Der Umsatzsteuer unterliegen gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG diejenigen Lieferungen und sonstigen Leistungen, die ein Unternehmer im Inland gegen Entgelt im Rahmen seines Unternehmens ausführt. Die von einem Unternehmen erbrachten Leistungen durch die Vermittlung von Sportwetten werden nicht im Inland ausgeführt, wenn auch die vermittelten Wettumsätze selber nicht im Inland, sondern am Sitz eines Vertragspartners im Ausland ausgeführt werden. Auch wenn der Vertragspartner eine inländische Betriebsstätte hat, sind deshalb nicht die Wettumsätze im Inland ausgeführt worden.

Mit dieser Begründung hat das Hessische Finanzgericht in dem hier vorliegenden Fall der Klage einer im Ausland ansässigen Gesellschaft stattgegeben, die sich dagegen gewehrt hat, dass nach Ansicht des Finanzamtes Umsätze der Klägerin aus der Vermittlung von Sportwetten im Inland steuerbar sind. Im Streitjahr firmierte die Klägerin noch unter „A“ und war unternehmerisch tätig, indem sie in Geschäftsräumen in B Sportwetten der in C ansässigen D vermittelte sowie Getränke an Wettkunden verkaufte. Im Rahmen von drei Umsatzsteuer-Sonderprüfungen für Januar 2007, Februar bis April sowie Juni bis August 2007 und Mai 2007, wurde jeweils die Feststellung getroffen, dass die Umsätze der Klägerin aus der Vermittlung von Wetten für D im Inland steuerbar und steuerpflichtig seien. Bei der Klägerin handele es sich
um eine (rechtlich selbständige) Betriebsstätte von D, so dass die von der Klägerin erbrachten Vermittlungsleistungen nicht gegenüber dem Firmensitz auf C, sondern gegenüber dieser Betriebsstätte erbracht würden. Dementsprechend setzte das Finanzamt die Umsatzsteuer 2007 mit Bescheid fest. Nach erfolglosem Einspruchsverfahren hat die Klägerin Klage erhoben, damit das Finanzamt verpflichtet wird, die Umsatzsteuer zu mindern.
In seiner Urteilsbegründung hat das Hessische Finanzgericht ausgeführt, dass gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG diejenigen Lieferungen und sonstigen Leistungen, die ein Unternehmer im Inland gegen Entgelt im Rahmen seines Unternehmens ausführt, der Umsatzsteuer unterliegen.
Gemäß § 3a Abs. 1 UStG in der im Streitjahr geltenden Fassung (nachfolgend: a.F.) wird eine sonstige Leistung vorbehaltlich der §§ 3b und 3f UStG an dem Ort ausgeführt, von dem aus der Unternehmer sein Unternehmen betreibt. Wird die sonstige Leistung von einer Betriebsstätte ausgeführt, so gilt die Betriebsstätte als der Ort der sonstigen Leistung. Abweichend hiervon wird eine Vermittlungsleistung nach § 3a Abs. 2 Nr. 4 UStG a.F. an dem Ort erbracht, an dem der vermittelte Umsatz ausgeführt wird. Verwendet der Leistungsempfänger gegenüber dem Vermittler eine ihm von einem anderen Mitgliedstaat erteilte Umsatzsteuer0Identifikationsnummer, so gilt die unter dieser Nummer in Anspruch genommene Vermittlungsleistung als in dem Gebiet des anderen Mitgliedstaates ausgeführt. Diese Regelungen gelten nicht für die in Absatz 4 Nr. 10 und in § 3b Abs. 5 und 6 UStG bezeichneten Vermittlungsleistungen. Danach wurde die von der Klägerin erbrachten Leistungen durch die Vermittlung von Sportwetten nicht im Inland ausgeführt, weil auch die vermittelten Wettumsätze selber nicht im Inland, sondern am Sitz der D in C ausgeführt wurden.
