Die Veräußerung gebrauchter Geldspielautomaten mit Gewinnmöglichkeit, die der Unternehmer ausschließlich zur Ausführung –nach unmittelbarer Berufung auf Art. 13 Teil B Buchst. f der Richtlinie 77/388/EWG– steuerfreier Umsätze verwendet hat, ist gemäß § 4 Nr. 28 UStG 1999 steuerfrei.

Beim Verkauf der gebrauchten Geldspielautomaten mit Gewinnmöglichkeit (hier: in den Jahren 2002 bis 2004) ist die Vorsteuer nicht nach § 15a Abs. 1 Satz 1, § 15a Abs. 4 UStG a.F. zu berichtigen ist.
Ändern sich bei einem Wirtschaftsgut innerhalb von fünf Jahren ab dem Zeitpunkt der erstmaligen Verwendung die für den ursprünglichen Vorsteuerabzug maßgebenden Verhältnisse, ist nach § 15a Abs. 1 Satz 1 UStG 1999 i.d.F. des Steueränderungsgesetzes 2001 [1] für jedes Kalenderjahr der Änderung ein Ausgleich durch eine Berichtigung des Abzugs der auf die Anschaffungs- oder Herstellungskosten entfallenden Vorsteuerbeträge vorzunehmen.
Eine Änderung der Verhältnisse lag nach § 15a Abs. 4 UStG a.F. auch vor, wenn das noch verwendungsfähige Wirtschaftsgut vor Ablauf des maßgeblichen Berichtigungszeitraums veräußert wurde und dieser Umsatz anders zu beurteilen war als die für den ursprünglichen Vorsteuerabzug maßgebliche Verwendung.
Die Voraussetzungen von § 15a Abs. 1 Satz 1, § 15a Abs. 4 UStG a.F. sind nicht erfüllt.
In dem hier vom Bundefinanzhof entschiedenen Fall hatte der Kläger in den Streitjahren 2002 bis 2004 wegen der Absicht, die Eingangsleistungen für –nach nationalem Recht– steuerpflichtige Ausgangsumsätze zu verwenden, den Vorsteuerabzug aus den Anschaffungskosten der in den Streitjahren gebraucht veräußerten Geldspielautomaten mit Gewinnmöglichkeit nach § 15 Abs. 1 und 2 UStG im Anschaffungszeitpunkt zunächst zu Recht in Anspruch genommen. Die Umsätze aus dem Betrieb von Geldspielautomaten mit Gewinnmöglichkeit waren nach § 4 Nr. 9 Buchst. b UStG in der bis zum 5.05.2006 geltenden Fassung steuerpflichtig.
Die Berufung des Klägers auf die unionsrechtliche Steuerbefreiung im Jahr 2006 für die Besteuerungszeiträume ab 1999 im Nachgang zu der Entscheidung des EuGH –Linneweber und Akritidis– [2] und der hierzu ergangenen Nachfolgeentscheidung des Bundesfinanzhofs [3] führte zur Berichtigung des Vorsteuerabzugs in den nach § 164 Abs. 2 Satz 1 AO noch offenen Streitjahren 2002 bis 2004. Die Vorsteuerbeträge aus der Anschaffung der Geldspielgeräte konnte der Kläger –zwischen den Beteiligten unstreitig– nicht mehr zum Abzug bringen, da aus Aufwendungen für Eingangsleistungen, die in direktem und unmittelbarem Zusammenhang mit steuerfreien Ausgangsumsätzen stehen, ein Vorsteuerabzug nach § 15 Abs. 1 und 2 UStG und Art. 17 der Richtlinie 77/388/EWG nicht in Betracht kommt [4].
An der Verwendung für nunmehr steuerfreie Ausgangsumsätze hat –wie das Finanzgericht zutreffend entschied– die Veräußerung der Geldspielautomaten mit Gewinnmöglichkeit nichts geändert. Auch der Verkauf der gebrauchten Geräte ist umsatzsteuerfrei.
Die Umsätze aus der Lieferung von Gegenständen waren –soweit hier von Belang– nach § 4 Nr. 28 UStG steuerfrei, wenn der Unternehmer die gelieferten Gegenstände ausschließlich für eine nach § 4 Nr. 8 bis 27 UStG steuerfreie Tätigkeit verwendet hatte.
