Die Kombination von künstlerischen und kulinarischen Elementen in Form einer „Dinner-Show“ kann eine komplexe Leistung sein, die dem Regelsteuersatz unterliegt. Allein der Umstand, dass beide Bestandteile im Wirtschaftsleben auch getrennt erbracht werden, rechtfertigt keine Aufspaltung des Vorgangs, wenn es dem durchschnittlichen Besucher der „Dinner-Show“ um die Verbindung beider Elemente geht.

Die im Rahmen der „Dinner-Show“ erbrachten künstlerischen Leistungen unterliegen nicht als selbständige Leistungen gemäß § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. a UStG [1] dem ermäßigten Steuersatz. Die Unternehmerin erbrachte mit der Veranstaltung der „Dinner-Shows“ vielmerh eine einheitliche, insgesamt dem Regelsteuersatz unterfallende sonstige Leistung.
Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union, der sich der Bundesfinanzhof angeschlossen hat, gelten für die Frage, ob mehrere Tätigkeiten steuerrechtlich zu nur einem Umsatz oder mehreren eigenständigen Umsätzen führen, folgende Grundsätze [2]:
Zunächst ist in der Regel jede Lieferung oder Dienstleistung als eigene, selbständige Leistung zu betrachten. Bei einem Umsatz, der ein Bündel von Einzelleistungen und Handlungen umfasst, ist aber im Rahmen einer Gesamtbetrachtung zu bestimmen, ob zwei oder mehr getrennte Umsätze vorliegen oder ein einheitlicher Umsatz. Dabei sind unter Berücksichtigung eines Durchschnittsverbrauchers die charakteristischen Merkmale des Umsatzes zu ermitteln. Insoweit darf einerseits eine wirtschaftlich einheitliche Leistung nicht künstlich aufgespalten werden. Andererseits sind mehrere formal getrennt erbrachte Einzelumsätze als einheitlicher Umsatz anzusehen, wenn sie nicht selbständig sind.
Einen einheitlichen Umsatz hat der Gerichtshof der Europäischen Union für zwei Fallgruppen bejaht.
- Zum einen liegt eine einheitliche Leistung vor, wenn eine oder mehrere Einzelleistungen eine Hauptleistung bilden und die andere Einzelleistung oder die anderen Einzelleistungen eine oder mehrere Nebenleistungen bilden, die das steuerliche Schicksal der Hauptleistung teilen. Eine Leistung ist insbesondere dann Neben- und nicht Hauptleistung, wenn sie für die Kundschaft keinen eigenen Zweck, sondern das Mittel darstellt, um die Hauptleistung des Leistungserbringers unter optimalen Bedingungen in Anspruch zu nehmen [3].
- Zum anderen kann sich eine einheitliche Leistung daraus ergeben, dass zwei oder mehrere Handlungen oder Einzelleistungen des Steuerpflichtigen für den Kunden so eng miteinander verbunden sind, dass sie objektiv einen einzigen untrennbaren wirtschaftlichen Vorgang bilden, dessen Aufspaltung wirklichkeitsfremd wäre [4].
So ist der Europäische Gerichtshof z.B. in folgenden Fällen von einem einzigen untrennbaren wirtschaftlichen Vorgang ausgegangen:
- Erwerb einer Software, die in diesem Zustand für die wirtschaftliche Tätigkeit des Leistungsempfängers nutzlos ist, und nachfolgende Anpassungen, die die Software erst nützlich werden lassen, wenn der wirtschaftliche Zweck darin besteht, eine speziell an die Bedürfnisse des Leistungsempfängers angepasste einsatzfähige Software zu erhalten [5],
- Erwerb eines Glasfaserkabels und die mit der Verlegung dieses Kabels zusammenhängenden Dienstleistungen, die zur Veräußerung eines verlegten und funktionstüchtigen Kabels erforderlich und hiermit eng miteinander verbunden sind [6],
- Erwerb eines alten Gebäudes mit dem dazugehörigen Grund und Boden, der in diesem Zustand ohne jeden Nutzen für die wirtschaftliche Tätigkeit des Leistungsempfängers ist, und den Leistungen in Bezug auf den Abriss der Gebäude, die allein geeignet sind, dem Grundstück einen wirtschaftlichen Nutzen zu verleihen [7],
- Parken eines PKWs auf einem außerhalb eines Flugplatzgeländes gelegenen Parkplatzes und die Beförderung der Insassen dieses PKWs zwischen dem Parkplatz und dem Flughafenterminal [8],
- Portfolioverwaltung, bei der ein Steuerpflichtiger aufgrund eigenen Ermessens über den Kauf und Verkauf von Wertpapieren entscheidet und diese Entscheidung durch den Kauf und Verkauf vollzieht [9].
