Verkauf des Geschäftsfahrzeugs ohne Umsatzsteuerausweis

Ein Gegenstand wird nicht allein wegen seiner gleichzeitigen Veräußerung ohne Ausweis von Umsatzsteuer umsatzsteuerfrei aus dem Unternehmensvermögen entnommen.

Verkauf des Geschäftsfahrzeugs ohne Umsatzsteuerausweis

In dem hier vom Finanzgericht Baden-Württemberg entschiedenen Fall hatte das Finanzamt den Verkauf des gebrauchten Pkw B1 an die X GmbH als umsatzsteuerpflichtige Lieferung des Klägers erfasst und den Umsatzsteueranteil aus dem Verkaufserlös zutreffend herausgerechnet. Dies billigte das Finanzgericht Baden-Württemberg im Ergebnis. Entgegen der Auffassung des Klägers war mit dem Verkauf nicht zugleich auch eine als steuerfrei zu behandelnde Entnahme des Pkw aus dem Bereich seines Unternehmens verbunden.

Der Umsatzsteuer unterliegen u. a. auch die Lieferungen, die ein Unternehmer im Rahmen seines Unternehmens gegen Entgelt ausführt (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG). Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs erfolgt die Veräußerung eines Gegenstands indessen nur dann im Rahmen des Unternehmens, wenn der betreffende Gegenstand vorher dem Unternehmensbereich zugeordnet worden war und wenn er nicht vor der Veräußerung bereits aus dem Unternehmen wieder entnommen worden ist1. Dem schließt sich das Finanzgericht Baden-Württemberg an.

Der Kläger hatte den Pkw im November 2006 für Zwecke der Umsatzsteuer insgesamt seinem Unternehmen zugeordnet. Wie der EuGH mit Urteil Bakcsi2 entschieden hat, ergeben sich für einen Unternehmer, der einen Gegenstand zur gemischten (teils unternehmerischen und teils nichtunternehmerischen) Nutzung erwirbt, mehrere Möglichkeiten. Er kann den Gegenstand nämlich entweder insgesamt seinem Unternehmen oder aber insgesamt seinem nichtunternehmerischen Bereich oder aber nur teilweise – nämlich entsprechend dem (geschätzten) unternehmerischen Nutzungsanteil – seinem Unternehmen und im Übrigen seinem nichtunternehmerischen Bereich zuordnen. Dieses Zuordnungswahlrecht besteht in gleicher Weise, wenn der Steuerpflichtige einen Gegenstand – wie im Streitfall – in der Vergangenheit – vor Begründung seiner Unternehmereigenschaft – ausschließlich zur nichtunternehmerischen Nutzung erworben hatte; er kann dann zu einem späteren Zeitpunkt – bei oder nach Gründung seines Unternehmens – erstmals die Entscheidung treffen, ob und gegebenenfalls, in welchem Umfang er den privat erworbenen Gegenstand nunmehr – allerdings ohne die Möglichkeit eines Vorsteuerabzugs – im Wege der Einlage seinem Unternehmen zuordnen will3.

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Dies ist zwischen den Beteiligten im Übrigen auch nicht weiter streitig. Gleichfalls unstreitig ist, dass der Kläger sich bei Aufnahme seiner unternehmerischen Tätigkeit – wie er selbst mit Schreiben vom 11. Februar 2008 im Zuge des Einspruchsverfahrens geltend gemacht hat – dafür entschieden hat, den Pkw, der nun teils unternehmerisch und teils privat genutzt werden sollte, (insgesamt) seinem Unternehmen zuzuordnen. Zu einer hiervon abweichenden Würdigung der Beweisanzeichen des Streitfalls sieht das Finanzgericht keinen Anlass. Dass der Kläger den Pkw bereits vor der Veräußerung an die X GmbH am 15. Juni 2007 wieder – mangels Vorsteuerabzugs steuerfrei (§ 3 Abs. 1b Satz 2 UStG) – aus dem unternehmerischen Bereich entnommen hätte, kann das Finanzgericht nicht feststellen.

In seinem Urteil Bakcsi4 hat der EuGH ausgeführt, dass die Veräußerung eines Investitionsguts, das der Steuerpflichtige in vollem Umfang seinem Unternehmensvermögen zugeführt hat, nach Art. 2 Nr. 1 i. V. m. Art. 11 Teil A Abs. 1 Buchst. a der Sechsten USt-Richtlinie 77/388/EWG5 (jetzt: Art. 2 Abs. 1 Buchst. a i.V.m. Art. 73 der MwStSystRL 2006/112/EG6) in vollem Umfang der Umsatzsteuer unterliegt. Dabei ist der Umstand, dass der Steuerpflichtige den Gegenstand gebraucht erworben hat und daher nicht die auf ihm lastende restliche Vorsteuer abziehen konnte, ohne Bedeutung. Entnimmt der Steuerpflichtige andererseits einen solchen Gegenstand aus seinem Unternehmen, so ist es unzulässig, die Entnahme nach Art. 5 Abs. 6 der Richtlinie 77/388/EWG (jetzt: Art. 16 Abs. 1 MwStSystRL) zu besteuern. Hat der Steuerpflichtige den Gegenstand so aus seinem Unternehmen entnommen, kann er frei darüber verfügen, da ihm diese Vorschriften insoweit keinerlei Schranken auferlegen. Wenn er den Gegenstand später veräußert, so ist diese Leistung mithin seinem privaten Bereich zuzurechnen und unterliegt daher nicht dem Mehrwertsteuersystem. Mit diesem Hinweis darauf, dass der Gegenstand vor der Veräußerung entnommen werden könne, hat der Gerichtshof der Europäischen Union die offenbar als unbefriedigend empfundene Regelung entschärft, dass Unternehmensgegenstände, die – wie im Streitfall – ohne das Recht auf Vorsteuerabzug erworben wurden, zwar unbesteuert entnommen, aber nur besteuert veräußert werden können7.

