Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens steht die Befugnis, auf die Kleinunternehmerregelung nach § 19 Abs. 2 Satz 1 UStG zu verzichten, dem Insolvenzverwalter zu. Er übt dieses Recht für das gesamte Unternehmen des Insolvenzschuldners aus.

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs gilt der Grundsatz der Unternehmenseinheit auch nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Unternehmers fort. Bedingt durch die Erfordernisse des Insolvenzrechts besteht das Unternehmen nach Verfahrenseröffnung jedoch aus mehreren Unternehmensteilen, zwischen denen einzelne umsatzsteuerrechtliche Berechtigungen und Verpflichtungen nicht miteinander verrechnet werden können. Zu unterscheiden sind der vorinsolvenzrechtliche Unternehmensteil, gegen den Insolvenzforderungen zur Tabelle anzumelden sind (§§ 174 ff. InsO), der die Insolvenzmasse betreffende Unternehmensteil, gegen den Masseverbindlichkeiten geltend zu machen sind, sowie ggf. das vom Insolvenzverwalter freigegebene Vermögen, bei dem Steueransprüche gegen den Insolvenzschuldner persönlich ohne insolvenzrechtliche Einschränkungen geltend gemacht werden können1.
Diese aus insolvenzrechtlichen Gründen bestehenden Unterschiede bei der Durchsetzung des umsatzsteuerrechtlich einheitlichen Steueranspruchs ändern aber nichts an dem Grundsatz, dass der Insolvenzschuldner umsatzsteuerrechtlich nur ein einziges Unternehmen hat. Daher muss die Summe der gegenüber dem Insolvenzverwalter und der gegenüber dem Insolvenzschuldner festgesetzten Umsatzsteuer die nach den Vorschriften des Umsatzsteuergesetzes entstandene Jahresumsatzsteuer für das gesamte Unternehmen ergeben2. Hieraus folgt zugleich, dass der Verzicht nach § 19 Abs. 2 UStG nur einheitlich für das gesamte Unternehmen ausgeübt werden kann.
Die Befugnis, den Verzicht nach § 19 Abs. 2 UStG zu erklären, steht ab der Eröffnung des Insolvenzverfahrens dem Insolvenzverwalter zu, da das Verwaltungs- und Verfügungsrecht nach § 80 Abs. 1 InsO auf ihn übergeht. Im Streitfall hat der Insolvenzverwalter danach entsprechend der Rechtsprechung des BFHs3 durch die Abgabe von Umsatzsteuerjahreserklärungen auf die Anwendung der Kleinunternehmerregelung verzichtet.
Ein danach durch den Insolvenzverwalter erklärter Verzicht erstreckt sich trotz der Beschränkung auf den Umfang der Verwaltungsbefugnis nach § 34 Abs. 3 AO auf das gesamte Unternehmen und damit auch auf den Unternehmensteil, dessen Umsätze der Insolvenzschuldner nach Insolvenzeröffnung selbst zu versteuern hat4, da sich sonst aus der Summe der gegenüber dem Insolvenzverwalter und der gegenüber dem Insolvenzschuldner festgesetzten Umsatzsteuer nicht die nach den Vorschriften des Umsatzsteuergesetzes entstandene Jahresumsatzsteuer für das gesamte Unternehmen ergäbe. Hierfür spricht auch, dass eine Versteuerung von Umsätzen durch den Insolvenzverwalter als Regelfall und die Versteuerung von Umsätzen durch den Insolvenzschuldner z.B. aufgrund einer Freigabe von vom Insolvenzbeschlag erfassten Vermögen als Ausnahmefall anzusehen ist.
Ein Verstoß gegen Treu und Glauben liegt nicht vor. Der Insolvenzschulder war aufgrund des Fortbestehens seines Gesamtunternehmens, das im Rahmen des § 80 InsO der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis des Insolvenzverwalters oblag, verpflichtet, sich hinsichtlich der umsatzsteuerrechtlichen Behandlung in Verbindung mit dem Insolvenzverwalter zu setzen. Eine Verpflichtung des Finanzamt, ihn hierauf hinzuweisen, bestand nicht.
Bundesfinanzhof, Urteil vom 20. Dezember 2012 – V R 23/11
- BFH, Urteile vom 28.06.2000 – V R 87/99, BFHE 192, 132, BStBl II 2000, 639; und vom 24.11.2011 – V R 13/11, BFHE 235, 137, BStBl II 2012, 298[↩]
- BFH, Urteil in BFHE 192, 132, BStBl II 2000, 639[↩]
- BFH, Urteil vom 19.12.1985 – V R 167/82, BFHE 145, 457, BStBl II 1986, 420[↩]
- vgl. hierzu z.B. BFH, Urteile vom 07.04.2005 – V R 5/04, BFHE 210, 156, BStBl II 2005, 848; und vom 17.03.2010 – XI R 30/08, BFH/NV 2010, 2128[↩]