Wie der Gerichtshof der Europäischen Union in seinem Urteil Deutsche Bank AG [10] entschieden hat, kommt es für die Beurteilung, ob ein Vorgang „untrennbar“ ist, auf die Sicht des Durchschnittskunden an, dem es ggf. um die Verbindung verschiedener Elemente geht.
Ob im konkreten Fall eine einheitliche Leistung vorliegt, haben im Rahmen der mit Art. 267 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union errichteten Zusammenarbeit die nationalen Gerichte festzustellen, die dazu alle endgültigen Tatsachenbeurteilungen vorzunehmen haben [11]. Die erforderliche Gesamtbetrachtung ist im Wesentlichen das Ergebnis einer tatsächlichen Würdigung durch das Finanzgericht, die den BFH grundsätzlich gemäß § 118 Abs. 2 FGO bindet [12].
Ausgehend hiervon stehen die Restaurationsleistungen und die künstlerischen Darbietungen nicht im Verhältnis von Haupt- und Nebenleistung.
Die Leistungen sind kein bloßes Mittel, um die jeweils andere Leistung unter optimalen Bedingungen in Anspruch nehmen zu können und sind daher nicht als Nebenleistungen der jeweils anderen anzusehen. Show und Menü dienen ganz unterschiedlichen und gleichgewichtigen Zwecken. Den Besuchern kommt es nicht allein auf die künstlerischen Darbietungen an. Gleichermaßen wichtig ist die Möglichkeit zum Genuss der einzelnen Gänge eines von der Küche eines 5-Sterne-Hotels kreierten Menüs.
Dies entspricht der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs, der bereits entschieden hat, dass Gastronomieumsätze vor, während oder nach einer künstlerischen Veranstaltung aus der Sicht eines Durchschnittsverbrauchers einen eigenen, vom Theaterbesuch unabhängigen Zweck haben und zur Durchführung kultureller Dienstleistungen aus der Sicht eines Durchschnittsverbrauchers nicht unerlässlich sind und somit keine Nebenleistungen darstellen [13].
Bei der „Dinner-Show“ liegt eine komplexe Leistung vor.
Aufgrund der festgestellten konkreten Ausgestaltung sind im Streitfall die künstlerischen und kulinarischen Leistungen untrennbar miteinander verbunden und bilden eine komplexe Leistung. Der Charakter der im Streitfall zu beurteilenden Leistungen wird wesentlich durch die Mischung aus Unterhaltung und gutem Essen verbunden mit dem Ambiente eines Spiegelzeltes bestimmt. Die künstlerischen und kulinarischen Leistungen sind aufeinander abgestimmt und greifen in zeitlicher Hinsicht ineinander. Durch die Verflechtung beider Komponenten ist es dem Verbraucher nicht möglich, nur die künstlerische oder nur die kulinarische Leistung in Anspruch zu nehmen. Zwar werden Varieté Shows und 4‑Gänge-Menüs im Wirtschaftsleben auch getrennt erbracht. Dies allein rechtfertigt jedoch keine Aufspaltung des Vorgangs. Dem durchschnittlichen Besucher der im Streitfall zu beurteilenden „Dinner-Show“ geht es, wie das Finanzgericht ausgeführt hat, gerade um die Verbindung der beiden Elemente [14]. Die Aufspaltung in eine kulinarische und eine künstlerische Leistung wäre daher aufgrund der vom Durchschnittskunden gewünschten Verbindung im Streitfall lebensfremd.
Hiergegen spricht nicht, dass der Kunde der „Dinner-Show“ ein abtrennbares Interesse an den einzelnen Leistungen habe, da diese jeweils für sich und unabhängig voneinander ihren eigenständigen Wert und Charakter hätten, da sich z.B. eine langweilige Aufführung nicht auf die Qualität des Essens auswirke und die künstlerischen Leistungen ebenso nicht von der Qualität des Essens bestimmt würden. Denn maßgeblich bleibt gleichwohl die ebenso wie im Fall der Portfolioverwaltung durch den Kunden gewünschte Verbindung der einzelnen Leistungselemente. Soweit sich die Unternehmerin weiter für ihre Auffassung auf Lange [15] beruft, der bei einer „Dinner-Show“ eine Aufteilung in zwei Leistungselemente befürwortet, schließt sich der Bundesfinanzhof dem im Hinblick auf das EuGH, Urteil Deutsche Bank AG in DB 2012, 1662 nicht an.
