Die insolvenzrechtliche Behandlung vor Insolvenzeröffnung entrichteter Kraftfahrzeugsteuer für ein zur Insolvenzmasse des Schuldners gehörendes Fahrzeug ist durch die Rechtsprechung des Bundesfinanzhof geklärt1. Hiernach ist die Kraftfahrzeugsteuerschuld eines Entrichtungszeitraums, in den die Insolvenzeröffnung fällt, auf die Tage vor und die Tage nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens mit der Folge aufzuteilen, dass hinsichtlich der für die Tage nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens vom Insolvenzschuldner bereits entrichteten Kraftfahrzeugsteuer ein Erstattungsanspruch entsteht.

Der Bundesfinanzhof stellt nicht in Abrede, dass nach § 7 Nr. 1 KraftStG derjenige Steuerschuldner ist, für den das Fahrzeug zum Verkehr zugelassen ist, sondern hat seine Entscheidung auf die Vorschriften der Insolvenzordnung gestützt, die das Steuerrecht überlagern und modifizieren. Da eine in den Tagen vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstandene, jedoch nicht bezahlte Kraftfahrzeugsteuer gemäß § 38 InsO Insolvenzforderung sei, jedoch die für dasselbe nach Verfahrenseröffnung weiterhin vom Insolvenzverwalter genutzte Fahrzeug entstandene Kraftfahrzeugsteuer eine Masseverbindlichkeit gemäß § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO, sei dem insolvenzrechtlich unterschiedlichen Schicksal dieser Verbindlichkeiten auch dann Rechnung zu tragen, wenn die Kraftfahrzeugsteuer bereits vor Insolvenzeröffnung im Voraus entrichtet worden sei. Die nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstandene Kraftfahrzeugsteuer sei durch Steuerbescheid gegen den Insolvenzverwalter festzusetzen, während der entsprechende vor Verfahrenseröffnung bereits im Voraus entrichtete Betrag der Insolvenzmasse zu erstatten sei. An dieser Rechtsprechung ist wegen des Vorrangs der Insolvenzordnung festzuhalten.
Diese Rechtsprechung ist in der Literatur teilweise kritisiert worden. Farr2 hält die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs lediglich für nicht zutreffend bzw. nicht überzeugend und meint, der Insolvenzschuldner bleibe auch nach Verfahrenseröffnung Schuldner der Kraftfahrzeugsteuer, was allerdings im BFH, Urteil in BFHE 207, 371, BStBl II 2005, 309 durchaus erwogen, jedoch im Ergebnis anders entschieden worden ist. Gundlach, Frenzel, Schirrmeister3 begründen ihre Kritik mit dem Sinn und Zweck der Steuervorauszahlung. Dem stehen jedoch die Ausführungen im Urteil des Bundesfinanzhofs in BFHE 207, 371, BStBl II 2005, 309 entgegen, der zufolge die Steuerschuld der Insolvenzmasse und die im Voraus entrichtete, jedoch nicht entstandene Steuerschuld des Insolvenzschuldners nur der Höhe nach identisch, wesensmäßig jedoch verschieden sind.
Ab Insolvenzeröffnung sind zwei, bei Freigabe von Vermögensgegenständen aus der Insolvenzmasse sogar drei Vermögensmassen zu unterscheiden. Bei objektbezogenen Steuern wie der Kraftfahrzeugsteuer ist die Steuerschuld daher derjenigen Vermögensmasse zuzuordnen, zu welcher das Objekt gehört. Dies wird auch in der Literatur nicht in Frage gestellt. Es erscheint deshalb nicht folgerichtig, wenn -was z.T. in der Literatur u.a. auch von den seitens der Beschwerde angeführten Autoren vertreten wird- die Zuordnung des Fahrzeugs zu den unterschiedlichen Vermögensmassen zu beachten sein soll, sofern die vor Insolvenzeröffnung festgesetzte Kraftfahrzeugsteuer pflichtwidrig nicht entrichtet wurde oder das Fahrzeug freigegeben wurde und zum insolvenzfreien Vermögen des Schuldners gehört, nicht aber, wenn die vor Insolvenzeröffnung festgesetzte Kraftfahrzeugsteuer entrichtet und das Fahrzeug nunmehr vom Insolvenzverwalter weiter genutzt wird.
