Zusatzverpflegung an Bord von Flugzeugen

Snacks, kleine Süßigkeiten und Getränke, die an Bord eines Flugzeugs während einer Beförderung innerhalb des Gemeinschaftsgebiets gegen gesondertes Entgelt abgegeben werden, werden nach § 3e UStG am Abgangsort des Flugzeugs geliefert und damit dort zu versteuern. Es handelt sich nicht um eine Nebenleistung zur Flugbeförderung.

Zusatzverpflegung an Bord von Flugzeugen

Diese Entscheidung des Bundesfinanzhofs betrifft Sachverhalte, bei denen Ware an Bord von Flugzeugen bei Flügen innerhalb der Europäischen Union aufgrund eigenständiger Kaufverträge geliefert wird. Bei Flügen in Drittländer sind derartige Lieferungen nicht steuerbar, wenn sie erst nach Verlassen des deutschen Luftraums erbracht werden.

Nicht zu entscheiden hatte der Bundesfinanzhof dabei über die Regelverpflegung, die der Fluggast bereits aufgrund des Beförderungsvertrages als Nebenleistung zur Flugbeförderung beanspruchen kann. Diese Verpflegungsleistungen werden in der Praxis als Annex zur Flugbeförderung behandelt und bleiben dann bei grenzüberschreitenden Flügen aufgrund eines sog. Besteuerungsverzichts unbesteuert. Dies gilt gleichermaßen für EU- wie auch für Drittlandsflüge.

Wird ein Gegenstand an Bord eines Schiffes, in einem Luftfahrzeug oder in einer Eisenbahn während einer Beförderung innerhalb des Gemeinschaftsgebiets geliefert, gilt gemäß § 3e Abs. 1 UStG der Abgangsort des jeweiligen Beförderungsmittels im Gemeinschaftsgebiet als Ort der Lieferung.

Unionsrechtlich beruht diese Vorschrift auf Art. 8 Abs. 1 Buchst. c der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17.05.1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG. Für den Fall, dass die Lieferung von Gegenständen an Bord eines Schiffes, eines Flugzeugs oder in einer Eisenbahn und während des innerhalb der Gemeinschaft stattfindenden Teils einer Beförderung erfolgt, gilt danach als Ort der Lieferung der Abgangsort des Personenbeförderungsmittels.

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Unter Berücksichtigung der unionsrechtlichen Vorgaben ist entgegen der Auffassung der Fluggesellschaft nicht ersichtlich, dass § 3e Abs. 1 UStG im Widerspruch zu seinem eindeutigen Wortlaut, der nicht nach der Art der gelieferten Gegenstände unterscheidet, auf bestimmte Arten von Lieferungen wie etwa der Lieferung „abgabenfreier Ware“ zu beschränken sein könnte.

Die von der Fluggesellschaft ausgeführten Leistungen sind umsatzsteuerrechtlich als Lieferungen i.S. des § 3 Abs. 1 UStG und nicht als sonstige Leistungen anzusehen.

Nach § 3 Abs. 1 UStG sind Lieferungen eines Unternehmers Leistungen, durch die er oder in seinem Auftrag ein Dritter den Abnehmer oder in dessen Auftrag einen Dritten befähigt, im eigenen Namen über einen Gegenstand zu verfügen (Verschaffung der Verfügungsmacht). Demgegenüber war gemäß § 3 Abs. 9 Sätze 4 und 5 UStG die Abgabe von Speisen und Getränken zum Verzehr an Ort und Stelle eine sonstige Leistung, wobei Speisen und Getränke in diesem Sinne zum Verzehr an Ort und Stelle abgegeben wurden, wenn sie nach den Umständen der Abgabe dazu bestimmt waren, an einem Ort verzehrt zu werden, der mit dem Abgabeort in einem räumlichen Zusammenhang stand, und besondere Vorrichtungen für den Verzehr an Ort und Stelle bereitgehalten wurden.

Da der Wortlaut dieser Regelungen nicht in vollem Umfang richtlinienkonform war1, bestimmten § 3 Abs. 9 Sätze 4 und 5 UStG nicht abschließend, unter welchen Voraussetzungen die Abgabe von Speisen als sonstige Leistung zu beurteilen ist2, d.h. allein der Umstand, dass Speisen und Getränke zum „Verzehr an Ort und Stelle abgegeben werden“, rechtfertigt nicht die Annahme einer sonstigen Leistung3. Vielmehr liegt bei der Abgrenzung zwischen Lieferungen und sonstigen Leistungen im Bereich der Speisenzubereitung bei der Abgabe frisch zubereiteter Speisen oder Nahrungsmittel zum sofortigen Verzehr eine Lieferung vor, wenn es sich um die Abgabe von „Standardspeisen“ als Ergebnis einer „einfachen, standardisierten Zubereitung“ handelt4.