Entgegen der Ansicht des FA wurden die Wettumsätze nicht deshalb im Inland ausgeführt, weil die D eine inländische Betriebsstätte gehabt hatte:
aa) § 3a Abs. 1 Satz 1 UStG setzt Art. 9 Abs. 1 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17.05.1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern – Gemeinsames Mehrwertsteuersystem (RL 77/388/EWG) um, welchem Art. 43 der seit dem 01.01.2007 geltenden Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28.11.2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (MwStSystRL) in der im Streitjahr geltenden Fassung (a.F.) entspricht. Danach gilt als Ort einer Dienstleistung der Ort, an dem der Dienstleistungserbringer den Sitz seiner wirtschaftlichen Tätigkeit oder eine feste Niederlassung hat, von wo aus die Dienstleistung erbracht wird, oder in Ermangelung eines solchen Sitzes oder einer solchen festen Niederlassung sein Wohnsitz oder sein gewöhnlicher Aufenthaltsort.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union, die die Gerichte im Wege der richtlinienkonformen Auslegung des nationalen Umsatzsteuerrechts zu beachten haben1, ist vorrangiger Anknüpfungspunkt i.S. des Art. 9 Abs. 1 RL 77/388/EWG bzw. Art. 43 MwStSystRL a.F. der Ort, an dem der Dienstleistende den Sitz seiner wirtschaftlichen Tätigkeit hat. Eine andere Niederlassung, von wo aus die Dienstleistung erbracht wird, kann nur dann berücksichtigt werden, wenn die Anknüpfung an den Sitz nicht zu einer steuerlich sinnvollen Lösung führt oder wenn sie einen Konflikt mit einem anderen Mitgliedstaat zur Folge hat2.
bb) Vorliegend wurde durch die unternehmerischen Aktivitäten der Klägerin
schon keine inländische feste Niederlassung von D begründet, welche alternativ zum Sitz des Wetthalters in C als Ausführungsort der Wettumsätze in Betracht käme.
(1) Soweit der EuGH in seinem Urteil vom 20. Februar 19973 Grundsätze für das Vorliegen einer festen Niederlassung aufgestellt hat, ist die Entscheidung zwar zu den Sonderregelungen für Reisebüros in Art. 26 RL 77/388/EWG ergangen. Gleichwohl geht das Hess. FG nach wie vor davon aus, dass die darin aufgestellten Grundsätze zur Bestimmung des Ortes einer Dienstleistung allgemein zu beachten sind4.
Danach setzt die Annahme einer festen Niederlassung eines Unternehmers zunächst voraus, dass der Wirtschaftsteilnehmer, der im Namen des Unternehmers tätig wird, diesem gegenüber nicht selbständig ist5. Hierbei berücksichtigt der EuGH die gesellschaftsrechtlichen Verhältnisse zwischen beiden ebenso wie die getroffenen vertraglichen Vereinbarungen.
Überdies verlangt der Niederlassungsbegriff nach ständiger Rechtsprechung des EuGH einen durch das ständige Zusammenwirken der für die Erbringung bestimmter Dienstleistungen erforderlichen Personal0 und Sachmittel gebildeten Mindestbestand6. Daher setzt er einen hinreichenden Grad an Beständigkeit sowie eine Struktur voraus, die von der personellen und technischen Ausstattung her eine autonome Erbringung der betreffenden Dienstleistungen ermöglicht7.
Der in § 3a Abs. 1 Satz 2, Abs. 3 Satz 3 UStG erwähnte Begriff der Betriebsstätte stimmt bei richtlinienkonformer Auslegung mit dem in Art. 9 RL 77/388/EWG bzw. § 43 MwStSystRL a.F. bezeichneten Begriff der festen Niederlassung überein8.
(2) Ob bei der Klägerin ein entsprechender Mindestbestand an Personal- und Sachmitteln vorhanden war, kann dahingestellt bleiben. Jedenfalls war die Klägerin nicht als unselbständige Hilfsperson von D anzusehen. Dies ergibt sich aus einer Betrachtung der Gesamtumstände. Hierbei ist zunächst festzustellen, dass keinerlei gesellschaftsrechtliche Beziehungen zwischen der Klägerin und D als Wetthalterin bestanden, erstere insoweit also selbständig handelte und insbesondere nicht aufgrund von Personenidentitäten im Gesellschafter- bzw. Geschäftsführungsbereich durch letztere beherrscht wurde.
