Verzicht auf die Umsatzsteuerbefreiung einer Grundstückslieferung – durch nachträgliche notarielle Vertragsergänzung?

Für den Bundesfinanzhof ist nicht klärungsbedürftig, dass § 9 Abs. 3 Satz 2 UStG, der den Verzicht auf die Steuerbefreiung des § 4 Nr. 9 Buchst. a UStG bei Lieferungen von Grundstücken außerhalb von Zwangsversteigerungsverfahren, jedoch nicht dessen Widerruf regelt, einer nachträglichen formwirksamen Optionsausübung auch dann entgegensteht, wenn sie zwischen den Vertragsbeteiligten einvernehmlich erfolgt und keine Gefahr von Steuerausfällen besteht.

Verzicht auf die Umsatzsteuerbefreiung einer Grundstückslieferung – durch nachträgliche notarielle Vertragsergänzung?

Grundsätzliche Bedeutung i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO kommt einer Rechtssache zu, wenn die für die Beurteilung des Streitfalls maßgebliche Rechtsfrage das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt. Außerdem muss die Rechtsfrage klärungsbedürftig und in einem künftigen Revisionsverfahren klärbar sein1. Am Klärungsbedarf fehlt es, wenn die Rechtsfrage anhand der gesetzlichen Grundlagen und der bereits vorliegenden Rechtsprechung beantwortet werden kann und keine neuen Gesichtspunkte erkennbar sind, die eine erneute Prüfung und Entscheidung dieser Frage durch den Bundesfinanzhof geboten erscheinen lassen2. Eine Zulassung der Revision kommt im Übrigen nicht schon deshalb in Betracht, weil es zu der konkret im Streitfall zu beurteilenden Rechtsfrage noch keine BFH, Entscheidung gibt3.

Danach liegen die Voraussetzungen für die Annahme einer grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO hier nicht vor:

Nach Auffassung des Grundstückskäufers wirft der Streitfall die Frage von grundsätzlicher Bedeutung auf , ob „§ 9 (3) S. 2 UStG einer nachträglichen formwirksamen Optionsausübung, z.B. in einer nachträglichen notariellen Vertragsergänzung- oder -änderung, auch dann entgegen[steht], wenn sie zwischen den Vertragsbeteiligten einvernehmlich erfolgt und ihr weder das Schutzbedürfnis des Leistungsempfängers noch die Gefahr von Steuerausfällen entgegenstehen“.

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Diese Rechtsfrage ist nicht klärungsbedürftig. Der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs ist zu entnehmen, dass der Wortlaut des § 9 Abs. 3 Satz 2 UStG eine Option zur Steuerpflicht in einer nachfolgenden Neufassung des Vertrags, durch den sich der eine Teil verpflichtet, das Eigentum an einem Grundstück zu übertragen oder zu erwerben (vgl. § 311b Abs. 1 Satz 1 BGB), und der der Auflassung und der Eintragung in das Grundbuch vorhergeht (vgl. § 311b Abs. 1 Satz 2 BGB), selbst dann ausschließt, wenn diese -wie im Streitfall durch die notariell beurkundete Vertragsergänzung vom 08.07.2016 zum notariellen Kaufvertrag vom 21.10.2014- gleichfalls notariell beurkundet wurde. Ein späterer Verzicht auf die Umsatzsteuerbefreiung des § 4 Nr. 9 Buchst. a UStG ist unwirksam, auch wenn er notariell beurkundet wird, da der Gesetzgeber mit der Vorschrift des § 9 Abs. 3 Satz 2 UStG eine Regelung getroffen hat, die nicht lediglich die Form des Verzichts auf die Umsatzsteuerbefreiung, sondern auch den Zeitpunkt der Optionsausübung bestimmt4. Die vom Grundstückskäufer aufgeworfene Rechtsfrage kann danach nur so beantwortet werden, wie sie in der Vorinstanz das Hessische Finanzgericht mit Bezug auf die einschlägige Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs in der angefochtenen Entscheidung beantwortet hat5. Zu Recht ist das Finanzgericht mithin davon ausgegangen, dass die Veräußerung des betreffenden Grundstücks durch den Grundstückskäufer an seine Ehefrau nach § 4 Nr. 9 Buchst. a UStG steuerfrei erfolgt ist, weil der Grundstückskäufer einen Verzicht auf die Steuerfreiheit nicht wirksam i.S. des § 9 Abs. 3 Satz 2 UStG erklärt hat.