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Soweit es sich bei den von der Fluggesellschaft verkauften Snacks überhaupt um frisch zubereitete Speisen gehandelt hat, hat es sich jedenfalls um Standardspeisen in diesem Sinn gehandelt, bei deren Verkauf von einer Lieferung auszugehen ist.

Im Streitfall erfolgte die Abgabe von Snacks, kleinen Süßigkeiten und Getränken als Lieferung i.S. von § 3 Abs. 1 UStG. Es handelt sich insbesondere nicht um die Abgabe frisch zubereiteter Speisen oder Nahrungsmittel zum sofortigen Verzehr, bei denen unter bestimmten Voraussetzungen die Annahme einer sonstigen Leistung in Betracht kommen kann5.

Das Vorliegen einer sonstigen Leistung ergibt sich schließlich auch nicht daraus, dass die Fluggesellschaft Speisen und Getränke an die von ihr sitzend beförderten Fluggäste abgab. Denn als Dienstleistungselement ist bereitgestelltes Mobiliar des Leistenden nicht zu berücksichtigen, wenn es -wie im Streitfall die Sitze und die an ihnen angebrachten Klapptische- nicht ausschließlich dazu bestimmt ist, den Verzehr von Lebensmitteln zu erleichtern6.

Bei den Lieferungen der Fluggesellschaft handelte es sich nicht um Nebenleistungen zur Flugbeförderung.

Nach ständiger Rechtsprechung ist in der Regel jede Lieferung oder Dienstleistung eine eigene, selbständige Leistung. Bei einem Umsatz, der ein Bündel von Einzelleistungen umfasst, ist aber im Rahmen einer Gesamtbetrachtung zu bestimmen, ob zwei oder mehr getrennte Umsätze vorliegen oder ein einheitlicher Umsatz. Dabei sind unter Berücksichtigung eines Durchschnittsverbrauchers die charakteristischen Merkmale des Umsatzes zu ermitteln. Insoweit darf einerseits eine wirtschaftlich einheitliche Leistung nicht künstlich aufgespalten werden. Andererseits sind mehrere formal getrennt erbrachte Einzelumsätze als einheitlicher Umsatz anzusehen, wenn sie nicht selbständig sind7. Danach liegt eine einheitliche Leistung insbesondere dann vor, wenn eine oder mehrere Einzelleistungen eine Hauptleistung bilden und die andere Einzelleistung oder die anderen Einzelleistungen eine oder mehrere Nebenleistungen bilden, die das steuerliche Schicksal der Hauptleistung teilen. Eine Leistung ist insbesondere dann Neben- und nicht Hauptleistung, wenn sie für die Kundschaft keinen eigenen Zweck, sondern das Mittel darstellt, um die Hauptleistung des Leistungserbringers unter optimalen Bedingungen in Anspruch zu nehmen8.

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Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs sind bei einer auch Unterkunft und Verpflegung umfassenden Pauschalreise auf einem Schiff Übernachtung und Verpflegung Nebenleistungen zur Beförderung als Hauptleistung9. Hiervon geht der BFH auch bei einer mehrtägigen Hochseeangelreise aus10.

Im Streitfall waren die Lieferungen der Speisen und Getränke keine Nebenleistungen zur Flugbeförderung.

Es ist nicht ersichtlich, aus welchen Gründen die Abgabe dieser Gegenstände, die der Befriedigung eigenständiger Konsum- und Verbrauchszwecke dient, ein Mittel ist, um die Flugbeförderung als Hauptleistung unter optimalen Bedingungen in Anspruch zu nehmen. Welche Bedeutung vollwertigen Mahlzeiten an Bord eines Flugzeugs zukommt, deren Abgabe im Hinblick auf die Flugdauer erforderlich sein kann, ist im Streitfall nicht zu entscheiden.

Gegen die Behandlung als Nebenleistung spricht zudem die eigenständige Preisbildung. Insoweit ist zu berücksichtigen, „dass die Rechnungsstellungs- und Preisbildungsmodalitäten Hinweise auf die Einheitlichkeit einer Leistung liefern können (…) … und eine gesonderte Rechnungsstellung und eine eigenständige Bildung des Leistungspreises für das Vorliegen selbständiger Leistungen [sprechen], ohne dass diesen Faktoren allerdings eine entscheidende Bedeutung zukäme“11.

