Zu den in § 4 Nr.20 Buchst. a UStG nicht näher beschriebenen Umsätzen der Theater gehören nur Leistungen, die für den Betrieb eines Theaters typisch sind. Wenn sich ein Leistungsbündel aus künstlerischer Unterhaltung und kulinarischer Versorgung der Gäste in der Gesamtschau eines Durchschnittsverbrauchers als einheitlicher (komplexer) Umsatz darstellt, ist der Tatbestand nicht erfüllt. Eine derartige Leistung unterliegt der Regelbesteuerung auch dann, wenn die Qualität der Darbietung höher ist als die Qualität der Speisen.

Bei derartigen Umsätzen handelt es sich nicht um nach § 4 Nr.20 Buchst. a UStG steuerfreie Leistungen eines Theaters; auch die Voraussetzungen einer Steuersatzermäßigung gemäß § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. a oder Nr. 8 Buchst. a UStG liegen nicht vor.
Nach § 4 Nr.20 Buchst. a Satz 1 UStG sind u.a. die Umsätze der Theater des Bundes, der Länder, der Gemeinden oder der Gemeindeverbände steuerfrei. Das Gleiche gilt für die Umsätze gleichartiger Einrichtungen anderer Unternehmer, wenn die zuständige Landesbehörde bescheinigt, dass sie die gleichen kulturellen Aufgaben wie die in Satz 1 bezeichneten Einrichtungen erfüllen (§ 4 Nr.20 Buchst. a Satz 2 UStG).
Die unternehmerbezogenen Voraussetzungen des Satzes 2 liegen vor, weil die Theaterbetreiberin eine gleichartige Einrichtung i.S. von § 4 Nr.20 Buchst. a Satz 2 UStG ist, die ein Theater betreibt, und der von der zuständigen Landesbehörde bescheinigt worden ist, dass sie die gleichen kulturellen Aufgaben wie die in § 4 Nr.20 Buchst. a Satz 1 UStG genannten Einrichtungen erfüllt.
Die Theaterbetreiberin hat mit den Veranstaltungen „A“ und „B“ aber keine Umsätze als Theater, sondern einheitliche, insgesamt dem Regelsteuersatz unterfallende sonstige Leistungen erbracht.
Bei einem Umsatz, der -wie hier- mehrere Einzelleistungen und Handlungen umfasst, ist im Rahmen einer Gesamtbetrachtung zu bestimmen, ob getrennte Umsätze vorliegen oder ein einheitlicher Umsatz. Eine einheitliche Leistung liegt vor, wenn ein Teil die Hauptleistung, ein anderer Teil eine Nebenleistung darstellt oder wenn die Leistungsbestandteile so eng miteinander verbunden sind, dass sie objektiv eine einzige untrennbare wirtschaftliche Leistung bilden, deren Aufspaltung wirklichkeitsfremd wäre1.
Zwar stellt die Beurteilung, ob eine einheitliche Leistung vorliegt, im Wesentlichen das Ergebnis einer tatsächlichen Würdigung durch das Finanzgericht dar, an die der BFH im Revisionsverfahren grundsätzlich gebunden ist (§ 118 Abs. 2 FGO). Indes prüft der BFH nach, ob das Finanzgericht bei einer einheitlichen Leistung den Hauptbestandteil oder den dominierenden Bestandteil zutreffend bestimmt hat2.
Das Finanzgericht hat nach diesen Maßstäben zwar zu Recht eine einheitliche Leistung angenommen, weil aus Sicht eines Durchschnittsverbrauchers3 die Theateraufführung und die Elemente der Bewirtung in einem untrennbaren wirtschaftlichen Vorgang, dessen Aufspaltung lebensfremd wäre, miteinander verbunden sind.
