Umsatzsteuerfreiheit von Supervisionsleistungen

Umsätze einer Supervisorin können nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. j MwStSystRL steuerfrei sein. Art. 132 Abs. 1 Buchst. j MwStSystRL erfasst auch Unterrichtseinheiten, die sich auf Ausbildung, Fortbildung oder berufliche Umschulung beziehen. Die Anforderungen, die der EuGH an die Steuerfreiheit des Schul- und Hochschulunterrichts stellt, gelten hierfür nicht.

Umsatzsteuerfreiheit von Supervisionsleistungen

Bei Supervisionsleistungen kommt eine Steuerfreiheit nach nationalem Recht nicht in Betracht, da eine Anwendung von § 4 Nr. 21 Buchst. a Doppelbuchst. bb UStG am dort genannten Bescheinigungserfordernis und eine Anwendung von § 4 Nr. 22 Buchst. a UStG an den dort aufgeführten unternehmerbezogenen Voraussetzungen scheitert. Ebenso kommt eine Steuerfreiheit nach § 4 Nr. 14 UStG nicht in Betracht. Die Supervisionsleistungen sind keine Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin, da es hierfür nicht ausreicht, wenn bei Supervisionen auch bei Heilbehandlungen eingesetzte Methoden angewandt werden und diese auch der gesundheitlichen Prophylaxe dienen können1.

Die Unterrichtsleistungen der Supervisorin sind aber gemäß Art. 132 Abs. 1 Buchst. j MwStSystRL steuerfrei. Diese Bestimmung befreit den von Privatlehrern erteilten Schul- und Hochschulunterricht und weist damit eine leistungs- und eine unternehmerbezogene Voraussetzung auf.

Die Supervisorin erfüllt die leistungsbezogenen Voraussetzungen dieses Tatbestandes.

Aufgrund von Unterschieden in den verschiedenen Sprachfassungen der Bestimmung erfasst die Steuerfreiheit nach der EuGH-Rechtsprechung „Unterrichtseinheiten, die von Unterrichtenden … erteilt werden und sich auf Schul- und Hochschulunterricht beziehen“, wobei diese Unterrichtseinheiten „die Vermittlung von Kenntnissen und Fähigkeiten durch den Unterrichtenden an Schüler oder Studierende im Rahmen einer Ausbildung im Hinblick auf die Ausübung einer Berufstätigkeit einschließen“2. Unerheblich ist dabei, dass Buchst. j anders als Buchst. i des Art. 132 MwStSystRL neben dem Schul- und Hochschulunterricht nicht ausdrücklich die Aus- und Fortbildung erwähnt3. Es besteht zudem keine Beschränkung auf Unterricht, der zu einer Abschlussprüfung oder zur Erlangung einer Qualifikation führt oder der eine Ausbildung im Hinblick auf die Ausübung einer Berufstätigkeit vermittelt; vielmehr kann der Unterricht auch andere Tätigkeiten einschließen4. Dementsprechend hat der Bundesfinanzhof bereits ausdrücklich entschieden, dass Art. 132 Abs. 1 Buchst. j MwStSystRL auch Unterrichtseinheiten erfasst, die sich auf Ausbildung, Fortbildung oder berufliche Umschulung beziehen, so dass danach auch Supervisionsleistungen steuerfrei sein können5.

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Danach liegen die leistungsbezogenen Voraussetzungen für die Steuerfreiheit im Streitfall vor. Nach den Feststellungen der Vorinstanz, die revisionsrechtlich nicht zu beanstanden sind (§ 118 Abs. 2 FGO), hat die Supervisorin Sozialarbeiter, Sozialpädagogen sowie andere in der Pflege tätige Arbeitnehmer im Auftrag deren Arbeitgeber in ihrer eigenen Handlungskompetenz insbesondere gegenüber den jeweiligen Klienten geschult und weiterentwickelt. Dabei war der Gegenstand der Supervisionseinheiten die Vermittlung im beruflichen Alltag erforderlicher Kompetenzen, nicht die Lösung persönlicher Probleme der Teilnehmer im Sinne einer Therapie. Ziel der Tätigkeit der Supervisorin war nach den Feststellungen an erster Stelle das gemeinsame Erarbeiten von Lösungen und Handlungsmustern, die dazu befähigen sollten, künftig im beruflichen Umfeld auftretende Schwierigkeiten selbst oder gegenseitig kollegial zu überwinden. Damit war nicht die Beratung für die Bewältigung von konkreten Einzelfällen der Gegenstand der Tätigkeit der Supervisorin, sondern die Vermittlung unterschiedlicher, für den beruflichen Alltag der Teilnehmer erforderlicher Kompetenzen durch Reflektion bisheriger Erfahrungen der teilnehmenden Personen. Die Leistungen der Supervisorin bezogen sich nach den tatsächlichen Feststellungen auch nicht auf Veranstaltungen mit bloßem Freizeitcharakter. Dafür spricht auch die Tatsache, dass die Auftraggeber der Supervisorin nicht die Teilnehmer der durch sie durchgeführten Veranstaltungen selbst, sondern vielmehr deren Arbeitgeber waren.

