Vermietet eine Gemeinde Standflächen bei einer Kirmesveranstaltung auf zivilrechtlicher Grundlage, handelt sie als Unternehmerin (§ 2 Abs. 3 Satz 1 UStG). Die Standplatzvermietung ist im vollen Umfang gemäß § 4 Nr. 12 Buchst. a UStG steuerfrei [1].

Die Gemeinde war bei der Standplatzüberlassung als Unternehmerin tätig.
Nach ständiger BFH-Rechtsprechung ist eine juristische Person des öffentlichen Rechts bei richtlinienkonformer Auslegung von § 2 Abs. 3 Satz 1 UStG i.V.m. § 4 KStG entsprechend Art. 4 Abs. 5 der Richtlinie 77/388/EWG Unternehmer, wenn sie eine wirtschaftliche und damit eine nachhaltige Tätigkeit zur Erbringung entgeltlicher Leistungen (wirtschaftliche Tätigkeit) ausübt, die sich innerhalb ihrer Gesamtbetätigung heraushebt. Handelt sie dabei auf privatrechtlicher Grundlage durch Vertrag, kommt es auf weitere Voraussetzungen nicht an. Gestattet z.B. eine Gemeinde gegen Entgelt die Nutzung einer Sporthalle und Freizeithalle, ist sie gemäß § 2 Abs. 3 Satz 1 UStG i.V.m. § 4 KStG als Unternehmer tätig, wenn sie ihre Leistung entweder auf zivilrechtlicher Grundlage oder ‑im Wettbewerb zu Privaten- auf öffentlich-rechtlicher Grundlage erbringt [2]. Der Bundesfinanzhof hält an dieser Rechtsprechung fest [3].
Im Streitfall war die Gemeinde bei der Leistungserbringung als Unternehmerin tätig, da sie die Standplätze nach dem vom Finanzgericht ausdrücklich in Bezug genommenen Mustervertrag „über die Zusage eines Standplatzes“ auf zivilrechtlicher Rechtsgrundlage, nicht aber öffentlich-rechtlich überließ. Im Hinblick auf die Höhe der von der Gemeinde vereinnahmten Entgelte ist auch von einem Herausheben aus der wirtschaftlichen Gesamtbetätigung der Gemeinde auszugehen.
Die Gemeinde erbrachte bei der Standplatzüberlassung ausschließlich steuerfreie Leistungen.
Steuerfrei ist gemäß § 4 Nr. 12 Buchst. a UStG die Vermietung und Verpachtung von Grundstücken.
Ob eine Vermietungs- oder Verpachtungstätigkeit vorliegt, richtet sich umsatzsteuerrechtlich aufgrund richtlinienkonformer Auslegung nicht nach den Vorschriften des nationalen Zivilrechts [4]. Das grundlegende Merkmal des umsatzsteuerrechtlichen Begriffs der „Vermietung von Grundstücken“ i.S. von Art. 13 Teil B Buchst. b der Richtlinie 77/388/EWG ‑seit 1.01.2007 Art. 135 Abs. 1 Buchst. l MwStSystRL- besteht vielmehr darin, dem Vertragspartner auf bestimmte Zeit gegen eine Vergütung das Recht einzuräumen, ein Grundstück so in Besitz zu nehmen, als wäre er dessen Eigentümer, und jede andere Person von diesem Recht auszuschließen [5].
Entgegen der früheren BFH-Rechtsprechung kann nach dem BFH, Urteil vom 24.01.2008 – V R 12/05 [6] die Überlassung von Standplätzen durch den Veranstalter von Wochenmärkten an Markthändler nach den vorstehenden Grundsätzen als einheitliche Vermietungsleistung anzusehen sein. Entscheidend ist hierfür, ob eine einheitliche Leistung vorliegt, bei der das Vermietungselement prägend ist.
Dies stimmt mit der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union überein. So hat der Unionsgerichtshof in seinem „Field Fischer Waterhouse“-Urteil [7] entschieden, dass eine Vermietung von Grundstücken und die mit dieser Vermietung zusammenhängenden Dienstleistungen eine einheitliche Leistung darstellen können, wobei z.B. der Umstand, dass Dienstleistungen grundsätzlich von einem Dritten erbracht werden könnten, nicht den Schluss zulässt, dass diese keine einheitliche Leistung darstellen.