Was die vertraglichen Beziehungen zwischen der Klägerin und D betrifft, so ergibt sich aus dem vorliegenden Vertrag vom 01.01.2007 einerseits, dass die Klägerin gegenüber D Verpflichtungen eingegangen ist, welche ihre unternehmerischen Freiheiten beschränkten. So verpflichtete sie sich vor allem, grundsätzlich keine Wetten im eigenen Namen abzuschließen und war hinsichtlich der Vermittlung anderer Anbieter auf das Einverständnis von D angewiesen. Andererseits konnte sie ihren Geschäftsbetrieb insoweit frei gestalten, als ihr beispielsweise keine Vorgaben für die Auswahl des zur Vermittlung der Sportwetten eingesetzten Personals und zu den Öffnungszeiten gemacht wurden. Ihr ist sogar ausdrücklich die Möglichkeit eingeräumt worden, zur Erfüllung des Vertrages Unteragenten bzw. Unteragenturen einzusetzen. Eine solche Option erscheint dem Senat als besonders untypisch, würde man der Ansicht des FA folgen und die Klägerin als unselbständige Hilfsperson von D ansehen, zumal letztere den Einsatz von Unteragenten bzw. Unteragenturen nicht hätten genehmigen, sondern hierüber nur informiert werden müssen. Der Einsatz von Unteragenten bzw. Unteragenturen „zur Erfüllung dieses Vertrages“ hätte zudem nicht nur die eigentliche Vermittlungstätigkeit umfasst. Vielmehr konnten auch diejenigen Tätigkeiten delegiert werden, welche das FA der festen Niederlassung der D zuordnet, also u.a. der Einzug der Wetteinsätze, die Aushändigung des Wettscheins und die Gewinnauszahlung.
Demgegenüber stellen die Entgeltvereinbarung und die vertraglich vereinbarten
Kündigungsfristen keine Gründe dar, die Klägerin gleichwohl als in die D eingegliedertes Hilfsorgan anzusehen. Während sich die Regelungen, ob und gegebenenfalls in welcher Höhe die Klägerin für ihre Vermittlungstätigkeit Provision erhielt, in einem Rahmen bewegten, wie er auch bei selbständigen Handelsvertretern nicht unüblich ist, waren die Voraussetzungen, unter denen der Vertrag durch eine der Parteien gekündigt werden konnte, nicht derart einseitig zu Gunsten von D geregelt, dass sich hieraus Rückschlüsse auf die Unselbständigkeit der Klägerin ziehen ließen. Während die fristgerechte Kündigung für beide Vertragsparteien übereinstimmend geregelt war, hatte sich D zwar ein Sonderkündigungsrecht für den Fall vorbehalten, dass der Gewinn aus den von der Klägerin vermittelten Wetten unter einer bestimmten prozentualen Grenze blieb. Das Kündigungsrecht bestand aber erst dann, wenn diese Grenze über einen Zeitraum von drei Monaten unterschritten wurde, was einerseits dem nachvollziehbaren wirtschaftlichen Interesse von D entsprach, wodurch die Klägerin aber auch hinreichend Gelegenheit hatte, sich auf eine drohende Kündigung einzustellen bzw. diese durch eine Anpassung ihrer Vermittlungstätigkeit abzuwenden.
Soweit der Gerichtshof der Europäischen Union in seinem Urteil vom 1. Oktober 19879 einen Reisevermittler deshalb als unabhängige Zwischenperson angesehen hat, weil er einerseits Reisen vermittele, die von sehr vielen Reiseveranstaltern organisiert worden seien, und andererseits ein Reiseveranstalter seine Reisen über sehr viele Reisevermittler verkaufe, ist dem FA grundsätzlich darin zuzustimmen, dass es in der Wettbranche für die Begründung einer festen Niederlassung nicht allein darauf ankommen kann, ob der Wetthalter in einem Mitgliedsstaat seine Wetten von einem Unternehmer oder aber – wie D im vorliegenden Fall – von einer Vielzahl von Unternehmern vermitteln lässt. Gleichwohl handelt es sich bei der exklusiven Bindung an einen Vermittler um einen Umstand, dessen Vorliegen als Indiz für eine besondere Nähe zum Wetthalter sprechen würde und es im Rahmen einer Gesamtbetrachtung mit rechtfertigen könnte, in der Klägerin eine unselbständige Hilfsperson von D zu sehen.
cc) Darüber hinaus mangelt es unter Berücksichtigung der vorgenannten Grundsätze an den Voraussetzungen dafür, von der nach der Rechtsprechung des EuGH vorrangigen Anknüpfung an den Sitz des Unternehmers zu Gunsten einer Anknüpfung an eine feste Niederlassung abzuweichen.
