Umsatzsteuerbefreiung im Bereich der Jugenderziehung

Die Beherbergung und Verköstigung von Jugendlichen für ca. eine Woche in einem Urlaubsaufenthalt mit Freizeitangebot und Freizeitgestaltung erfüllt die in § 4 Nr. 23 UStG 1993 und 1999 vorausgesetzte „Aufnahme zu Erziehungs-, Ausbildungs- und Fortbildungszwecken“ nicht.

Umsatzsteuerbefreiung im Bereich der Jugenderziehung

Nach § 4 Nr. 23 Satz 1 UStG ist die Gewährung von Beherbergung, Beköstigung und der üblichen Naturalleistungen durch Personen und Einrichtungen steuerfrei, wenn sie überwiegend Jugendliche für Erziehungs-, Ausbildungs- oder Fortbildungszwecke oder für Zwecke der Säuglingspflege bei sich aufnehmen, soweit die Leistungen an die Jugendlichen oder an die bei ihrer Erziehung, Ausbildung, Fortbildung oder Pflege tätigen Personen ausgeführt werden. Jugendliche im Sinne dieser Vorschrift sind alle Personen vor Vollendung des 27. Lebensjahres (§ 4 Nr. 23 Satz 2 UStG).

§ 4 Nr. 23 UStG setzt eine „Aufnahme bei sich“ für Erziehungs-, Ausbildungs- oder Fortbildungszwecke voraus. Die Steuerbefreiung beruht im Wesentlichen auf der Neufassung des § 4 Nr. 13 UStG durch das Zweite Umsatzsteueränderungsgesetz vom 30. Juli 1952. Sie sollte die bereits bestehende Umsatzsteuerbegünstigung dahingehend erweitern, dass diese auch Schullandheimen und anderen mit Schul- und Erziehungsmaßnahmen in Zusammenhang stehenden Einrichtungen und damit umfassend Einrichtungen im Bereich der Jugenderziehung und -ausbildung zugute kommen. § 4 Nr. 23 UStG schreibt zwar eine bestimmte Aufnahmedauer nicht vor. Es genügt deshalb, wenn die Aufnahme solange andauert, dass der im Gesetz vorausgesetzte Erziehungszweck erreicht werden kann. Der BFH hat daher bereits 1964 (BFHE 78, 280, BStBl III 1964, 110) eine fünfstündige Aufnahme von Schülern an allen Schultagen in der Arbeits- und Freizeit als ausreichend beurteilt.

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Abzugrenzen ist die Aufnahme zu Erziehungs-, Ausbildungs- oder Fortbildungszwecken jedoch von Leistungen der Beherbergung und Verköstigung während eines kurzfristigen Urlaubsaufenthalts mit Freizeitangebot und Freizeitgestaltung. Hierbei kann dahinstehen, ob entsprechend Abschn. 117 Abs. 2 Satz 4 UStR 1996 (nunmehr Abschn. 117 Abs. 4 Satz 4 UStR 2008) bei Kindergärten, Kindertagesstätten und Kinderheimen eine Aufnahmedauer von mindestens einem Monat für die Annahme eines Erziehungszwecks ausreichen. Der Senat braucht hierüber nicht zu entscheiden. Die Beherbergung und Verköstigung von Jugendlichen für ca. eine Woche in einem Urlaubsaufenthalt mit Freizeitangebot und Freizeitgestaltung erfüllt die im Gesetz vorausgesetzte „Aufnahme zu Erziehungs-, Ausbildungs- und Fortbildungszwecken“ jedenfalls nicht.

Allerdings kann möglicherweise unmittelbar auf die gemeinschaftsrechtliche Steuerbefreiung des Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. h der Richtlinie 77/388/EWG eingreifen. Nach Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. h der Richtlinie 77/388/EWG befreien die Mitgliedstaaten die eng mit der Kinder- und Jugendbetreuung verbundenen Dienstleistungen und Lieferungen von Gegenständen durch Einrichtungen des öffentlichen Rechts oder andere von dem betreffenden Mitgliedstaat als Einrichtung mit sozialem Charakter anerkannten Einrichtungen von der Mehrwertsteuer. Diese Befreiung setzt, wenn die befreiten Leistungen nicht von einer Einrichtung des öffentlichen Rechts erbracht werden, die Anerkennung durch den betreffenden Mitgliedstaat voraus. Auf diese Befreiung, die nicht hinreichend in innerstaatliches Recht umgesetzt worden ist, kann sich der Steuerpflichtige unmittelbar berufen.

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Leistungen der Kinder- und Jugendbetreuung sind hiernach jedoch nur steuerfrei, wenn sie von „Einrichtungen des öffentlichen Rechts oder anderen (privaten) Einrichtungen, die von dem betreffenden Mitgliedstaat als Einrichtung mit im wesentlichen sozialen Charakter anerkannt worden sind“, erbracht werden (BFHE 219, 428, BStBl II 2008, 634).

Des Weiteren ist in diesen Fällen allerdings zu prüfen, ob der Steuerfreiheit Art. 13 Teil A Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 77/388/EWG entgegensteht. Hiernach ist, wie der BFH im April 2008 entschieden hat, die Befreiung ist für Leistungen ausgeschlossen, die nicht unerlässlich sind oder im Wettbewerb zu gewerblichen Unternehmen durchgeführt werden.

Bundesfinanzhof, Urteil vom 30. Juli 2008 – V R 66/06