Umsatzsteuer – und die Bruchteilsgemeinschaft

Eine Bruchteilsgemeinschaft erbringt keine Leistungen gegen Entgelt als Unternehmer1.

Umsatzsteuer – und die Bruchteilsgemeinschaft

Dies entschied jetzt der Bundesfinanzhof in einem Streitfall, in dem über § 2 Abs. 1 Satz 1 UStG i.d.F. von Art. 43 Abs. 6 i.V.m. Art. 16 Nr. 2 JStG 2022 nicht zu entscheiden war.

Der BFH ist in seiner früheren Rechtsprechung zwar davon ausgegangen, dass eine Bruchteilsgemeinschaft Unternehmer sein kann2.

Auf dieser Grundlage hatte der Bundesfinanzhof auch entschieden, dass eine Geschäftsveräußerung vorliegt, wenn ein Vermietungsunternehmer das Eigentum an einem umsatzsteuerpflichtig vermieteten Grundstück zur Hälfte auf seinen Ehegatten überträgt, dass dieser Vorgang beim Vermietungsunternehmer keine Vorsteuerkorrektur gemäß § 15a UStG auslöst und dass die durch Übertragung eines Miteigentumsanteils an einem umsatzsteuerpflichtig vermieteten Grundstück entstandene Bruchteilsgemeinschaft gleichzeitig mit ihrer Entstehung gemäß § 571 Abs. 1 BGB in der bis zum 31.08.2001 geltenden Fassung (entspricht sodann § 566 Abs. 1 BGB) in einen bestehenden Mietvertrag eintritt3. Folge dieser Sichtweise war, dass die aus den Ehegatten gebildete Bruchteilsgemeinschaft als Begünstigter der Übertragung und damit als erwerbender Unternehmer angesehen wurde, da der Bundesfinanzhof damals davon ausging, dass diese das Vermietungsunternehmen des bisherigen Alleineigentümers fortführte4.

Die Rechtsprechung zur Unternehmereigenschaft der Bruchteilsgemeinschaft hat der Bundesfinanzhof später aber aufgegeben.

Nach den BFH, Urteilen vom 22.11.2018; und vom 07.05.20205 kann eine Bruchteilsgemeinschaft keine entgeltlichen Leistungen (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG und Art. 2 Abs. 1 Buchst. a und c der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28.11.2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem -MwStSystRL-) erbringen, sodass sie nicht Unternehmerin (§ 2 Abs. 1 UStG und Art. 9 Abs. 1 MwStSystRL) ist und stattdessen von einer anteiligen Leistungserbringung durch die Miteigentümer auszugehen ist, wobei der in diesen beiden Fällen (wie auch hier) entscheidende V. Senat damit nicht von der Rechtsprechung anderer Senate des Bundesfinanzhofs abgewichen ist6.

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Der Bundesfinanzhof hält an diesen beiden Urteilen in BFHE 263, 90 und in BFHE 270, 146 weiter fest. Sie werden insbesondere durch die Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Union bestätigt. Danach ist für die Frage, wer eine entgeltliche Leistung erbracht hat, zu ermitteln, wer die wirtschaftliche Tätigkeit selbständig ausgeübt hat. Dies richtet sich danach, wer „eine wirtschaftliche Tätigkeit im eigenen Namen, für eigene Rechnung und in eigener Verantwortung ausübt und ob er das mit der Ausübung dieser Tätigkeit einhergehende wirtschaftliche Risiko trägt“7. Diese Kriterien kann eine Bruchteilsgemeinschaft, deren Bedeutung sich auf die Umschreibung einer Rechtszuständigkeit beschränkt und die keine Tätigkeiten ausüben kann8, nicht erfüllen. Sie ist im Gegensatz zu ihren Teilhabern (Miteigentümern), die diese Gemeinschaft bilden, weder in der Lage, eine wirtschaftliche Tätigkeit im eigenen Namen, für eigene Rechnung und in eigener Verantwortung auszuüben noch kann sie ein mit dieser Tätigkeit einhergehendes wirtschaftliches Risiko tragen.

Abweichendes folgt im Hinblick auf den Grundsatz der richtlinienkonformen Auslegung des Umsatzsteuergesetzes entsprechend den Vorgaben des EuGH9 auch nicht aus der Ergänzung des § 2 Abs. 1 Satz 1 UStG um den Zusatz „unabhängig davon, ob er nach anderen Vorschriften rechtsfähig ist“, auch wenn diese Änderung unter Berücksichtigung ihrer Gesetzesbegründung im Jahressteuergesetz 2022 (JStG 2022) dazu dienen soll, die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs in seinen Urteilen in BFHE 263, 90 und in BFHE 270, 146 zu korrigieren10. Diese Änderung ist gemäß Art. 43 Abs. 6 i.V.m. Art. 16 Nr. 2 JStG 2022 erst zum 01.01.2023 und -im Unterschied zu anderen (rückwirkenden) Gesetzesänderungen (Art. 43 Abs. 2 bis 5 JStG 2022)- nicht bereits mit Geltung für das Streitjahr in Kraft getreten. Es ist danach im Streitfall nicht zu entscheiden, ob aus dieser Neuregelung folgt, dass eine Bruchteilsgemeinschaft als Unternehmer Leistungen erbringt, obwohl sie nicht in der Lage ist, eine wirtschaftliche Tätigkeit im eigenen Namen, für eigene Rechnung und in eigener Verantwortung auszuüben und sie zudem kein mit dieser Tätigkeit einhergehendes wirtschaftliches Risiko tragen kann.