Für ihre Gegenauffassung kann sich die Unternehmerin auch nicht auf das EuGH, Urteil vom 11.06.2009, C‑572/07 [RLRE Tellmer Property], Slg. 2009, I‑4983)) berufen. Denn wie der EuGH im Anschluss hieran in seinem Urteil „Field Fisher Waterhouse“ [16] entschieden hat, ist allein die Möglichkeit, dass grundsätzlich ein Dritter bestimmte Dienstleistungen erbringen kann, nicht entscheidend, da die Möglichkeit, dass Teile einer einheitlichen Leistung unter anderen Umständen isoliert erbracht werden, zum „Konzept des zusammengesetzten einheitlichen Umsatzes“ gehört.
Die komplexe Leistung der „Dinner-Show“ unterliegt nicht gemäß § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. a UStG dem ermäßigten Steuersatz.
Nach § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. a UStG ermäßigt sich die Steuer auf 7 % u.a. für die –bis zum 15.12.2004 ausgeführten– Leistungen der Theater, Orchester, Kammermusikensembles, Chöre und Museen sowie die Veranstaltung von Theatervorführungen und Konzerten durch andere Unternehmer bzw. für die –ab dem 16.12.2004 ausgeführten– Umsätze mit Eintrittsberechtigungen für Theater, Konzerte und Museen, sowie die den Theatervorführungen und Konzerten vergleichbaren Darbietungen ausübender Künstler (§ 27 Abs. 1 UStG [17]).
Unionsrechtliche Grundlage für die Steuerermäßigung ist Art. 12 Abs. 3 Buchst. a Unterabs. 3 der Sechsten Mehrwertsteuer-Richtlinie 77/388/EWG [18] i.V.m. Anhang H Nr. 7 der Richtlinie 77/388/EWG. Danach können die Mitgliedstaaten einen ermäßigten Steuersatz anwenden auf die Eintrittsberechtigung für Veranstaltungen, Theater, Zirkus, Jahrmärkte, Vergnügungsparks, Konzerte, Museen, Tierparks, Kinos und Ausstellungen sowie ähnliche kulturelle Ereignisse und Einrichtungen.
Die von der Unternehmerin veranstaltete „Dinner-Show“ enthält zwar Elemente, die für sich betrachtet Theatervorführungen i.S. von § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. a UStG sein können, da nicht nur Aufführungen von Theaterstücken im engeren Sinn, sondern auch Darbietungen der Pantomime und Tanzkunst, der Kleinkunst und des Varietés [19] erfasst werden. Begünstigt sind auch Mischformen von Sprech‑, Musik- und Tanzdarbietungen, so dass eine „Unterhaltungsshow“ ebenfalls eine Theateraufführung i.S. von § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. a UStG sein kann [20].
Die Steuerermäßigung nach § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. a UStG setzt jedoch voraus, dass die Theatervorführung Hauptbestandteil der einheitlichen Gesamtleistung ist [21]. Die Theatervorführung muss den eigentlichen Zweck der Veranstaltung ausmachen [22]. Daran fehlt es hier, da –wie bereits ausgeführt– der Charakter der im Streitfall zu beurteilenden komplexen Leistung wesentlich durch die Mischung aus Unterhaltung und gutem Essen verbunden mit dem Ambiente eines Spiegelzeltes bestimmt wird und sich beide Leistungsbestandteile gleichwertig gegenüberstehen.
Für ein Vorabentscheidungsersuchen an den Gerichtshof der Europäischen Union besteht kein Anlass. Die Grundsätze, nach welchen Kriterien zu beurteilen ist, ob der Steuerpflichtige in einem konkreten Fall eine einheitliche Leistung erbringt, sind durch die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs geklärt; wie der Gerichtshof im Urteil Field Fisher Waterhouse in UR 2012, 964 im Anschluss daran weiter ausführt, gibt es jedoch für die Bestimmung des Umfangs einer Leistung aus mehrwertsteuerlicher Sicht keine Regel mit absoluter Geltung; daher sind für die Bestimmung des Umfangs einer Leistung die Gesamtumstände zu berücksichtigen; ob der Steuerpflichtige in einem konkreten Fall eine einheitliche Leistung erbringt, haben im Rahmen der mit Art. 267 errichteten Zusammenarbeit die nationalen Gerichte festzustellen, die dazu alle endgültigen Tatsachenbeurteilungen vorzunehmen haben [23].
