Der V. Senat hält an seiner bisherigen Rechtsprechung [1] fest, nach der ein Gesellschafter, der ein Wirtschaftsgut außerhalb einer eigenen wirtschaftlichen (unternehmerischen) Tätigkeit nach § 2 UStG erwirbt und dieses seiner Gesellschaft unentgeltlich zur Nutzung überlässt, nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt ist. Er stimmt daher der vom XI. Senat des Bundesfinanzhofs angefragten [2] Abweichung von dieser Rechtsprechung nicht zu.

Der V. Senat des Bundesfinanzhofs hat in seiner bisherigen Rechtsprechung den Vorsteuerabzug eines Gesellschafters aus Leistungsbezügen für seine Gesellschaft mehrfach verneint.
So hat der V. Senat des Bundesfinanzhofs mit Urteil vom 15. Januar 1987 [3] entschieden, dass der Erwerb eines Einzelunternehmens zu dem Zweck, es unmittelbar in eine Personengesellschaft einzubringen, keine unternehmerische Betätigung begründet und der einbringende Gesellschafter daher aus dem Erwerb nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt ist.
Darüber hinaus hat der V. Senat des Bundesfinanzhofs entschieden, dass der Eigentümer eines Ferienhauses, der sich mit anderen Ferienhauseigentümern zu einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts zusammenschließt, das Haus nicht selbst als Unternehmer zur Ausführung von Umsätzen verwendet, wenn nicht er, sondern die Gesellschaft die Ferienhäuser in eigenem Namen vermietet, und er damit auch nicht zum Abzug der Vorsteuerbeträge aus der Gebäudeerrichtung berechtigt ist [4].
Weiter sind bei einer Vermietung durch eine Miteigentümergemeinschaft nur diese, nicht aber auch die Miteigentümer als Unternehmer anzusehen, so dass der Miteigentümer nicht bereits durch die zivilrechtliche Stellung als Mitvermieter, sondern erst aufgrund einer entgeltlichen Überlassung seines Miteigentumsanteils an die Gemeinschaft zum Unternehmer wird [5].
Schließlich ist der V. Senat des Bundesfinanzhofs in seinem in der Anfrage des XI. Senats des BFH genannten Urteil [6] davon ausgegangen, dass Gesellschafter nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt sind, wenn diese als Miteigentümer ein Gebäude errichten, das sie einer personenidentischen OHG unentgeltlich zur Nutzung überlassen, ohne das Gebäude in das Gesamthandvermögen der OHG zu übertragen.
Der V. Senat des Bundesfinanzhofs stimmt einer Abweichung von seiner vorstehend wiedergegebenen Rechtsprechung für den Fall, dass der Gesellschafter ein von ihm erworbenes Wirtschaftsgut der Gesellschaft lediglich unentgeltlich zur Nutzung überlässt und insoweit nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt ist, nicht zu, da insoweit kein Widerspruch zum EuGH-Urteil „Polski Trawertyn“ [7] besteht und die Übertragung der einen Einbringungsvorgang betreffenden Entscheidungsgrundsätze auf den Fall einer unentgeltlichen Nutzungsüberlassung des von einem Gesellschafter erworbenen Wirtschaftsguts an die Gesellschaft zweifelhaft ist.
Der Gerichtshof der Europäischen Union hat in seinem Urteil „Polski Trawertyn“ entschieden, dass „die Gesellschaft, damit die Neutralität der Steuerlast gewährleistet werden kann und da es den Gesellschaftern, obwohl sie als mehrwertsteuerpflichtig angesehen werden können, nach den nationalen Rechtsvorschriften nicht möglich ist, sich auf von „Polski Trawertyn“ bewirkte steuerbare Umsätze zu berufen, um sich von den Mehrwertsteuerkosten im Zusammenhang mit den Investitionsumsätzen zu entlasten, die für die Zwecke und im Hinblick auf die Tätigkeit dieser Gesellschaft bewirkt wurden, in die Lage versetzt werden [muss], diese Investitionsumsätze beim Mehrwertsteuerabzug zu berücksichtigen (…)“ [7].
Danach sind die Gesellschafter oder die Gesellschaft aus „Investitionsumsätzen“ zum Vorsteuerabzug berechtigt. Ob ein derartiger Investitionsumsatz vorliegt, bestimmt sich aus Sicht der Gesellschaft. Denn ein Investitionsumsatz der Gesellschaft setzt den Erwerb eines Investitionsguts [8] durch die Gesellschaft voraus. Hieran fehlt es, wenn ein Investitionsgut der Gesellschaft nur zur Nutzung überlassen wird.
Hierfür spricht zum einen, dass der Gerichtshof der Europäischen Union von einem gleichrangigen Vorsteuerabzug bei den Gesellschaftern und der Gesellschaft ausgeht, so dass die Gesellschaft den von den Gesellschaftern erworbenen Gegenstand im Umfang des Erwerbs durch die Gesellschafter erlangen muss. Zum anderen ist es die wirtschaftliche Tätigkeit der Gesellschaft, aus der sich nach dem EuGH, Urteil „Polski Trawertyn“ in UR 2012, 366 eine Unternehmerstellung eines ansonsten nichtwirtschaftlich [9] tätigen Gesellschafters ableitet und sich das Vorliegen eines Investitionsumsatzes auch deshalb nach den Verhältnissen der Gesellschaft bestimmt. Dementsprechend bejaht der EuGH in seinem Urteil „Polski Trawertyn“ in UR 2012, 366 den Vorsteuerabzug aus der Einbringung eines Grundstücks in eine Gesellschaft, die umsatzsteuerrechtlich als Lieferung dieses Grundstücks an die Gesellschaft anzusehen ist.