Wie der Gesetzesbegründung zu § 4 Nr. 28 UStG zu entnehmen ist, dient „die Regelung … der Vereinfachung, weil hierdurch in diesen Fällen eine Berichtigung des Vorsteuerabzugs nach § 15a nicht mehr erforderlich ist“ [5]. Die Vorschrift soll hiernach ein Korrekturverfahren nach § 15a UStG vermeiden, wenn der Unternehmer Gegenstände liefert, die er ausschließlich für eine steuerfreie, den Vorsteuerabzug versagende Tätigkeit verwendet hat. Denn die Unternehmer sollen –so die Gesetzesbegründung weiter– in diesen Fällen mit der Vorsteuer belastet bleiben, die ihnen von anderen Unternehmern bei dem Erwerb der Gegenstände in Rechnung gestellt worden sind [5].
Der Sinn dieser (Vereinfachungs-)Regelung liegt mithin darin, dass bei Erwerb der Gegenstände der Vorsteuerabzug gemäß § 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UStG versagt wurde und eine Veräußerung bzw. ein Eigenverbrauch durch Entnahme ohne die in § 4 Nr. 28 UStG vorgesehene Steuerbefreiung entweder zu einer doppelten Belastung mit Umsatzsteuer oder zu einer Vorsteuerkorrektur nach § 15a UStG führen müsste [6].
Dies entspricht auch dem Unionsrecht. Nach Art. 13 Teil B Buchst. c der Richtlinie 77/388/EWG befreien die Mitgliedstaaten von der Umsatzsteuer u.a. die Lieferungen von Gegenständen, die ausschließlich für eine aufgrund dieses Artikels –wie im Streitfall Art. 13 Teil B Buchst. f der Richtlinie 77/388/EWG, auf deren unmittelbaren Anwendung sich der Kläger berufen hatte– von der Steuer befreite Tätigkeit bestimmt waren, wenn für diese Gegenstände kein Vorsteuerabzug vorgenommen werden konnte. Nach der Rechtsprechung des EuGH soll die Verpflichtung der Mitgliedstaaten, die Lieferung dieser Gegenstände von der Steuer zu befreien, eine Doppelbesteuerung verhindern, die dem Grundsatz der Steuerneutralität zuwiderliefe, der dem gemeinsamen Mehrwertsteuersystem zugrunde liegt [7].
Hiernach sind die streitigen Veräußerungsumsätze nach § 4 Nr. 28 UStG als steuerfrei zu behandeln.
Der Sinn und Zweck des § 4 Nr. 28 UStG gebietet es, Veräußerungsumsätze auch dann steuerfrei zu behandeln, wenn der Abzug der Vorsteuer aus ihren Anschaffungskosten in unmittelbarer Anwendung des Art. 13 Teil B Buchst. f der Richtlinie 77/388/EWG nach § 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UStG ausgeschlossen war [8].
Zwar waren –was hier allein in Betracht kommt– nach § 4 Nr. 9 Buchst. b Satz 1 UStG a.F. nur die Glücksspielumsätze, „die unter das Rennwett- und Lotteriegesetz fallen, sowie die Umsätze der zugelassenen öffentlichen Spielbanken, die durch den Betrieb der Spielbank bedingt sind“, umsatzsteuerfrei. Der Wortlaut des § 4 Nr. 28 UStG ist jedoch nach Sinn und Zweck dahingehend auszulegen, dass nach § 4 Nr. 9 Buchst. b Satz 1 UStG „steuerfreie Tätigkeit“ als das Betreiben (die Tätigkeit) von steuerfreiem Glücksspiel zu verstehen ist. Hierbei ist es vom Gesetzeszweck des § 4 Nr. 28 UStG her geboten, die Anwendung nicht nur auf nach nationalem Umsatzsteuerrecht steuerfreie Glücksspieltätigkeiten zu beschränken, sondern auch solche Tätigkeiten einzubeziehen, die nach unmittelbarerer Berufung des Steuerpflichtigen auf das Unionsrecht –wie im Streitfall Art. 13 Teil B Buchst. f der Richtlinie 77/388/EWG– steuerfrei sind.