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Im hier entschiedenen Streitfall ist danach nur dann von einem gegen den Kläger gerichteten Vorsteuerberichtigungsanspruch auszugehen, wenn der Kläger umsatzsteuerrechtlich -entsprechend der zivilrechtlichen Beurteilung- aufgrund der geänderten BFH-Rechtsprechung11 auch im Streitjahr -neben seiner Ehefrau- Vermieter des Hotelgrundstücks war12.

Demgegenüber folgt aus der früheren, durch das BFH, Urteil in BFHE 263, 90 aufgegebenen Rechtsprechung, dass im Streitjahr umsatzsteuerrechtlich eine Vermietung -und dann Veräußerung- des Hotelgrundstücks durch eine vom Kläger personenverschiedene Bruchteilsgemeinschaft vorlag13.

Letzteres führte dazu, dass eine Vorsteuerberichtigung -im Hinblick auf eine dann im Verhältnis von Ehemann und Bruchteilsgemeinschaft vorliegende Geschäftsveräußerung nach § 1 Abs. 1a UStG14 gemäß § 1 Abs. 1a i.V.m. § 15a Abs.  10 UStG- bei dieser, nicht aber beim Kläger vorzunehmen wäre15.

Bundesfinanzhof, Beschluss vom 28. August 2023 – V B 44/22

  1. Festhalten an BFH, Urteile vom 22.11.2018 – V R 65/17, BFHE 263, 90; und vom 07.05.2020 – V R 1/18, BFHE 270, 146[]
  2. BFH, Urteile vom 25.03.1993 – V R 42/89, BFHE 172, 134, BStBl II 1993, 729; vom 29.04.1993 – V R 38/89, BFHE 172, 137, BStBl II 1993, 734; und vom 09.09.1993 – V R 63/89, BFH/NV 1994, 589[]
  3. BFH, Urteil vom 06.09.2007 – V R 41/05, BFHE 217, 338, BStBl II 2008, 65, Leitsätze 1 bis 3[]
  4. BFH, Urteil in BFHE 217, 338, BStBl II 2008, 65, unter II. 5. sowie zur Berichtigungspflicht nach § 15a UStG unter II. 3.[]
  5. BFH, Urteile vom 22.11.2018 – V R 65/17, BFHE 263, 90; und vom 07.05.2020 – V R 1/18, BFHE 270, 146[]
  6. vgl. BFH, Urteile in BFHE 263, 90, Rz 28 ff. und in BFHE 270, 146, Rz 29[]
  7. EuGH, Urteil DGRFP Cluj vom 16.02.2023 – C-519/21, EU:C:2023:106, Rz 70 f.[]
  8. vgl. z.B. Staudinger/von Proff, BGB § 741 Rz 160 und ebenso -dem BFH, Urteil in BFHE 263, 90 ausdrücklich zustimmend- MünchKomm-BGB/K. Schmidt, 8. Aufl., § 741 Rz 24[]
  9. vgl. z.B. BFH, Urteil vom 18.09.2019 – XI R 19/17, BFHE 267, 98, BStBl II 2020, 172, Rz 15[]
  10. BT-Drs.20/4729, S. 60 und 150[]
  11. BFH, Urteile in BFHE 263, 90 und in BFHE 270, 146[]
  12. zur Vermieterstellung bei Bruchteilsgemeinschaften vgl. BFH, Urteil in BFHE 263, 90, Rz 20, m.w.N. zur Rechtsprechung des BGH; sowie zuletzt z.B. BGH, Beschluss vom 28.04.2022 – V ZB 4/21, Wertpapier-Mitteilungen/Zeitschrift für Wirtschafts- und Bankrecht -WM- 2022, 1190, Rz 9[]
  13. vgl. BFH, Urteil in BFHE 217, 338, BStBl II 2008, 65, unter II. 5. zur Vermietung[]
  14. BFH, Urteil in BFHE 217, 338, BStBl II 2008, 65[]
  15. vgl. z.B. Nieskens in Rau/Dürrwächter, Umsatzsteuergesetz, § 1 Rz 1355 und Jansen in Birkenfeld/Wäger, Umsatzsteuer-Handbuch, § 1 Abs. 1a Rz 445 ff.[]
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