(1) Wenn das FA unter Berufung auf Stadie10 ausführt, der EuGH sehe offenbar stets eine feste Niederlassung, wo eine solche vorhanden sei, als steuerlich sinnvollsten und damit vorzugswürdigen Anknüpfungspunkt an, so ist dem im Ergebnis nicht zu folgen. Abgesehen davon, dass Stadie selber die seiner Meinung nach durch die EuGH-Rechtsprechung vorgegebene vorrangige Anknüpfung an eine feste Niederlassung kritisiert, da eine solche nicht per se als die steuerlich sinnvollere Lösung angesehen werden könne11, teilt auch der BFH seine Sichtweise nicht. Vielmehr geht dieser in seinem Urteil vom November 199812, welches erst im Anschluss an die von Stadie als Beleg seiner These benannten Urteile des Gerichtshof der EuropäischenUnion vom 17. Juli 199713 und vom 7. Mai 199814 ergangen ist, erkennbar davon aus, dass es auf das Vorliegen einer festen Niederlassung als möglichem Anknüpfungspunkt nur dann ankommt, wenn das Anknüpfen an den Sitz nicht zu einer steuerlich sinnvollen Lösung führt oder wenn es einen Konflikt mit einem anderen Mitgliedstaat zur Folge hat. Nachdem die letztgenannten Voraussetzungen von ihm bereits verneint worden waren, sah der BFH davon ab, das Vorliegen einer festen Niederlassung überhaupt noch zu prüfen.
Auch nach Ansicht des Hessischen Finanzgerichts ist die EuGH-Rechtsprechung nicht dahingehend zu verstehen, dass ohne weitergehende Prüfung eine vorhandene feste Niederlassung den vorrangigen Anknüpfungspunkt für die Besteuerung darstellt. Insbesondere ergibt sich aus jüngeren Entscheidungen keine ausdrückliche Rechtsprechungsänderung des Gerichtshofs der Europäischen Union und hatte dieser noch in seinem Urteil vom 20. Februar 199715 ausführlich dargelegt, weshalb im Hinblick auf die wirtschaftliche Realität und mögliche Wettbewerbsverzerrungen ausnahmsweise eine Dienstleistung, die ein Reiseveranstalter für einen Reisenden von einer festen Niederlassung in einem anderen Mitgliedstaat als demjenigen aus erbracht habe, in dem er den Sitz seiner wirtschaftlichen Tätigkeit habe, in dem Staat zu besteuern sei, in dem diese feste Niederlassung liege. Erst nachdem er auf diesem Wege festgestellt hatte, dass die grundsätzliche Möglichkeit besteht, hinsichtlich der Besteuerung an eine feste Niederlassung anzuknüpfen, hat er deren Vorliegen anhand der einschlägigen Kriterien geprüft und letztlich bejaht.
Die in diesem Zusammenhang durch den EuGH gemachten Ausführungen sind auf den vorliegenden Fall auch nicht übertragbar16. Bei seiner Entscheidung hat der EuGH ausdrücklich auf die wirtschaftliche Realität der Reisebüros bzw. Reiseveranstalter abgestellt und zudem die Möglichkeit der Mitgliedsstaaten berücksichtigt, gemäß Art. 28 Abs. 3 Buchst. g RL 77/388/EWG Dienstleistungen von Reisebüros für eine Übergangszeit weiterhin von der Umsatzsteuer zu befreien. Diese Besonderheiten gelten im vorliegenden Fall der Vermittlung von Sportwetten nicht.
(2) Das Argument, der deutsche Gesetzgeber habe die Regelung in Art. 9 Abs. 1 RL 77/388/EWG bzw. Art. 43 MwStSystRL a.F. in § 3a Abs. 1 UStG derart umgesetzt, dass bei Vorliegen einer Betriebsstätte dieser der Vorrang eingeräumt werde, überzeugt nicht. Zwar hat der Gerichtshof der Europäischen Union in seinem Urteil vom 4. Juli 198517 ausgeführt, es sei Sache eines jeden Mitgliedstaats, sich bei der Bestimmung des steuerlichen Anknüpfungspunkts für Dienstleistungen unter den durch die RL 77/388/EWG eingeräumten Wahlmöglichkeiten für diejenige zu entscheiden, die ihm unter steuerlichen Gesichtspunkten als die zweckdienlichste erscheint. Jedoch hat er gleichzeitig den hierbei zu beachtenden Beurteilungsmaßstab bestimmt, nach dem der Sitz der wirtschaftlichen Tätigkeit der vorrangige Anknüpfungspunkt und die Berücksichtigung einer anderen Niederlassung, von der aus die Dienstleistung erbracht wird, nur dann von Interesse ist, wenn die Anknüpfung an den Sitz nicht zu einer steuerlich sinnvollen Lösung führt oder wenn sie einen Konflikt mit einem anderen Mitgliedstaat zur Folge hat. Dieser Beurteilungsmaßstab ist nach den bereits gemachten Ausführungen mit der ständigen Rechtsprechung des BFH im Wege der richtlinienkonformen Auslegung von § 3a Abs. 1 UStG zu berücksichtigen.