Im Übrigen hat das Urteil des Bundesfinanzhofs in BFHE 207, 371, BStBl II 2005, 309 Kritik in der Literatur vor allem hervorgerufen, weil das Finanzamt in jenem Fall gegen den Erstattungsanspruch der Insolvenzmasse mit Insolvenzforderungen aufrechnen konnte. Die Frage, ob ein Erstattungsanspruch der Insolvenzmasse entstanden ist, lässt sich aber nicht mit der Begründung verneinen, eine dadurch entstehende Aufrechnungsmöglichkeit des Finanzamt sei kein wünschenswertes Ergebnis.
Darüber hinaus gibt es allerdings auch zustimmende Literaturmeinungen4. Diese führen zu Recht aus, Verbindlichkeiten, die der Insolvenzverwalter nach der Eröffnung des Verfahrens begründe, seien Masseverbindlichkeiten und könnten nicht auf die vor Insolvenzeröffnung durch den Insolvenzschuldner vorausgezahlten Beträge angerechnet werden, weil dies zu einer unzulässigen Vermischung der verschiedenen Vermögensmassen führe.
Besteht aber ein zur Insolvenzmasse gehörender Erstattungsanspruch, kann der Schuldner dieser Forderung mit eigenen Ansprüchen aufrechnen, sofern keine insolvenzrechtlichen Aufrechnungsverbote bestehen.
§ 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO hindert die seitens des Finanzamt erklärte Aufrechnung mit einer Umsatzsteuerforderung aus der Zeit vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht. Das Finanzamt ist nicht erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens etwas zur Masse schuldig geworden, vielmehr ist der Erstattungsanspruch insolvenzrechtlich als bereits vor Verfahrenseröffnung begründet anzusehen. Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des beschließenden Senats, dass für einen auf Vorauszahlungen beruhenden steuerrechtlichen Erstattungsanspruch der Rechtsgrund im insolvenzrechtlichen Sinne im Zeitpunkt der Vorauszahlung gelegt worden ist, da der Steuerpflichtige bei Steuervorauszahlungen bereits mit deren Entrichtung einen Erstattungsanspruch unter der aufschiebenden Bedingung erlangt, dass am Ende des Besteuerungszeitraums die geschuldete Steuer geringer ist als die Vorauszahlung5.
Von einer doppelten Entrichtung der Kraftfahrzeugsteuer kann in einem solchen Fall nicht die Rede sein. Durch die Verrechnung des Kraftfahrzeugsteuerguthabens mit der Umsatzsteuerforderung Mai 2008 wurde nicht die Kraftfahrzeugsteuer für die Zeit nach Insolvenzeröffnung ein weiteres Mal entrichtet, sondern die Umsatzsteuerforderung erfüllt.
Bundesfinanzhof – Beschluss vom 26. November 2013 – VII B 243/12
- BFHE 207, 371, BStBl II 2005, 309[↩]
- Farr, Die Besteuerung in der Insolvenz, Rz 434[↩]
- Gundlach, Frenzel, Schirrmeister, Die Aufrechnung gegen Steuererstattungsansprüche in der Insolvenz, DStR 2005, 1412[↩]
- vgl. Lüdtke in Hamburger Kommentar zum Insolvenzrecht, § 38 InsO Rz 57; Jarchow, ebenda, § 55 InsO Rz 65; MünchKomm-InsO, Insolvenzsteuerrecht Rz 228 ff.; Graf-Schlicker, InsO, § 55 Rz 21 f.; Busch/Hilbertz, Aufrechnung von Kraftfahrzeugsteuer im eröffneten Insolvenzverfahren, Zeitschrift für das gesamte Insolvenzverfahren 2005, 195[↩]
- vgl. BFH, Urteil vom 06.02.1996 – VII R 116/94, BFHE 179, 547, BStBl II 1996, 557; BFH, Beschluss vom 07.06.2006 – VII B 329/05, BFHE 212, 436, BStBl II 2006, 641; ebenso Farr, a.a.O., Rz 435[↩]