Bundesfinanzhof, Urteil vom 10. Januar 2013 – V R 31/10
- in der 1999 bzw. 2005 gültigen Fassung[↩]
- vgl. BFH, Beschluss vom 28.10.2010 – V R 9/10, BFHE 231, 360, BStBl II 2011, 360, m.w.N.[↩]
- vgl. z.B. EuGH, Urteil vom 10.03.2011 – C‑497/09 [Bog u.a.], UR 2011, 272 Rdnr. 54, m.w.N.[↩]
- vgl. z.B. EuGH, Urteil Bog u.a., UR 2011, 272 Rdnr. 53, m.w.N.; EuGH, Beschluss vom 19.01.2012 – C‑117/11 [Purple Parking Ltd. und Airpark Services Ltd.], HFR 2012, 674 Rdnr. 29; EuGH, Urteil vom 19.07.2012 – C‑44/11 [Deutsche Bank AG], DB 2012, 1662 Rdnr. 21[↩]
- EuGH, Urteil vom 27.10.2005 – C‑41/04 [Levob], Slg. 2005, I‑9433, BFH/NV Beilage 2006, 38 Rdnr. 24[↩]
- EuGH, Urteil vom 29.03.2007 – C‑111/05 [Aktiebolaget NN], Slg. 2007, I‑2697, BFH/NV Beilage 2007, 293 Rdnr. 25[↩]
- EuGH, Urteil vom 19.11.2009 – C‑461/08 [Don Bosco], Slg. 2009, I‑11079, BFH/NV 2010, 144 Rdnr. 38[↩]
- EuGH, Beschluss Purple Parking Ltd. und Airpark Services Ltd. in HFR 2012, 674, Leitsatz[↩]
- EuGH, Urteil Deutsche Bank AG in DB 2012, 1662 Rdnr. 29[↩]
- EuGH, DB 2012, 1662 Rdnr. 25[↩]
- EuGH, Urteil Bog u.a. in UR 2011, 272 Rdnr. 55, m.w.N.[↩]
- z.B. BFH, Urteil vom 13.01.2011 – V R 63/09, BFHE 233, 64, BStBl II 2011, 461, m.w.N.[↩]
- vgl. BFH, Urteile vom 18.08.2005 – V R 20/03, BFHE 211, 85, BStBl II 2005, 910 zu Gastronomieumsätzen im für jedermann zugänglichen Gastronomiebereich eines Theaters; vom 14.05.1998 – V R 85/97, BFHE 186, 151, BStBl II 1999, 145 zur Abgabe von Speisen und Getränken in einem Kabarett; ebenso für sog. Verzehrkinos BFH, Urteil vom 07.03.1995 – XI R 46/93, BFHE 177, 165, BStBl II 1995, 429; für den Getränkeausschank außerhalb eines Verzehrkinos im Foyer BFH, Urteil vom 01.06.1995 – V R 90/93, BFHE 178, 248, BStBl II 1995, 914; für die Lieferung von Speiseeis bei Filmvorführungen BFH, Urteil vom 09.05.1996 – V R 30/95, BFH/NV 1997, 70[↩]
- vgl. zur Portfolioverwaltung EuGH, Urteil Deutsche Bank AG in DB 2012, 1662 Rdnr. 25[↩]
- UR 2009, 289 ff., 294[↩]
- EuGH, Urteil vom 27.09.2012 – C‑392/11 [Field Fisher Waterhouse], UR 2012, 964 Rdnr. 26[↩]
- i.V.m. Art. 5 Nr. 8 und Art. 22 Abs. 1 des Gesetzes zur Umsetzung von EU-Richtlinien in nationales Steuerrecht und zur Änderung weiterer Vorschriften vom 09.12.2004, BGBl I 2004, 3310[↩]
- Sechste Richtlinie des Rates vom 17.05.1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG[↩]
- vgl. BFH, Urteile vom 19.10.2011 – XI R 40/09, BFH/NV 2012, 798; vom 09.10.2003 – V R 86/01, BFH/NV 2004, 984[↩]
- vgl. BFH, Urteile in BFH/NV 2012, 798, und in BFH/NV 2004, 984, unter II.1.a und c[↩]
- vgl. zu § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. c BFH, Urteil vom 21.10.2009 – V R 8/08, BFH/NV 2010, 476, m.w.N.[↩]
- BFH, Urteil vom 26.04.1995 – XI R 20/94, BFHE 177, 548, BStBl II 1995, 519[↩]
- EuGH, Urteil Field Fisher Waterhouse in UR 2012, 964 Rdnrn.19 f.[↩]