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Hinreichende Gründe, die eine Überprüfung der Rechtsprechungsgrundsätze, die der Beantwortung der aufgeworfenen Rechtsfrage zugrunde liegen, und damit eine erneute Befassung des Bundesfinanzhofs erforderlich machen könnten, sind weder dargetan noch6 sonst ersichtlich.

Die vom Grundstückskäufer ferner aufgeworfene Rechtsfrage, ob „der Wortlaut des § 9 (3) Satz 2 UStG eine formwirksame Optionsausübung, z.B. durch notarielle Änderung oder Ergänzung des Kaufvertrags, auch dann aus[schließt], wenn die Parteien bereits bis zum Abschluss des notariellen Kaufvertrags eine Optionsentscheidung getroffen, diese aber versehentlich nicht (in) den notariellen Kaufvertrag aufgenommen haben“, ist in einem künftigen Revisionsverfahren nicht klärbar, weil sie einen Sachverhalt voraussetzt, der den tatsächlichen Feststellungen des angefochtenen Urteils nicht entspricht. Den tatrichterlichen Feststellungen des angefochtenen Urteils kann kein hinreichender Anhalt dafür entnommen werden, dass -was die vom Grundstückskäufer als klärungsbedürftig aufgeworfene Rechtsfrage jedoch voraussetzt- er und seine Ehefrau als Käuferin des betreffenden Grundstücks sich tatsächlich bereits vor Abschluss des notariellen Kaufvertrags vom 21.10.2014 über die Optionsausübung einig gewesen seien und deren fehlende Erwähnung in der notariellen Urkunde allein ein Redaktionsversehen gewesen sei.

Die Revision ist schließlich nicht zur Rechtsfortbildung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 1 FGO) zuzulassen. Da das Erfordernis einer Entscheidung des Bundesfinanzhofs zur Fortbildung des Rechts (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 1 FGO) ein Unterfall des Zulassungsgrunds der grundsätzlichen Bedeutung ist, kommt die Zulassung der Revision zur Fortbildung des Rechts aus denselben Gründen nicht infrage7.

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BFh, Beschluss vom 25. Januar 2022 – XI B 60/20

  1. ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH, Beschlüsse vom 01.03.2019 – X B 45/18, BFH/NV 2019, 545, Rz 3; vom 16.06.2020 – X B 153/19, BFH/NV 2020, 1257, Rz 7; vom 17.05.2021 – VIII B 85/20, BFH/NV 2021, 1352, Rz 7; jeweils m.w.N[]
  2. ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH, Beschlüsse in BFH/NV 2021, 1352, Rz 7; vom 27.08.2021 – VIII B 36/21, BFH/NV 2021, 1461, Rz 5; jeweils m.w.N.[]
  3. ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH, Beschluss in BFH/NV 2021, 1461, Rz 5, m.w.N.[]
  4. vgl. BFH, Urteil in BFHE 251, 474, BStBl II 2017, 852, Rz 39 ff.[]
  5. Hess. FG, Urteil vom 13.09.2020 – 6 K 1277/19[]
  6. insbesondere vor dem Hintergrund von BFH, Beschluss in BFH/NV 2021, 1624[]
  7. ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH, Beschlüsse vom 24.07.2017 – XI B 37/17, BFH/NV 2017, 1635, Rz 16; vom 21.03.2018 – XI B 113/17, BFH/NV 2018, 739, Rz 8; vom 18.02.2021 – III B 123/20, BFHE 272, 390, Rz 11; jeweils m.w.N.[]

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