Zimmervermietung im Eroscenter – und die Umsatzsteuer

Ein Bordell ist kein Hotel. Wer in einem Eroscenter Zimmer an Prostituierte entgeltlich überlässt, vermietet keine dem ermäßigten Umsatzsteuersatz unterliegenden „Wohn- und Schlafräume zur kurzfristigen Beherbergung“ und muss seine Leistungen deshalb dem Regelsteuersatz unterwerfen.

Zimmervermietung im Eroscenter – und die Umsatzsteuer

Die Steuersatzermäßigung nach § 12 Abs. 2 Nr. 11 Satz 1 UStG setzt ebenso wie § 4 Nr. 12 Satz 2 UStG eine Vermietung von Wohn- und Schlafräumen zur kurzfristigen Beherbergung voraus. Hieran fehlt es bei einer Vermietung in einem „Bordell“.

In dem jetzt vom Bundesfinanzhof entschiedenen Fall vermietete ein Bordellbetreiber Zimmer an Prostituierte. Diese „Erotikzimmer“ waren mit Doppelbett, Waschbecken, WC, Bidet, Whirlpool und Spiegeln ausgestattet. Der Tagespreis für die Zimmer betrug je nach Ausstattung 110 bis 170€ und umfasste volle Verpflegung; Bettwäsche und Handtücher wurden gestellt. Die Flure zu den Zimmern waren videoüberwacht. Der Bordellbetreiber verzichtete auf die Steuerfreiheit und unterwarf die Leistungen in der Umsatzsteuervoranmeldung dem ermäßigten Steuersatz. Finanzamt und Finanzgericht versteuerten die Umsätze nach dem Regelsteuersatz.

Das sah der Bundesfinanzhof nun genauso: Vermietet ein Unternehmer Wohn- und Schlafräume, die er zur kurzfristen Beherbergung von Fremden bereithält, so ist diese Leistung anders als die auf Dauer angelegte Vermietung steuerpflichtig (§ 4 Nr. 12 Satz 2 UStG), unterliegt aber nach § 12 Abs. 2 Nr. 11 UStG dem ermäßigten Steuersatz. Bei einem Bordell fehlt es am Tatbestandsmerkmal der „Beherbergung“. Denn die Zimmer werden den Prostituierten zur Ausübung gewerblicher Tätigkeiten überlassen.

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Nach § 12 Abs. 2 Nr. 11 UStG gilt der ermäßigte Steuersatz insbesondere für „die Vermietung von Wohn- und Schlafräumen, die ein Unternehmer zur kurzfristigen Beherbergung von Fremden bereithält“. Unionsrechtliche Grundlage hierfür ist Art. 98 Abs. 2 der Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie1 i.V.m. Anhang – III Nr. 12. Danach sind die Mitgliedstaaten berechtigt, auf die „Beherbergung in Hotels und ähnlichen Einrichtungen, einschließlich der Beherbergung in Ferienunterkünften“ einen ermäßigten Steuersatz anzuwenden.

§ 12 Abs. 2 Nr. 11 UStG ordnet im Regelungszusammenhang mit § 4 Nr. 12 Satz 1 Buchst. a und Satz 2 UStG für die gemäß § 4 Nr. 12 Satz 1 Buchst. a UStG steuerfreie, aber nach § 4 Nr. 12 Satz 2 UStG steuerpflichtige Vermietung die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes an. Dabei ist das von § 4 Nr. 12 Satz 2 UStG und § 12 Abs. 2 Nr. 11 Satz 1 UStG wortlautidentisch verwendete Tatbestandsmerkmal der „Vermietung von Wohn- und Schlafräumen, die ein Unternehmer zur kurzfristigen Beherbergung von Fremden bereithält“ einheitlich auszulegen.

§ 4 Nr. 12 Satz 2 UStG unterscheidet sich vom Grundtatbestand des § 4 Nr. 12 Satz 1 Buchst. a UStG durch die an den Mietgegenstand zu stellenden Anforderungen, bei dem es sich um zur kurzfristigen Beherbergung bereitgehaltene Wohn- und Schlafräume handeln muss. Systematisch ist § 4 Nr. 12 Satz 2 UStG ein Ausnahmetatbestand zu § 4 Nr. 12 Satz 1 Buchst. a UStG. So ist z.B. die auf Dauer angelegte Vermietung möblierter Wohn- und Schlafräume nach § 4 Nr. 12 Satz 1 Buchst. a UStG steuerfrei, da dann im Hinblick auf das zeitliche Element der Ausnahmetatbestand nach § 4 Nr. 12 Satz 2 UStG nicht vorliegt2. Damit folgt der Bundesfinanzhof der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union. Nach dessen Urteil „Elisabeth Blasi“3 ist die Dauer der Beherbergung –bei der Überlassung „vollständig möblierter und mit Kochgelegenheiten ausgestatteter Zimmer“, bei der der Vermieter „für die Gestellung und Reinigung der Bettwäsche sowie für die Reinigung der Flure, Treppenhäuser, Bäder und WCs“ zu sorgen hatte– ein geeignetes Kriterium für die Unterscheidung zwischen der Gewährung von Unterkunft im Hotelgewerbe (als steuerpflichtigem Umsatz) einerseits und der Vermietung von Wohnräumen (als befreitem Umsatz) andererseits, da sich die Beherbergung im Hotel u.a. gerade bezüglich der Verweildauer von der Vermietung eines Wohnraumes unterscheidet.

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Im Streitfall ist daher nach Ansicht des Bundesfinanzhofs die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes auf die aufgrund des Verzichts (§ 9 UStG) steuerpflichtige Leistung verneint. Es fehlt an der nach § 4 Nr. 12 Satz 2 UStG und § 12 Abs. 2 Nr. 11 Satz 1 UStG gleichermaßen erforderlichen Vermietung von zur kurzfristigen Beherbergung bereitgehaltenen Wohn- und Schlafräumen. Die von der Klägerin überlassenen Räumlichkeiten dienten nicht wie in der dem EuGH-Urteil „Elisabeth Blasi“4 zugrunde liegenden Fallgestaltung der Beherbergung von Personen, sondern wurden für die Ausübung gewerblicher Tätigkeiten5 überlassen.

Bundesfinanzhof, Urteil vom 22. August 2013 – V R 18/12

  1. Richtlinie des Rates vom 28.11.2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem 2006/112/EG[]
  2. BFH, Urteil vom 20.08.2009 – V R 21/08, BFH/NV 2010, 473, unter II.1.b aa[]
  3. EuGH, Urteil vom 12.02.1998 – C-346/95 [Elisabeth Blasi], Slg. 1998, I-481[]
  4. EuGH, Slg. 1998, I-481[]
  5. BFH, Beschluss vom 15.03.2012 – III R 30/10, BFHE 237, 421, BStBl II 2012, 661, Rz 14 ff.; und dem folgend BFH, Beschluss vom 20.02.2013 – GrS 1/12, BFHE 140, 282, BStBl II 2013, 441[]