den Gerichtshof der Europäischen Union um Vorabentscheidung zur Klärung der folgenden Frage zur Auslegung der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28.11.2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (MwStSystRL) ersucht3:

 „Umfasst die Steuersatzermäßigung für die Vermietung von Campingplätzen und Plätzen für das Abstellen von Wohnwagen nach Art. 98 Abs. 2 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28.11.2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (MwStSystRL) in Verbindung mit Anhang – III Nr. 12 MwStSystRL auch die Vermietung von Bootsliegeplätzen?“

Hierauf hat der Unionsgerichtshof in seinem Urteil „Segler-Vereinigung Cuxhaven“ 1 wie folgt geantwortet:

„Nach alledem ist auf die Vorlagefrage zu antworten, dass Art. 98 Abs. 2 in Verbindung mit Anhang III Nr. 12 der Mehrwertsteuerrichtlinie dahin auszulegen ist, dass der ermäßigte Mehrwertsteuersatz, der dort für die Vermietung von Campingplätzen und Plätzen für das Abstellen von Wohnwagen vorgesehen ist, nicht auf die Vermietung von Bootsliegeplätzen anwendbar ist.“

Auf der Grundlage dieses Urteils des Gerichtshofs der Europäischen Union wies der Bundesfinanzhof nun die Revision des Vereins gegen das Urteil des Niedersächsischen Finanzgerichts zurück; das Finanzgericht hat zu Recht entschieden, dass die kurzfristige Überlassung von Bootsliegeplätzen nicht von der Steuerbefreiung für die „kurzfristige Vermietung von Campingflächen“ i.S. von § 12 Abs. 2 Nr. 11 UStG umfasst wird und die damit einhergehende Regelbesteuerung nach § 12 Abs. 1 UStG gleichheitsrechtlich nicht zu beanstanden ist. Die Umsätze des Vereins fallen auch nicht unter die Steuersatzermäßigung des § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a UStG.

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Die Umsätze des Vereins aus der Überlassung von Bootsliegeplätzen unterliegen dem Regelsteuersatz des § 12 Abs. 1 UStG. Sie fallen nicht unter die in § 12 Abs. 2 Nr. 11 UStG angeordnete Steuersatzermäßigung für die kurzfristige Vermietung von Campingflächen. Eine Wasserfläche in Gestalt eines Bootsliegeplatzes ist keine Campingfläche.

Diese Beurteilung folgt überdies aus dem Unionsrecht (Art. 98 Abs. 2 i.V.m. Anh. III Nr. 12 MwStSystRL4 und steht im Einklang mit dem unionsrechtlichen Neutralitätsgrundsatz. Dieser verbietet es, gleichartige Gegenstände oder Dienstleistungen, die miteinander in Wettbewerb stehen, hinsichtlich der Mehrwertsteuer unterschiedlich zu behandeln5. Der EuGH hat im Urteil Segler-Vereinigung Cuxhaven6 entschieden, dass die Vermietung von Campingplätzen und Plätzen für das Abstellen von Wohnwagen einerseits und die Vermietung von Bootsliegeplätzen andererseits unterschiedliche Zwecke erfüllen und daher nicht miteinander in Wettbewerb stehen. Damit liegt ein hinreichender Differenzierungsgrund für eine unterschiedliche Behandlung hinsichtlich des anzuwendenden Steuersatzes vor und eine Verletzung des Neutralitätsgrundsatzes scheidet aus.

Die Voraussetzungen der Steuersatzermäßigung nach § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a UStG liegen ebenfalls nicht vor. Danach werden ermäßigt besteuert „die Leistungen der Körperschaften, die ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige, mildtätige oder kirchliche Zwecke verfolgen (§§ 51 bis 68 der Abgabenordnung)“.

Es mag dahinstehen, ob die Steuerermäßigung nur für originär gemeinnützige Leistungen eingreift, d.h. für Leistungen, die von Einrichtungen erbracht werden, die sowohl gemeinnützig als auch für wohltätige Zwecke und im Bereich der sozialen Sicherheit tätig sind7. Denn es fehlt jedenfalls an den Voraussetzungen des § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a Satz 3 UStG. Danach gilt die Steuerermäßigung „für Leistungen, die im Rahmen eines Zweckbetriebs ausgeführt werden (…), nur, wenn der Zweckbetrieb nicht in erster Linie der Erzielung zusätzlicher Einnahmen durch die Ausführung von Umsätzen dient, die in unmittelbarem Wettbewerb mit dem allgemeinen Steuersatz unterliegenden Leistungen anderer Unternehmer ausgeführt werden, oder wenn die Körperschaft mit diesen Leistungen ihrer in den §§ 66 bis 68 der Abgabenordnung bezeichneten Zweckbetriebe ihre steuerbegünstigten satzungsgemäßen Zwecke selbst verwirklicht“.

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Zusätzliche Einnahmen in diesem Sinne liegen bereits dann vor, wenn die Körperschaft diese im Zusammenhang mit Leistungen erzielt, die für die Verwirklichung ihres steuerbegünstigten satzungsmäßigen Zwecks nicht unerlässlich sind8.

Der Verein steht mit den von ihm ausgeführten Vermietungsleistungen in unmittelbarem Wettbewerb mit dem allgemeinen Steuersatz unterliegenden Leistungen anderer (Beherbergungs-)Unternehmer. Deshalb scheidet gemäß § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a Satz 3 Alternative 1 UStG eine Steuersatzermäßigung aus.

Der Verein hat mit den von ihm ausgeführten Vermietungsleistungen auch seine satzungsgemäßen Zwecke nicht selbst verwirklicht (§ 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a Satz 3 Alternative 2 UStG). Denn es ist nicht ersichtlich, dass er seine steuerbegünstigten satzungsmäßigen Zwecke, nämlich die Förderung des Segel- und Motorwassersports auf der Grundlage des Amateurgedankens für Erwachsene und Jugendliche als Breiten, Leistungs- und Freizeitsport, nur durch die Ausführung von Vermietungsleistungen erbringen kann.

Bundesfinanzhof, Urteil vom 24. Juni 2020 – V R 47/19

  1. EuGH, Urteil Segler-Vereinigung Cuxhaven vom vom 19.12.2019 – C-715/18, EU:C:2019:1138, HFR 2020, 192[][]
  2. Nds. FG, Urteil vom 15.06.2017 – 5 K 210/15, EFG 2017, 1481[]
  3. BFH, Beschluss vom 02.08.2018 – V R 33/17, BFHE 262, 279[]
  4. so EuGH, Urteil Segler-Vereinigung Cuxhaven, EU:C:2019:1138, Rz 28, 29, HFR 2020, 192[]
  5. z.B. EuGH, Urteile Segler-Vereinigung Cuxhaven, EU:C:2019:1138, Rz 36, HFR 2020, 192; Belgisch Syndicaat van Chiropraxie u.a. vom 27.06.2019 – C-597/17, EU:C:2019:544, Rz 47, HFR 2019, 827; BFH, Urteil vom 02.08.2018 – V R 6/16, BFHE 262, 272, BStBl II 2019, 293, Rz 29[]
  6. EU:C:2019:1138, HFR 2020, 192[]
  7. vgl. hierzu BFH, Urteil vom 23.07.2019 – XI R 2/17, BFHE 266, 91; EuGH, Urteil Kommission/Frankreich vom 17.06.2010 – C-492/08, EU:C:2010:348, HFR 2010, 883[]
  8. BFH, Urteil vom 08.03.2012 – V R 14/11, BFHE 237, 279, BStBl II 2012, 630[]
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