Die Rechtsprechungsänderung durch das BFH, Urteil in BFHE 221, 310, BStBl II 2009, 60 wirkt sich auch auf die Standplatzüberlassung bei Kirmesveranstaltungen aus. Wie das Finanzgericht zutreffend entschieden hat, ist eine derartige Standplatzüberlassung in vollem Umfang steuerfrei und nicht in eine steuerpflichtige und eine steuerfreie Leistung aufzuteilen. Der Bundesfinanzhof hält daher auch insoweit an seiner dem entgegenstehenden Rechtsprechung [8] nicht mehr fest.
Das Vorliegen einer insgesamt steuerfreien Leistung ergibt sich im Streitfall daraus, dass die Überlassung der Standplätze das wesentliche Leistungselement war. Die darüber hinaus erbrachten Leistungen sind lediglich als Nebenleistungen anzusehen, da es dem jeweiligen Händler gerade darauf ankommt, unter Ausschluss anderer Händler für die Dauer der Kirmes eine Standfläche zu erhalten, von der aus er sein Warensortiment vertreiben kann. Die Organisationsleistung der Gemeinde sowie die Bereitstellung von Strom und die Reinigung sind danach für die Händler nur im Hinblick auf die Verkaufsmöglichkeit im Rahmen ihres Standplatzes von Interesse. Die besondere Bedeutung der Standplätze für die Händler sowie die Abhängigkeit der „Serviceleistungen“ von der Überlassung der Standplätze rechtfertigen es, diese auch dann als Nebenleistung zu einer dann einheitlichen steuerfreien Leistung anzusehen, wenn die Attraktivität einzelner Wochenmärkte durch vereinzelte „Sonderveranstaltungen“ gesteigert wird.
Bundesfinanzhof, Urteil vom 13. Februar 2014 – V R 5/13
- Fortführung der Rechtsprechung vom 24.01.2008 – V R 12/05, BFHE 221, 310, BStBl II 2009, 60[↩]
- vgl. z.B. zuletzt BFH, Urteile vom 10.11.2011 – V R 41/10, BFHE 235, 554; und vom 01.12 2011 – V R 1/11, BFHE 236, 235[↩]
- vgl. zur bislang unterbliebenen Veröffentlichung der BFH-Rechtsprechung zu § 2 Abs. 3 UStG im BStBl z.B. Lohse/Zanzinger, Deutsches Steuerrecht 2013, 1105 ff., 1109[↩]
- BFH, Urteile vom 07.07.2011 – V R 41/09, BFHE 234, 513, BStBl II 2014, 73, unter II. 2.b; und vom 08.11.2012 – V R 15/12, BFHE 239, 509, BStBl II 2013, 455, unter II. 1.a[↩]
- vgl. EuGH, Urteile vom 16.12 2010 – C‑270/09, MacDonald Resorts Ltd., Slg. 2010, I‑13179 Rdnr. 46; vom 06.12 2007 – C‑451/06, Walderdorff, Slg. 2007, I‑10637 Rdnr. 17; vom 12.06.2003 – C‑275/01, Sinclair Collis, Slg. 2003, I‑5965 Rdnr. 25; vom 04.10.2001 – C‑326/99, Goed Wonen, Slg. 2001, I‑6831 Rdnr. 55; vom 09.10.2001 – C‑108/99, Cantor Fitzgerald International, Slg. 2001, I‑7257 Rdnr. 21; vom 09.10.2001 – C‑409/98, Mirror Group, Slg. 2001, I‑7175 Rdnr. 31[↩]
- BFHE 221, 310, BStBl II 2009, 60[↩]
- EuGH, Urteil vom 27.09.2012 – C‑392/11, Field Fischer Waterhouse, UR 2012, 964[↩]
- BFH, Urteile vom 07.04.1960 – V 142/58 U, BFHE 71, 41, BStBl III 1960, 261; und vom 25.04.1968 – V 120/64, BFHE 93, 393, BStBl II 1969, 94[↩]