Die Rechtsprechung des V. Senat des Bundesfinanzhofss, wonach der außerhalb einer eigenen wirtschaftlichen (unternehmerischen) Tätigkeit handelnde Gesellschafter bei einer lediglich unentgeltlichen Nutzungsüberlassung an die Gesellschaft nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt ist, steht schon deshalb nicht im Widerspruch zum EuGH-Urteil „Polski Trawertyn“, weil eine Nutzungsüberlassung einer Lieferung nicht gleichzustellen ist. Dies gilt auch für Wirtschaftsgüter, deren Übertragung wie im Fall eines Kunden- oder Mandantenstammes umsatzsteuerrechtlich keine Lieferung gemäß § 3 Abs. 1 UStG, sondern eine sonstige Leistung nach § 3 Abs. 9 UStG ist [10]. Ein Investitionsumsatz liegt dann nur vor, wenn der umsatzsteuerrechtlich als sonstige Leistung anzusehende Vorgang zu einem Erwerb des Kunden- oder Mandantenstammes führt, nicht aber auch, wenn der Kunden- oder Mandantenstamm nur zur Nutzung überlassen wird.
Im Übrigen sind sich aus dem EuGH-Urteil „Polski Trawertyn“ ergebende Auslegungszweifel vorrangig durch den Gerichtshof der Europäischen Union selbst zu klären, so dass der V. Senat des Bundesfinanzhofs erst nach einer derartigen Klärung im Rahmen einer erneuten Abweichungsanfrage über eine Aufgabe seiner bisherigen Rechtsprechung zu entscheiden hätte.
Zweifelhaft ist dabei z.B., ob die Grundsätze des EuGH-Urteils „Polski Trawertyn“ nur für gemeinsame Leistungsbezüge durch alle Gesellschafter oder auch für Leistungsbezüge durch einzelne Gesellschafter und damit z.B. auch für die individuellen Leistungsbezüge einer unbestimmten Vielzahl von Gesellschaftern einer Publikumsgesellschaft gelten, oder z.B., ob sich bereits aus dem Unionsrecht ein gegenüber dem Vorsteuerabzug der Gesellschaft vorrangiger Anspruch der Gesellschafter auf Vorsteuerabzug ergibt, so dass dies auch bei der richtlinienkonformen Auslegung des § 15 UStG zu beachten wäre.
Schließlich weist der V. Senat vorsorglich darauf hin, dass der Gerichtshof der Europäischen Union in seinem Urteil „Polski Trawertyn“ die Einbringung durch die beiden Gesellschafter im Hinblick auf eine aus der wirtschaftlichen Tätigkeit der Gesellschaft abgeleitete Unternehmerstellung als steuerbar und aufgrund einer gesonderten Steuerbefreiungsvorschrift als nicht steuerpflichtig ansieht. Der EuGH bejaht dabei den Vorsteuerabzug trotz der im Verhältnis zwischen den Gesellschaftern und der Gesellschaft gegebenen Steuerfreiheit aus Gründen der steuerlichen Neutralität. Demgegenüber besteht weder für die Übertragung noch für die Überlassung eines Kundenstamms eine Steuerbefreiung. So hat der Europäische Gerichtshof die Steuerfreiheit solcher Übertragungen auch im Anwendungsbereich des Art. 13 Teil B Buchst. c der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17.05.1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG, der unionsrechtlichen Grundlage von § 4 Nr. 28 UStG, verneint [11]. Auch diese Besonderheit könnte gegen eine Berücksichtigung des EuGH-Urteils „Polski Trawertyn“ in dem vom XI. Senat des Bundesfinanzhofs zu entscheidenden Streitfall sprechen.
Bundesfinanzhof, Beschluss vom 14. November 2012 – V ER‑S 2/12
- BFH, Urteil vom 06.09.2007 – V R 16/06, BFH/NV 2008, 1710, HFR 2008, 840[↩]
- BFH, Beschluss vom 14.11.2012 – XI R 26/10[↩]
- BFH, Urteil vom 15.01.1987 – V R 3/77, BFHE 149, 272, BStBl II 1987, 512[↩]
- BFH, Urteil vom 18.03.1988 – V R 178/83, BFHE 153, 166, BStBl II 1988, 646[↩]
- BFH, Urteil vom 16.05.2002 – V R 4/01, BFH/NV 2002, 1347[↩]
- BFH, Urteil in BFH/NV 2008, 1710, HFR 2008, 840[↩]
- EuGH, Urteil „Polski Trawertyn“ in UR 2012, 366 Rdnr. 35[↩][↩]
- zum Begriff des Investitionsguts und zur Zuordnung von Investitionsgütern und sonstigen Leistungen vgl. EuGH, Urteil vom 16.02.2012 – C‑118/11 [Eon Aset Menidjmunt OOD], Rdnrn. 33, 34, 45 f. und 53[↩]
- nichtunternehmerisch[↩]
- vgl. hierzu z.B. EuGH, Urteil vom 22.10.2009 – C‑242/08 [Swiss Re], Slg. 2009, I‑10099 zur Übertragung eines Bestandes aus Lebensrückversicherungsverträgen[↩]
- EuGH, Urteil Swiss Re in Slg. 2009, I‑10099[↩]