Auf die Anforderungen, die der EuGH an die Steuerfreiheit des Schul- und Hochschulunterrichts i.S. des Art. 132 Abs. 1 Buchst. i und j MwStSystRL stellt6, kommt es im Streitfall entgegen der Auffassung des Finanzamtes nicht an, da sich die Voraussetzungen nicht auf den gesondert zu betrachtenden Bereich der Aus- und Fortbildung beziehen7.

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Der Unterricht wird zudem unternehmerbezogen von einem Privatlehrer im Sinne dieser Bestimmung erteilt, wenn der Lehrer Träger der Bildungseinrichtung ist und für eigene Rechnung und in eigener Verantwortung handelt8. Steuerfreie Unterrichtseinheiten können auch mehreren Personen gleichzeitig erteilt werden9.

Danach war die Supervisorin auch als „Privatlehrerin“ i.S. des Art. 132 Abs. 1 Buchst. j MwStSystRL tätig, da sie für eigene Rechnung und in eigener Verantwortung handelte. Sie war auch Trägerin der Bildungseinrichtung, da es den Auftraggebern der Supervisorin um die Aus- und Fortbildung des eigenen Personals ging10. Sie haben die Leistungen der Supervisorin nicht bezogen, um ihrerseits entgeltliche Unterrichtsleistungen an ihre Arbeitnehmer zu erbringen, sondern um als Arbeitgeber ihre Arbeitnehmer fortzubilden. Träger der Bildungseinrichtung, an der die Fortbildungsmaßnahmen erbracht wurden, war daher die Supervisorin. Ohne Bedeutung ist daher im Streitfall, dass der EuGH die Privatlehrereigenschaft grundsätzlich versagt, wenn der Auftraggeber des Unterrichtenden die Leistung dazu verwendet, als eigenständige Bildungseinrichtung entgeltliche Unterrichtsleistungen zu erbringen11.

Bundesfinanzhof, Beschluss vom 22. Juni 2022 – XI R 32/21

  1. vgl. BFH, Urteil vom 30.06.2005 – V R 1/02, BFHE 210, 188, BStBl II 2005, 675[]
  2. EuGH, Urteil Eulitz vom 28.01.2010 – C-473/08, EU:C:2010:47, Rz 21 ff., 33[]
  3. EuGH, Urteil Eulitz, EU:C:2010:47, Rz 34[]
  4. vgl. EuGH, Urteil Eulitz, EU:C:2010:47, Rz 29; BFH, Urteile vom 28.05.2013 – XI R 35/11, BFHE 242, 250, BStBl II 2013, 879, Rz 42, m.w.N.[]
  5. BFH, Urteile vom 20.03.2014 – V R 3/13, BFHE 245, 391, Rz 19 f.; und vom 24.01.2019 – V R 66/17, BFH/NV 2019, 593, Rz 10[]
  6. EuGH, Urteil Dubrovin & Tröger – Aquatics, EU:C:2021:873[]
  7. zutreffend Alvermann/Esteves Gomes in Wäger, UStG, 2. Aufl., § 4 Nr. 21 Rz 43[]
  8. vgl. EuGH, Urteile Haderer vom 14.06.2007 – C-445/05, EU:C:2007:344, Rz 30; Eulitz, EU:C:2010:47, Rz 52 ff.; BFH, Urteile vom 27.09.2007 – V R 75/03, BFHE 219, 250, BStBl II 2008, 323, Rz 40; vom 15.12.2021 – XI R 3/20, BFH/NV 2022, 1010, Rz 39, m.w.N.[]
  9. vgl. EuGH, Urteil Haderer, EU:C:2007:344, Rz 31[]
  10. vgl. BFH, Urteil in BFHE 245, 391, Rz 24[]
  11. vgl. EuGH, Urteil Eulitz, EU:C:2010:47, Rz 52 ff.[]
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