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Dieser Rechtsprechung hat sich der Bundesfinanzhof8 zwar angeschlossen. Dies ändert aber nichts daran, dass es für die Inanspruchnahme der Steuerfreiheit objektiver Anhaltspunkte für eine vorherige Entnahme bedarf9, die im Streitfall nicht gegeben sind.

Zu Unrecht nimmt der Kläger für sich in Anspruch, dass der Bundesfinanzhof10 eine solche Entnahme mit folgender Begründung angenommen habe: „Der Kläger konnte also den Pkw vor der Veräußerung seinem Unternehmen mit der Folge entnehmen, dass die nachfolgende Veräußerung nicht mehr gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG 1980 im Rahmen seines Unternehmens erfolgte. Er hat dies auch getan. Indem er dem Erwerber des Pkw keine Umsatzsteuer in Rechnung stellte und hierzu in der Steuererklärung vermerkte: „steuerfreier Umsatz (Pkw wurde gebraucht von einer Privatperson gekauft)“, hat er klar zum Ausdruck gebracht, dass er den Pkw nicht steuerpflichtig veräußern wollte. Ein derartiges Verhalten mag zwar grundsätzlich nicht den Schluss rechtfertigen, der Pkw sei vor der Veräußerung entnommen worden. Im Streitfall ist aber zu berücksichtigen, dass der Kläger vor der Vorabentscheidung des EuGH noch keine klaren Vorstellungen davon haben konnte, wie er die Veräußerung des Pkw der Steuerpflicht – zulässigerweise – entziehen konnte. Es muss deshalb genügen, dass er eindeutig erklärt hatte, die Veräußerung nicht versteuern zu wollen.“

Das Finanzamt weist zu Recht darauf hin, so das Finanzgericht, dass sowohl die Aussage: „Ein derartiges Verhalten mag zwar grundsätzlich nicht den Schluss rechtfertigen, der Pkw sei vor der Veräußerung entnommen worden.“, als auch der nachfolgende Hinweis darauf, dass die konkrete Würdigung des BFH dem Umstand geschuldet sei, dass der dort klagende Steuerpflichtige – anders als der Kläger im Streitfall – vor Ergehen des EuGH-Urteils Bakcsi4 noch nicht darum habe wissen können, dass er durch eine Entnahme vor Veräußerung der Umsatzsteuerpflichtigkeit des Verkaufs hätte entgehen können, der Annahme entgegenstehen, allein schon im Nichtausweis der Umsatzsteuer im Gebrauchtwagen-Ankaufsvertrag der X GmbH müsse eine (konkludente) Entnahmehandlung im Sinne der EuGH-Rechtsprechung erblickt werden11. Für Veräußerungen nach Ergehen des EuGH-Urteils Bakcsi in Slg. 2001, I-1831, UVR 2001, 262, jedenfalls aber nach dem Jahr 2006 reicht daher die bloße (wenn auch ausdrückliche) Erklärung des Unternehmers, den Umsatz nicht versteuern zu wollen, als Nachweis für die Entnahmehandlung nicht mehr aus12.

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Dagegen, dass im Streitfall eine solche Entnahme erfolgt sei, spricht daneben auch der Umstand, dass sie zeitlich mit der Lieferung an die X GmbH am gleichen Tag erfolgt sein soll. Das Finanzgericht Baden-Württemberg schließt sich insoweit den Ausführungen des Finanzgerichts Münster in dessen Urteil vom 26. Oktober 200113 an.

Finanzgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 16. Februar 2011 – 1 K 4834/08

  1. BFH, Urteile in BFHE 197, 372, BStBl II 2003, 813; vom 28.02.2002 – V R 25/96, BFHE 198, 216, BStBl II 2003, 815; und vom 02.03.2006 – V R 35/04, BFHE 213, 139, BStBl II 2006, 675[]
  2. EuGH, Urteil „Bakcsi“ in Slg. 2001, I-1831, UVR 2001, 262) im Anschluss an seine Urteile Lennartz und Armbrecht ((EuGH, Urteile vom 11.07.1991 [Lennartz] – C-97/90, Slg. 1991, I-3795, UVR 1992, 19; und vom 04.10.1995 – C-291/92 [Armbrecht], Slg. 1995, I-2775, BStBl II 1996, 392[]
  3. vgl. BFH, Urteil in BFHE 197, 372, BStBl II 2003, 813[]
  4. EuGH, Urteil in Slg. 2001, I-1831, UVR 2001, 262[][]
  5. Sechste Richtlinie des Rates vom 17.05.1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG[]
  6. Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28.11.2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem – Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie[]
  7. Wagner, INF 2006, 650; kritisch und ablehnend gegenüber diesem „Trick“ jedoch Nieskens in Rau/Dürrwächter, Kommentar zum Umsatzsteuergesetz, § 3 Anm. 1295.1, m. w. N.[]
  8. BFH, Urteil in BFHE 197, 372, BStBl II 2003, 814[]
  9. Wagner, INF 2006, 650[]
  10. BFH, Urteil in BFHE 197, 372, BStBl II 2003, 813[]
  11. vgl. auch BFH, Urteil in BFHE 213, 139, BStBl II 2006, 675, für die Anforderungen an eine Entnahme aus dem Unternehmensvermögen bei einer Personengesellschaft[]
  12. vgl. BFH, Beschluss vom 25.08.2003 – V B 254/02, BFH/NV 2004, 95; Fritsch, UStB 2006, 243[]
  13. FG Münster, Urteil vom 26.10.2001 – 5 K 3980/96 U, EFG 2002, 231[]
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