Vorsteuerbeträge aus Aktienverkauf

Ein Unternehmer kann die in Rechnungen i. S. d. § 14 UStG gesondert ausgewiesene Umsatzsteuer für Lieferungen und sonstige Leistungen, die von anderen Unternehmern für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, gem. § 15 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG als Vorsteuerbeträge abziehen. Vom Vorsteuerabzug ausgeschlossen ist die Steuer für die sonstigen Leistungen, die der Unternehmer zur Ausführung steuerfreier Umsätze verwendet (§ 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UStG). Verwendet der Unternehmer eine von ihm in Anspruch genommene sonstige Leistung nur zum Teil zur Ausführung von Umsätzen, die den Vorsteuerabzug ausschließen, so ist der Teil der jeweiligen Vorsteuerbeträge nicht abziehbar, der den zum Ausschluss vom Vorsteuerabzug führenden Umsätzen wirtschaftlich zuzurechnen ist (§ 15 Abs. 4 S. 1 UStG). Der Unternehmer kann die nicht abziehbaren Teilbeträge im Wege einer sachgerechten Schätzung ermitteln (§ 15 Abs. 4 Satz 2 UStG).

Vorsteuerbeträge aus Aktienverkauf

Nach Art. 17 Abs. 2 Buchstabe a der Richtlinie 77/388/EWG ist der Steuerpflichtige befugt, von der von ihm geschuldeten Steuer, die im Inland geschuldete und entrichtete Mehrwertsteuer für Gegenstände und Dienstleistungen abzuziehen, die ihm von einem anderen Steuerpflichtigen geliefert bzw. erbracht wurden, soweit diese Gegenstände und Dienstleistungen für Zwecke seiner besteuerten Umsätze verwendet werden. Soweit Gegenstände und Dienstleistungen von einem Steuerpflichtigen sowohl für Umsätze verwendet werden, für die ein Recht auf Vorsteuerabzug besteht, als auch für Umsätze, für die dieses Recht nicht besteht, ist gemäß Art. 17 Abs. 5 Unterabs. 1 der Richtlinie 77/388/EWG „… der Vorsteuerabzug nur für den Teil der Mehrwertsteuer zulässig, der auf den Betrag der erstgenannten Umsätze entfällt“. Nach Unterabs. 2 dieser Bestimmung wird dieser „Pro-rata-Satz … nach Art. 19 für die Gesamtheit der vom Steuerpflichtigen bewirkten Umsätze festgestellt“.

Weiterlesen:
Verwendung der falschen Umsatzsteuer-Identifikationsnummer

Der Vorsteuerabzug ist auch für Beratungsleistungen, die mit Aktienverkäufe in Zusammenhang stehen, nicht nach § 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UStG ausgeschlossen.

Für die Beantwortung der Frage nach der Zuordnung der Eingangsumsätze zu bestimmten Ausgangsumsätzen kommt es zunächst darauf an, ob die Veräußerung der gesellschaftsrechtlichen Beteiligung (überhaupt) ein steuerbarer (Hilfs-)Umsatz ist.

Nach der Rechtsprechung des EuGH stellen der bloße Erwerb, das bloße Halten und die Veräußerung von Gesellschaftsanteilen keine wirtschaftliche Tätigkeit i. S. der Richtlinie 77/388/EWG dar. Derartige Tätigkeiten fallen danach nicht in den Anwendungsbereich der Mehrwertsteuer1. Derartige Tätigkeiten fallen auch dann nicht in den Anwendungsbereich der Mehrwertsteuer, wenn – wie in dem vom Finanzgericht Düsseldorf entschiedenen Fall – die Beteiligung im unternehmerischen Bereich gehalten wird. Auch in diesem Fall stellt die Veräußerung der Beteiligung keine wirtschaftliche Tätigkeit dar. Dies ergibt sich für den Senat insbesondere aus dem EuGH-Urteil vom 29.04.20042 Dort grenzt der EuGH explizit und ausschließlich nur Umsätze bei einem Wertpapiergeschäft im Rahmen einer gewerblichen Tätigkeit (Handel mit Aktien) ab. Das Urteil des EuGH vom 26.05.20053 und insbesondere auch die diesbezüglichen Schlussanträge des Generalanwalts Jacobs,4 liefern eine weitere Klarstellung dahin, dass nach Auffassung des EuGH eine Veräußerung „bestehender“ Aktien eine wirtschaftliche Tätigkeit nur dann ist, wenn sie im Rahmen einer gewerblichen Tätigkeit erfolgt, die den Handel mit Aktien zum Gegenstand hat. Auch in den Entscheidungen vom 14.11.20005 und vom 27.09.20016 hat der EuGH lediglich klargestellt, dass Eingriffe einer Holding in die Verwaltung von Unternehmen, an denen sie beteiligt ist, eine wirtschaftliche Tätigkeit darstellen, wenn die Eingriffe in Form entgeltlicher Dienstleistungen erfolgen. Die wirtschaftliche Tätigkeit beschränkt sich bei richtigem Verständnis der Ausführung des EuGH aber auf diese Eingriffe. Für den EuGH ist nicht entscheidend, ob die Beteiligung im Rahmen des Unternehmens gehalten wurde oder nicht; entscheidend sind für ihn die Tätigkeiten, die zu bewerten sind. Andernfalls hätte, worauf beispielsweise Eggers/Korf7 – nach Auffassung des FG Düsseldorf zu Recht – hinweisen, der EuGH u. a. im Urteil vom 27.09.20018, entscheiden müssen, dass auch der Bezug von Dividenden in den Anwendungsbereich der Mehrwertsteuer falle. Das Finanzgericht folgt damit der in der Literatur vertretenen Auffassung, dass sich die Steuerbarkeit der Veräußerung der dem Unternehmen zugeordneten Beteiligungen zwingend auf den Fall des gewerblichen Wertpapierhandels beschränkt9. Die gegenteilige Auffassung des BMF10 beruht, so das FG Düsseldorf, aus den vorgenannten Gründen auf einem Missverständnis der einschlägigen EuGH-Rechtsprechung. Die Auffassung des BMF und damit auch des Beklagten widerspricht auch den im BFH-Urteil vom 01.07.200411 dargelegten Rechtsgrundsätzen. Der BFH hat ausgeführt, dass eine – ansonsten unternehmerisch tätige – Personengesellschaft bei Aufnahme eines Gesellschafters gegen Bareinlage (= Veräußerung einer Beteiligung an der Gesellschaft) an diesen keinen steuerbaren Umsatz und damit auch keinen nach § 4 Nr. 8 Buchstabe f UStG steuerfreien Umsatz ausführe. Im Fall Securenta12 hat der BFH betont, dass dieselben Grundsätze auch für Kapitalgesellschaften gelten.