Der Auffassung des Klägers, § 4 Nr. 28 UStG erfasse –entsprechend seinem Wortlaut– nur die Lieferung von Gegenständen, die der Unternehmer ausschließlich „für eine nach den Nummern 8 bis 27 steuerfreie Tätigkeit“ verwendet hat, so dass die Vorschrift nur anwendbar sei, wenn eine dieser Steuerbefreiungsvorschriften (tatsächlich) eingreife, vermag der BFH nicht zu folgen.
Durch die Bezugnahme auf § 4 Nr. 8 bis 27 UStG hat der Gesetzgeber zum Ausdruck gebracht, dass § 4 Nr. 28 UStG die (entgeltlichen) Lieferungen von Gegenständen erfasst, für die der Vorsteuerabzug nach § 15 Abs. 2 UStG ausgeschlossen ist [9]. Dieser Ausschluss vom Vorsteuerabzug tritt –wie dargelegt– auch dann ein, wenn sich ein Steuerpflichtiger für Umsätze, die nach den Vorgaben des Unionsrechts (an sich) gemäß § 4 Nr. 9 UStG steuerbefreit sein müssten, auf die Steuerfreiheit seiner Umsätze nach der entsprechenden Bestimmung in Art. 13 Teil B Buchst. f der Richtlinie 77/388/EWG berufen hat.
Die Anwendbarkeit des § 4 Nr. 28 UStG in Fällen dieser Art läuft damit entgegen der Auffassung des Klägers nicht der Systematik des UStG zuwider, sondern wird nach dem vom Gesetzgeber angestrebten Zweck der Vorschrift von dieser Systematik geradezu gefordert.
Soweit der Kläger schließlich geltend macht, die Möglichkeit, dass Bürger sich unmittelbar auf eine Richtlinie der Europäischen Union berufen könnten, sei mindestens seit 1982 bekannt, der Gesetzgeber habe das UStG seitdem viele Male geändert –nicht aber § 4 Nr. 28 UStG–, folgt daraus schon deshalb kein anderes Ergebnis, weil erstmals 2005 –nach den Streitjahren 2002 bis 2004– durch das „Linneweber und Akritidis“-Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union [10] geklärt wurde, dass sich ein Automatenaufsteller auf die Steuerfreiheit nach Art. 13 Teil B Buchst. f der Richtlinie 77/388/EWG berufen kann [11].
Diese Auslegung entspricht auch dem Gebot richtlinienkonformer Auslegung.
Die Rechtsprechung ist sowohl nach nationalem [12] als auch nach Unionsrecht [13] verpflichtet, den Sinn und Zweck einer Norm unter Berücksichtigung ihrer Einordnung in das Gesetz und damit ihres systematisch-teleologischen Zusammenhangs zu ermitteln. Ein Gericht hat sich bei der Auslegung des nationalen Umsatzsteuerrechts so weit wie möglich am Wortlaut und Zweck der einschlägigen unionsrechtlichen Bestimmungen auszurichten [14].
Die hiernach gebotene richtlinienkonforme Auslegung kommt allerdings nur in Betracht, wenn es im konkreten Fall verschiedene Auslegungsmöglichkeiten gibt [15]. Lässt der Gesetzestext –wie hier § 4 Nr. 28 i.V.m. § 4 Nr. 9 Buchst. b Satz 1 UStG a.F.– mehrere Auslegungen zu und ist nur eine mit dem Unionsrecht vereinbar, so ist –wie bei der verfassungskonformen Auslegung im Hinblick auf das Grundgesetz– der Auslegung der Vorzug zu geben, nach der die Norm nicht als unionsrechtswidrig einzustufen ist [16].
Nach vorgenannten Grundsätzen ist § 4 Nr. 28 UStG richtlinienkonform –wie auch nach Sinn und Zweck– im Lichte des Art. 13 Teil B Buchst. c der Richtlinie 77/388/EWG dahingehend auszulegen, dass die Veräußerung gebrauchter Geldspielgeräte steuerfrei ist, wenn der Abzug der Vorsteuer aus ihren Anschaffungskosten –wie hier– in unmittelbarer Anwendung des Art. 13 Teil B Buchst. f der Richtlinie 77/388/EWG nach § 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UStG ausgeschlossen war.