b) Die Steuerbarkeit der von der Klägerin erbrachten Leistungen ergibt sich entgegen der vom FA vertretenen Ansicht schließlich auch nicht daraus, dass das Leistungsbündel, welches insbesondere aus der eigentlichen Vermittlung, der Entgegennahme des Wetteinsatzes, der Aushändigung des Wettscheins sowie der Auszahlung eines möglichen Gewinns besteht, als einheitliche Leistung eigener Art anzusehen ist.
aa) Nach der Rechtsprechung des EuGH, der sich der BFH angeschlossen hat, ist jeder Umsatz in der Regel als eigene, selbständige Leistung zu betrachten; allerdings darf eine wirtschaftlich einheitliche Dienstleistung im Interesse eines funktionierenden Mehrwertsteuersystems nicht künstlich aufgespaltet werden. Deshalb ist das Wesen des fraglichen Umsatzes zu ermitteln, um festzustellen, ob der Steuerpflichtige dem Verbraucher mehrere selbständige Leistungen oder eine einheitliche Leistung erbringt, wobei auf die Sicht des Durchschnittsverbrauchers abzustellen ist18.
Eine einheitliche Leistung liegt insbesondere dann vor, wenn ein oder mehrere Teile als die Hauptleistung, andere Teile aber als Nebenleistungen anzusehen sind, die das steuerrechtliche Schicksal der Hauptleistung teilen. Eine Leistung ist dann als Nebenleistung zu einer Hauptleistung anzusehen, wenn sie für den Leistungsempfänger keinen eigenen Zweck erfüllt, sondern das Mittel darstellt, um die Hauptleistung des Leistenden unter optimalen Bedingungen in Anspruch zu nehmen19.
Auch wenn dem Umstand, dass für eine aus mehreren Teilen zusammengesetzte Dienstleistung ein Gesamtpreis in Rechnung gestellt wird, keine entscheidende Bedeutung zukommt, kann dies für das Vorliegen einer einheitlichen Leistung sprechen20. Dasselbe gilt für den Umstand, dass Leistungen aufgrund einer einzigen Vertragsgrundlage erbracht werden21.
bb) Unter Berücksichtigung der genannten Grundsätze handelte es sich bei den
genannten Leistungen im Zusammenhang mit der Vermittlung von Sportwetten
um eine einheitliche Vermittlungsleistung, wobei die eigentliche Wettvermittlung als Hauptleistungen und die Aushändigung des Wettscheins etc. als unselbständige Nebenleistungen anzusehen sind. Letztere dienen nach Überzeugung des Finanzgerichts ausschließlich dazu, dass die eigentliche von der Klägerin gegenüber der D erbrachte Vermittlungsleistung von dieser im Sinne der genannten Rechtsprechung unter optimalen Bedingungen in Anspruch genommen werden kann. Dass der Abschluss eines Wettvertrages zwischen dem Wetthalter und dem Wettkunden vermittelt wird, ist für die vorliegende einheitliche Leistung prägend. Um eine schnelle und unproblematische Erfüllung der vermittelten Wettverträge zu gewährleisten, um insbesondere nicht auf das umständliche und zeitaufwändige Versenden von Wettscheinen per Post und die Auszahlung eines Wettgewinns durch Banküberweisung angewiesen zu sein, bedarf es der durch die Klägerin zusätzlich erbrachten Nebenleistungen. Diese erfüllen dabei allerdings keinen eigenen Zweck, sondern ordnen sich der Hauptleistung „Vermittlung von Wettverträgen“ unter.
Aus diesen Gründen ist der angefochtene Umsatzsteuerbescheid 2007 insoweit rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten, da die Steuer zu hoch festgesetzt ist. Zu Unrecht hat das FA in Höhe von 288.104,00 Euro bei der Steuerfestsetzung Vermittlungsumsätze berücksichtigt, obwohl diese im Inland nicht
steuerbar waren. Die Klage ist begründet und der Umsatzsteuerbescheid 2007 vom 10.03.2011 wird unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 31.10.2011 dahingehend geändert, dass die festgesetzte Steuer herabgesetzt wird.