Das Finanzgericht ist aber zu Unrecht davon ausgegangen, dass es sich bei dieser einheitlichen Leistung um eine Theaterleistung i.S. des § 4 Nr.20 Buchst. a UStG handelt. Denn die in § 4 Nr.20 Buchst. a UStG nicht näher beschriebenen Umsätze der Theater sind nur solche Leistungen, die für den Betrieb eines Theaters typisch sind4. Bewirtungsleistungen aber sind für den Betrieb eines Theaters nicht typisch und gehen -insbesondere beim Servieren eines mehrgängigen Menüs- aus der Sicht eines Durchschnittsverbrauchers auch nicht vollständig in der Theaterleistung auf. Bei mehreren Leistungsbestandteilen setzt die Steuerbefreiung nach § 4 Nr.20 Buchst. a UStG voraus, dass die begünstigte Vorführung der Hauptbestandteil der einheitlichen Gesamtleistung ist und den eigentlichen Zweck der Veranstaltung ausmacht5.
Hieran fehlt es, wenn sich das Leistungsbündel aus künstlerischer Unterhaltung und kulinarischer Versorgung der Gäste -wie im Streitfall- in der Gesamtschau als einheitlicher (komplexer) Umsatz darstellt. Das Ineinandergreifen künstlerischer und kulinarischer Elemente kommt auch in vergleichbaren Konstellationen, wie z.B. beim Krimi-Dinner oder der Dinner-Show vor. Ebenso wie bei einer Dinner-Show, die eine einheitliche, insgesamt dem Regelsteuersatz unterfallende sonstige Leistung darstellt6, sind die künstlerischen und kulinarischen Leistungen der Theaterbetreiberin aufeinander abgestimmt und greifen in zeitlicher Hinsicht ineinander. Durch die Verflechtung beider Komponenten ist es dem Verbraucher nicht möglich, nur die künstlerische oder nur die kulinarische Leistung in Anspruch zu nehmen. Eine derartige komplexe Leistung unterliegt der Regelbesteuerung auch dann, wenn die Qualität der Darbietung höher ist als die Qualität der Speisen7.
Die Versagung der Steuerfreiheit verstößt nicht gegen die grundgesetzlich geschützte Kunstfreiheit (Art. 5 GG). Denn der Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) in Verbindung mit der Kunstfreiheitsgarantie des Art. 5 Abs. 3 GG verpflichtet den Gesetzgeber nicht, jede wirtschaftliche Förderungsmaßnahme oder steuerliche Begünstigung allen Bereichen künstlerischen Schaffens gleichermaßen zugutekommen zu lassen; vielmehr können für die Beurteilung der Förderungsbedürftigkeit auch wirtschafts- und finanzpolitische Gesichtspunkte berücksichtigt werden8.
Auch aus dem Unionsrecht ergibt sich keine Steuerbefreiung der von der Theaterbetreiberin ausgeführten Leistungen. Zwar befreien die Mitgliedstaaten nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. n der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28.11.2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (MwStSystRL) bestimmte kulturelle Dienstleistungen und eng damit verbundene Lieferungen von Gegenständen, die von Einrichtungen des öffentlichen Rechts oder anderen von dem betreffenden Mitgliedstaat anerkannten kulturellen Einrichtungen erbracht werden. Der Regelung kommt aber keine unmittelbare Wirkung zu, so dass sich Einrichtungen, die kulturelle Dienstleistungen erbringen, nicht unmittelbar darauf berufen können9.
Aus den dargestellten Gründen scheidet auch die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes nach § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. a UStG aus, weil Gastronomieumsätze vor, während oder nach einer künstlerischen Veranstaltung aus der Sicht eines Durchschnittsverbrauchers einen eigenen; vom Theaterbesuch unabhängigen Zweck haben und zur Durchführung kultureller Dienstleistungen aus der Sicht eines Durchschnittsverbrauchers nicht unerlässlich sind10.
