Das Finanzamt ist berechtigt, in einem laufenden Insolvenzverfahren einen Umsatzsteuerbescheid zu erlassen, in dem eine negative Umsatzsteuer für einen Besteuerungszeitraum vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens festgesetzt wird, wenn sich daraus keine Zahllast ergibt.

Erlass des Umsatzsteuer(erstattungs)bescheides nach Insolvenzeröffnung
Das Finanzamt war hierfür nicht aufgrund von § 251 Abs. 2 AO i.V.m. § 87 InsO gehindert, den Umsatzsteuerbescheid zu erlassen.
Nach § 87 InsO, der über die Verweisung in § 251 Abs. 2 AO auch im Steuerrecht zu beachten ist, können die Insolvenzgläubiger ihre Forderungen nur nach den Vorschriften über das Insolvenzverfahren verfolgen. Daraus hat der BFH in ständiger Rechtsprechung abgeleitet, dass Steuerbescheide nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht mehr ergehen dürfen, wenn darin Insolvenzforderungen festgesetzt werden [1]. Ebenso dürfen nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens keine Bescheide mehr erlassen werden, in denen Besteuerungsgrundlagen festgestellt werden, die die Höhe der zur Tabelle anzumeldenden Steuerforderungen beeinflussen könnten [2].
Mit dem angefochtenen Umsatzsteuerbescheid hat das Finanzamt eine negative Umsatzsteuer festgesetzt. Diesem Bescheid fehlt die abstrakte Eignung, sich auf anzumeldende Steuerforderungen auszuwirken. Denn damit hat das Finanzamt keine Insolvenzforderung, die nach § 87 InsO nur nach den Vorschriften über das Insolvenzverfahren verfolgt werden kann, sondern einen Erstattungsbetrag festgesetzt, der nicht zur Tabelle anzumelden war. Da sich auch nach Abrechnung mit den bereits ausgezahlten 1 052,61 € keine Zahllast ergibt, kann sich aus dem Bescheid unter keinen Umständen eine zur Tabelle anzumeldende Forderung ergeben. Auch hat der Umsatzsteuerbescheid –anders als ein Grundlagenbescheid– keine Auswirkungen auf Folgebescheide. Die angesetzten Besteuerungsgrundlagen (Umsätze, Vorsteuern) sind vielmehr unselbständige Teile nur dieses Bescheids (§ 157 Abs. 2 AO).
Soweit das erstinstanzlich mit dem jetzt vom BFH entschiedenen Rechtsstreit befasste Sächsische Finanzgericht meint, ein Steuererstattungsanspruch könnte sich deshalb auf die Insolvenzmasse auswirken, weil ein Insolvenzverwalter damit gegen Steuerforderungen aufrechnen könnte, trifft dies zwar grundsätzlich zu. Die Aufrechnung würde in diesem Fall jedoch auf einer freiwillig abgegebenen Willenserklärung des Insolvenzverwalters beruhen. Es ist nicht erkennbar, wieso die Insolvenzmasse insofern schutzbedürftig sein sollte.
Keine Unterbrechung des Festsetzungsverfahrens durch die Insolvenzeröffnung
Das Festsetzungsverfahren wurde auch nicht mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens analog § 240 Satz 1 ZPO unterbrochen.
Nach § 240 Satz 1 ZPO wird im Falle der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen einer Partei das Verfahren, wenn es die Insolvenzmasse betrifft, unterbrochen, bis es nach den für das Insolvenzverfahren geltenden Vorschriften aufgenommen oder das Insolvenzverfahren beendet wird.
Soweit der BFH diese Norm analog auf das Steuerfestsetzungs- bzw. Feststellungsverfahren angewandt hat [3], betraf dies entweder Steuerbescheide oder Grundlagenbescheide, die abstrakt dazu geeignet waren, sich auf anzumeldende Steuerforderungen auszuwirken. Dies ist hier –wie oben ausgeführt– jedoch nicht der Fall.
Die jetzt vom Bundesfinanzhof vertretene Auffassung entspricht der in der Literatur ganz herrschenden Meinung, nach der nach Insolvenzeröffnung Erstattungsbescheide für Zeiträume vor Insolvenzeröffnung ergehen dürfen [4].
Bundesfinanzhof, Urteil vom 13. Mai 2009 XI R 63/07
- vgl. BFH, Urteile in BFHE 207, 10, BStBl II 2005, 246, zur Rechtslage nach der Konkursordnung; vom 10. Dezember 2008 I R 41/07, BFH/NV 2009, 719, m.w.N.[↩]
- vgl. BFH-Urteil vom 2. Juli 1997 I R 11/97, BFHE 183, 365, BStBl II 1998, 428[↩]
- vgl. z.B. BFH, Urteile in BFHE 183, 365, BStBl II 1998, 428; in BFH/NV 2009, 719; zum Gesamtvollstreckungsverfahren vgl. BFH, Beschluss vom 21. November 2001 VII B 108/01, BFH/NV 2002, 315[↩]
- vgl. Heißenberg, Kölner Steuerdialog 1999, 12128, 12129; Welzel, Deutsche Steuer-Zeitung 1999, 559, 560; Hagen, Die steuerliche Betriebsprüfung 2004, 217, 219; Boochs/Dauernheim, Steuerrecht in der Insolvenz, 3. Aufl., Rz 78; Farr, Die Besteuerung in der Insolvenz, Rz 128; Waza/Uhländer/Schmittmann, Insolvenzen und Steuern, 7. Aufl., Rz 367; a.A. Uhlenbruck, Insolvenzordnung, 12. Aufl., § 80 Rz 20[↩]