Hessisches Finanzgericht, Urteil vom 21. Mai 2014 – 6 K 2858/11
- vgl. BFH, Urteil vom 02.04.1998 – V R 34/97, BFHE 185, 536, BStBl II 1998, 695, m.w.N.[↩]
- BFH, Urteile vom 19.11.1998 – V R 30/98, BFHE 187, 348, BStBl II 1999, 108 und vom 30.06.2011 – V R 37/09, BFH/NV 2011, 2129[↩]
- EuGH, Urteil vom 20.02.1997 – C-260/95, DFDS, Slg. 1997, I01005[↩]
- vgl. bereits Hessisches FG, Urteil vom 06.12.2006 – 6 K 3480/01, EFG 2007, 874; kritisch: Niedersächsisches FG, Urteil vom 12.03.2009 – 16 K 26/08, EFG 2009, 1058[↩]
- EuGH, Urteil vom 20.02.1997 C-260/95, DFDS, Slg. 1997, I-1005 Rz. 25 f.[↩]
- EuGH, Urteile vom 28.06.2007 – C-73/06, Planzer Slg. 2007, I-5655, BFH/NV 2007, 418; vom 20.02.1997 – C-260/95, DFDS, Slg. 1997, I-1005; vom 17.07.1997 C-190/95, ARO Lease, Slg. 1997, I-4383 und vom 04.07.1985 C-168/84, Berkholz, Slg. 1985, 2251[↩]
- EuGH, Urteile vom 28.06.2007 – C-73/06, Planzer, Slg. 2007, I-5655, BFH/NV 2007, 418; vom 17.07.1997 C- 190/95, ARO Lease, Slg. 1997, I-4383; vom 07.05.1998 C-390/96, Lease Plan, Slg. 1998, 2553 m.w.N.[↩]
- BFH, Beschlüsse vom 16.01.2003 – V B 47/02, BFH/NV 2003, 830 und vom 14.04.2010 – V B 157/08, BFH/NV 2010, 1315[↩]
- EuGH, Urteil vom 01.10.1987 -C-311/85, Vereneging Vlaamse Reisbureaus, Slg. 1987, 3801[↩]
- Stadie in Rau/Dürrwächter, UStG Komm., § 3a [bis 2009] Rz. 24.2, Stand Juli 2010[↩]
- Stadie in Rau/Dürrwächter, UStG Komm., § 3a [bis 2009] Rz. 24.3, Stand Juli 2010[↩]
- BFH, Urteil vom 19.11.1998 – V R 30/98, BFHE 187, 348, BStBl II 1999, 108[↩]
- EuGH, Urteil vom 17.07.1997 – C-190/95, Aro Lease, Slg. 1997, I04383[↩]
- EuGH, Urteil vom 07.05.1998 – C-390/96, Lease Plan, Slg. 1998, I-2553[↩]
- EuGH, Urteil vom 20.02.1997 – C-260/95, DFNS, Slg. 1997, I-1005[↩]
- ebenso: Nieders. FG, Urteil vom 12.03.2009 – 16 K 26/08, EFG 2009, 1058[↩]
- EuGH, Urteil vom 04.07.1985 – C0168/84, Berkholz, Slg. 1985, 2251[↩]
- BFH, Urteile vom 17.04.2008 – V R 39/05, BFH/NV 2008, 1712 und vom 10.02.2010 – XI R 49/07, BFHE 228, 456, BStBl II 2010, 1109, jeweils m.w.N.[↩]
- st. Rechtspr., vgl. z.B. EuGH, Urteile vom 10.03.2011 – C-497/09, C-499/09, C-501/09 und C-502/09, Bog u.a., Slg. 2011, I-1457, UR 2011, 272 und vom 25.02.1999 C-349/96, Card Protection Plan Ltd., Slg. 1999, I-973, UR 1999, 254; BFH, Urteile vom 17.04.2008 – V R 39/05, BFH/NV 2008, 1712; vom 19.10.2011 – XI R 20/09, BFHE 235, 538, BStBl II 2012, 374 und vom 24.04.2013 – XI R 7/11, BFHE 241, 459, BStBl II 2013, 648[↩]
- BFH, Urteile vom 10.02.2010 – XI R 49/07, BFHE 228, 456, BStBl II 2010, 1109 und vom 02.03.2011- XI R 25/09, BFHE 233, 348, BStBl II 2011, 737[↩]
- vgl. BFH, Urteil vom 19.03.2009 – V R 50/07, BFHE 225, 224, BStBl II 2010, 78 und vom 31.05.2007 – V R 18/05, BFHE 217, 88, BStBl II 2008, 206 m.w.N.[↩]