Schließlich kommt eine Steuerermäßigung nach § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a UStG nicht in Betracht. Dabei kann es der Bundesfinanzhof offen lassen, ob die Steuerermäßigung nur für originär gemeinnützige Leistungen eingreift, d.h. für Leistungen, die von Einrichtungen erbracht werden, die sowohl gemeinnützig als auch für wohltätige Zwecke und im Bereich der sozialen Sicherheit tätig sind11. Denn jedenfalls liegen die Voraussetzungen des § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a Satz 2 UStG i.V.m. § 64 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO) nicht vor, weil die Leistungen nicht im Rahmen eines Zweckbetriebes ausgeführt worden sind. Denn nach § 68 Nr. 7 AO sind zwar kulturelle Einrichtungen -wie u.a. Theater- Zweckbetriebe. Dazu gehört aber nach ausdrücklicher Anordnung durch § 68 Nr. 7 AO nicht der Verkauf von Speisen und Getränken. Dies gilt allgemein und damit auch im Streitfall.
Bundesfinanzhof, Urteil vom 10. Dezember 2020 – V R 39/18
- vgl. im Einzelnen EuGH, Urteile Deutsche Bank vom 19.07.2012 – C-44/11, EU:C:2012:484, BStBl II 2012, 945; und Primback vom 15.05.2001 – C-34/99, EU:C:2001:271; BFH, Urteile vom 10.01.2013 – V R 31/10, BFHE 240, 380, BStBl II 2013, 352; vom 11.10.2012 – V R 9/10, BFHE 238, 570, BStBl II 2014, 279[↩]
- z.B. BFH, Urteil vom 05.09.2019 – V R 57/17, BFHE 266, 430, BStBl II 2020, 356, Rz 34, m.w.N.[↩]
- vgl. hierzu EuGH, Urteile Deutsche Bank, EU:C:2012:484, BStBl II 2012, 945; Levob Verzekeringen und OV Bank vom 27.10.2005 – C-41/04, EU:C:2005:649[↩]
- BFH, Urteile vom 14.05.1998 – V R 85/97, BFHE 186, 151, BStBl II 1999, 145; vom 21.04.2005 – V R 6/03, BFHE 210, 479, BStBl II 2005, 899; vom 18.08.2005 – V R 20/03, BFHE 211, 85, BStBl II 2005, 910, Rz 29; vom 04.05.2011 – XI R 44/08, BFHE 233, 367, BStBl II 2014, 200; BFH, Beschluss vom 07.12.2009 – XI B 52/09, BFH/NV 2010, 482[↩]
- vgl. zu § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. a UStG BFH, Urteile vom 13.06.2018 – XI R 2/16, BFHE 262, 187, BStBl II 2018, 678, Rz 12; in BFHE 240, 380, BStBl II 2013, 352, Rz 43; vom 26.04.1995 – XI R 20/94, BFHE 177, 548, BStBl II 1995, 519; BFH, Beschluss vom 28.10.2014 – V B 92/14, BFH/NV 2015, 244, Rz 22[↩]
- BFH, Urteile in BFHE 240, 380, BStBl II 2013, 352, und in BFHE 262, 187, BStBl II 2018, 678[↩]
- BFH, Urteil in BFHE 262, 187, BStBl II 2018, 678, Rz 8[↩]
- BFH, Urteil vom 09.12.1993 – V R 89/93, BFH/NV 1995, 443, unter Hinweis auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts -BVerfG- vom 05.03.1974 – 1 BvR 712/68, BVerfGE 36, 321, 331 ff., und den BVerfG, Beschluss vom 29.11.1989 – 1 BvR 1402, 1528/87, BVerfGE 81, 108, 116[↩]
- EuGH, Urteil Britisch Film Institute vom 15.02.2017 – C-592/15, EU:C:2017:117[↩]
- BFH, Urteile in BFHE 240, 380, BStBl II 2013, 352; in BFHE 262, 187, BStBl II 2018, 678[↩]
- vgl. hierzu BFH, Urteil vom 23.07.2019 – XI R 2/17, BFHE 266, 91; EuGH, Urteil Kommission/Frankreich vom 17.06.2010 – C-492/08, EU:C:2010:348[↩]