Bundesfinanzhof, Urteil vom 16. Mai 2012 – XI R 24/10
- vom 20.12.2001, BGBl – I 2001, 3794[↩]
- EuGH, Urteil „Linneweber und Akritidis“, Slg. 2005, I‑1131, UR 2005, 194[↩]
- BFH, Urteil in BFHE 210, 164, BStBl II 2005, 617[↩]
- vgl. z.B. BFH, Urteile vom 13.01.2011 – V R 12/08, BFHE 232, 261, BStBl II 2012, 61, unter II.01.b bb; vom 27.01.2011 – V R 38/09, BFHE 232, 278, BStBl II 2012, 68, unter II.02.b aa, jeweils m.w.N. zur Rechtsprechung des EuGH; vom 15.09.2011 – V R 8/11, BFHE 235, 516, BStBl II 2012, 368, unter II.01.b, m.w.N.; BFH, Urteil vom 19.10.2011 – XI R 16/09, BFHE 235, 532, BStBl II 2012, 371, unter II.01.b bb, m.w.N.[↩]
- vgl. Entwurf eines Umsatzsteuergesetzes –UStG 1979–, BT-Drucks. 8/1779, 35[↩][↩]
- vgl. BFH, Urteil vom 26.04.1995 – XI R 75/94, BFHE 177, 551, BStBl II 1995, 746, unter II.02.b, m.w.N.[↩]
- vgl. EuGH, Entscheidungen vom 25.06.1997 – C‑45/95 [Kommission/Italien], Slg. 1997, I‑3605, UR 1997, 441, Rz 15; vom 06.07.2006 C‑18/05 und C‑155/05 [Salus und Villa Maria Beatrice Hospital], Slg. 2006, I‑6199, UR 2007, 67, Rz 30; vom 22.10.2009 C‑242/08 [Swiss Re Germany Holding], Slg. 2009, I‑10099, UR 2009, 891, Rz 63[↩]
- vgl. Klenk in Sölch/Ringleb, Umsatzsteuer, § 4 Nr. 28 Rz 18[↩]
- vgl. Klenk in Sölch/Ringleb, a.a.O., § 4 Nr. 28 Rz 2[↩]
- EuGH, Urteil „Linneweber und Akritidis“ in Slg. 2005, I‑1131, UR 2005, 194[↩]
- vgl. BFH, Urteil vom 23.11.2006 – V R 51/05, BFHE 216, 350, BStBl II 2007, 433, unter II.02.c bb[↩]
- vgl. z.B. BFH, Urteil vom 15.04.2010 – IV R 5/08, BFHE 229, 524, BStBl II 2010, 912, unter II.02.b bb, m.w.N.[↩]
- vgl. z.B. EuGH, Urteil vom 27.11.2003 C‑497/01 [Zita Modes], Slg. 2003, I‑14393, BFH/NV Beilage 2004, 128, Rz 34, m.w.N.[↩]
- vgl. z.B. EuGH, Urteil vom 11.07.2002 C‑62/00 [Marks & Spencer], Slg. 2002, I‑6325, UR 2002, 436, Rz 24, m.w.N.[↩]
- vgl. z.B. BFH, Urteile vom 02.04.1998 – V R 34/97, BFHE 185, 536, BStBl II 1998, 695, unter II.03.b; vom 22.01.2004 – V R 41/02, BFHE 204, 371, BStBl II 2004, 757, unter II.01.; BFH, Urteil vom 15.02.2012 – XI R 24/09, BFHE 236, 267, unter II.02.a; Drüen in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 4 AO Rz 246, m.w.N.[↩]
- vgl. z.B. BFH, Urteile vom 08.09.2010 – XI R 40/08, BFHE 231, 343, BStBl II 2011, 661, unter II.04.; vom 29.06.2011 – XI R 15/10, BFHE 233, 470, BStBl II 2011, 839, unter II.02.; in BFHE 236, 267, unter II.02.b; zur verfassungskonformen Auslegung vgl. Klein/Gersch, AO, 11. Aufl., § 4 Rz 33, m.w.N.[↩]