Die Lieferungen der Fluggesellschaft sind nicht steuerfrei.

Steuerfrei waren gemäß § 4 Nr. 6 Buchst. e UStG „die Abgabe von Speisen und Getränken zum Verzehr an Ort und Stelle (§ 3 Abs. 9 Satz 4) im Verkehr mit Wasserfahrzeugen für die Seeschiffahrt zwischen einem inländischen und ausländischen Seehafen und zwischen zwei ausländischen Seehäfen. …“ Für die Vorschrift besteht im Unionsrecht keine Rechtsgrundlage.

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Im Streitfall sind die Lieferungen der Fluggesellschaft nicht nach § 4 Nr. 6 Buchst. e UStG steuerfrei, da sie Speisen und Getränke nicht im Verkehr mit Wasserschiffen, sondern im Flugverkehr geliefert hat. Eine über den Wortlaut hinausgehende Auslegung dieser Vorschrift kommt im Hinblick auf ihre Unionsrechtswidrigkeit nicht in Betracht. Hierfür spricht neben dem allgemeinen Grundsatz enger Auslegung von Ausnahmetatbeständen, dass Vorschriften des nationalen Rechts auch dann eng auszulegen sind, wenn sie ansonsten nicht der Richtlinie entsprechen12.

Die Fluggesellschaft kann im Streitfall auch keinen Besteuerungsverzicht beanspruchen.

Nach § 26 Abs. 3 Satz 1 UStG kann das Bundesministerium der Finanzen unbeschadet der Vorschriften der §§ 163 und 227 der Abgabenordnung anordnen, daß die Steuer für grenzüberschreitende Beförderungen von Personen im Luftverkehr niedriger festgesetzt oder ganz oder zum Teil erlassen wird, soweit der Unternehmer keine Rechnungen mit gesondertem Ausweis der Steuer (§ 14 Abs. 1) erteilt hat. Da es sich hierbei um eine besonders geregelte Billigkeitsentscheidung handelt, ist hierüber nicht im Besteuerungsverfahren, sondern in einem gesonderten Billigkeitsverfahren zu entscheiden.

Bundesfinanzhof, Urteil vom 27. Februar 2014 – V R 14/13

  1. BFH, Urteil vom 18.12 2008 – V R 55/06, BFHE 223, 539, BFH/NV 2009, 673, unter II. 4.a[]
  2. BFH, Urteil vom 12.10.2011 – V R 66/09, BFHE 235, 525, BStBl II 2013, 250, unter II. 2.c[]
  3. BFH, Urteil in BFHE 223, 539, BFH/NV 2009, 673[]
  4. EuGH, Urteil vom 10.03.2011 – C-497/09, C-499/09, C-501/09 und C-502/09, [Bog u.a.], Slg. 2011, I-1457[]
  5. vgl. hierzu allgemein EuGH, Urteil Bog u.a. in Slg. 2011, I-1457, und BFH, Urteil in BFHE 235, 525, BStBl II 2013, 250[]
  6. BFH, Urteil vom 30.06.2011 – V R 3/07, BFHE 234, 484, BStBl II 2013, 241, Leitsatz 2[]
  7. BFH, Urteil vom 10.01.2013 – V R 31/10, BFHE 240, 380, BStBl II 2013, 352, unter II. 1.a aa[]
  8. vgl. z.B. EuGH, Urteil Bog u.a. in Slg. 2011, I-1457, Rdnr. 54, und BFH, Urteil in BFHE 240, 380, BStBl II 2013, 352, unter II. 1.a bb (1) []
  9. BFH, Urteile vom 01.08.1996 – V R 58/94, BFHE 181, 208, BStBl II 1997, 160, unter III. 2.a bb; vom 29.08.1996 – V R 103/93, BFH/NV 1997, 383; und vom 19.09.1996 – V R 129/93, BFHE 181, 216, BStBl II 1997, 164[]
  10. BFH, Urteil vom 02.03.2011 – XI R 25/09, BFHE 233, 348, BStBl II 2011, 737, Leitsatz[]
  11. EuGH, Urteil vom 17.01.2013 – C-224/11, BGZ Leasing, Umsatzsteuer-Rundschau 2013, 262, Rdnr. 44[]
  12. BFH, Urteil vom 08.03.2012 – V R 14/11, BFHE 237, 279, BStBl II 2012, 630, unter II. 2.c bb[]
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