Weiterlesen:
Zubereitung von Speisen im Altenwohnheim und Pflegeheim

Selbst wenn – entgegen allen vorstehenden Ausführungen – ein steuerbarer und steuerfreier Hilfsumsatz angenommen würde, wäre der Vorsteuerabzug nicht zu versagen. Denn wenn es sich um Hilfsumsätze i. S. des Art. 19 Abs. 2 Satz 2 der Richtlinie 77/388/EWG handelt, so dürfen sie als steuerfreie Finanz-Hilfsumsätze nicht bei der Pro-rata-Berechnung des abziehbaren Vorsteueranteils berücksichtigt werden; d. h. den Vorsteuerabzug nicht schmälern13. Bei einer – wie hier – nur gelegentlichen Beteiligungsveräußerung werden regelmäßig nur in begrenztem Maße externe Beratungsleistungen eingekauft, so dass sie nach dem vom EuGH aufgestellten Maßstab nur Hilfsumsätze bilden14.

Finanzgericht Düsseldorf, Urteil vom 10. Juni 2009 – 5 K 150/06 U

  1. EuGH, Urteile vom 08.02.2007 – Rs C-435/05 (Investrand), Rd.Nr. 25, UR 2007, 225; vom 26.05.2005 – Rs. C-465/03 (Kretztechnik), Rd.Nr. 19, UR 2005, 382; vom 29.04.2004 – Rs. C – 77/01 (EDM), Rd.Nr. 57, UR 2004, 292; vom 26.06.2003 – Rs. C-442/01 (KapHag Renditefonds), Rd.Nr. 40, UR 2003, 443[]
  2. EuGH, Urteil vom 29.04.2004 – Rs. C-77/01 (EDM), a. a. O., Rd.Nr. 57 ff.[]
  3. EuGH, Urteil vom 26.05.2005 – Rs.C-465/03 (Kretztechnik), a. a. O.[]
  4. EuGH vom 24.02.2005 Rs C-465/03 (Kretztechnik), EuGHE 2005, I-04357-, Rd.Nr. 35[]
  5. EuGH, Urteil vom 14.11.2000 – Rs. C-142/99 (Floridienne/Berginvest), UR 2000, 530[]
  6. EuGH, Urteil vom 27.09.2001 – Rs. C-16/00 (Cibo Participation), UR 2001, 500[]
  7. Eggers/Korf, DB 2008, 719 (725[]
  8. EuGH, Urteil vom 27.09.2001 – Rs. C-16/00 (Cibo Participation), a. a. O.[]
  9. Eggers/Korf, DB 2008, 719 (725); Feldt, UR 2007, 161 (169), dieser insbesondere auch zum Vergleich mit einer Geschäftsveräußerung im Ganzen; Englisch, UR 2007, 290; Mühleisen/Trapp, UR 2007, 633 (637); Wagner, Umsatz- und Verkehrssteuer-Rundschau – UVR – 2004, 310[]
  10. BMF, Schreiben vom 26.01.2007, a. a. O.; dem folgend Wäger in Festschrift für Reiß, 229 (242); Schmidt, UVR 2006, 269 (271); Birkenfeld, NWB 18/2008, Fach 7, 7041 (7043; eher kritisch zur Verwaltungsauffassung jedoch Feil/Roscher, BB 2007, 1079, 1083[]
  11. BFH, Urteil vom 01.07.2004 – V R 32/00, BStBl II 2004, 1022 (Folgeentscheidung zum Urteil des EuGH vom 26.06.2003 Rs. C – 442/01 (KapHag Renditefonds), a. a. O.).[]
  12. BFH, Urteil vom 18.11.2004 – V R 16/03, BStBl II 2005, 503[]
  13. EuGH, Urteil vom 29.04.2004 – Rs. C – 77/01 (EDM) a. a. O.; vgl. auch Wagner, UVR 2004, 310, 311, mit Hinweis auf den Vorlagebeschluss des BFH vom 27.09.2001 im Verfahren KapHag Renditefonds[]
  14. Englisch, UR 2007, 290, 299[]
Weiterlesen:
Die Kurgemeinde als Unternehmer - oder: Vorsteuerabzug für Investitionen in die Kuranlagen