Verpflichtet sich ein Gesellschafter zur Abtretung eines Geschäftsanteils, verwirklicht erst ein gesellschaftsrechtlich formwirksames Rechtsgeschäft den Tatbestand des § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG. Ein formloser Gesellschafterbeschluss reicht nicht aus.

Gehört zum Vermögen einer Gesellschaft ein inländisches Grundstück, unterliegt nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG a.F. der Steuer -soweit eine Besteuerung nach Abs. 2a der Vorschrift nicht in Betracht kommt- ein Rechtsgeschäft, das den Anspruch auf Übertragung eines oder mehrerer Anteile der Gesellschaft begründet, wenn durch die Übertragung unmittelbar oder mittelbar mindestens 95 % der Anteile der Gesellschaft in der Hand des Erwerbers vereinigt werden würden.
§ 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG ist gleichermaßen auf grundbesitzende Personen- und Kapitalgesellschaften anwendbar. Der Wortlaut der Vorschrift, der von „Vermögen“ und „Anteil“ an einer grundbesitzenden „Gesellschaft“ spricht, differenziert insoweit nicht1.
§ 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG knüpft die Steuerpflicht an das Rechtsgeschäft und nicht an die tatsächliche Vereinigung der Gesellschaftsanteile in einer Hand2.
Ob ein Grundstück i.S. des § 1 Abs. 3 GrEStG zum Vermögen der Gesellschaft „gehört“, richtet sich weder nach Zivilrecht noch nach § 39 AO. Maßgebend ist vielmehr die grunderwerbsteuerrechtliche Zurechnung. Ein Grundstück „gehört“ der Gesellschaft i.S. des § 1 Abs. 3 GrEStG, wenn es ihr im Zeitpunkt der Entstehung der Steuerschuld für den nach § 1 Abs. 3 GrEStG der Grunderwerbsteuer unterliegenden Vorgang aufgrund eines unter § 1 Abs. 1, 2 oder 3 oder nunmehr auch 3a GrEStG fallenden Erwerbsvorgangs grunderwerbsteuerrechtlich zuzurechnen ist3. Die Verwirklichung des Tatbestands des § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG setzt nach dem Wortlaut der Vorschrift die Begründung eines Anspruchs auf Übereignung voraus. Dieser Anspruch muss im Regelfall zivilrechtlich wirksam und durchsetzbar sein4.
Nichterhebung der Grunderwerbsteuer bei einer Umwandlung
Infolge der rückwirkenden Änderung durch Art. 14 des Gesetzes zur Anpassung des nationalen Steuerrechts an den Beitritt Kroatiens zur EU und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften (KroatienAnpG) vom 25.07.20145 wird nach § 6a Satz 1 GrEStG für einen nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1, Abs. 2, 2a, 3 oder 3a GrEStG steuerbaren Rechtsvorgang aufgrund einer Umwandlung i.S. des § 1 Abs. 1 Nrn. 1 bis 3 des Umwandlungsgesetzes, einer Einbringung oder eines anderen Erwerbsvorgangs auf gesellschaftsvertraglicher Grundlage die Steuer nicht erhoben.
Nach § 6a Satz 3 GrEStG setzte die Nichterhebung der Steuer voraus, dass an dem Umwandlungsvorgang ausschließlich ein herrschendes Unternehmen und eine oder mehrere von diesem herrschenden Unternehmen abhängige Gesellschaften (Alternative 1) oder mehrere von einem herrschenden Unternehmen abhängige Gesellschaften (Alternative 2) beteiligt sind. Art. 14 Nr. 1 KroatienAnpG hat das Wort „Umwandlungsvorgang“ durch die Worte „dort genannten Rechtsvorgang“ ersetzt. Die neue Fassung ist nach § 23 Abs. 12 GrEStG (eingefügt durch Art. 14 Nr. 3 KroatienAnpG) auf Erwerbsvorgänge anzuwenden, die nach dem 06.06.2013 verwirklicht werden. Die rückwirkende Anwendung der Vorschrift ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.
Im Sinne von Satz 3 abhängig ist eine Gesellschaft, an deren Kapital oder Gesellschaftsvermögen das herrschende Unternehmen innerhalb von fünf Jahren vor dem Rechtsvorgang und fünf Jahren nach dem Rechtsvorgang unmittelbar oder mittelbar oder teils unmittelbar, teils mittelbar zu mindestens 95 % ununterbrochen beteiligt ist (§ 6a Satz 4 GrEStG). Die genannten Fristen müssen jedoch nur insoweit eingehalten werden, als sie aufgrund eines begünstigten Umwandlungsvorgangs auch eingehalten werden können6, BFHE 266, 343, BStBl II 2020, 337, Rz 34)).
Herrschendes Unternehmen können Einzelunternehmen, Personen- und Kapitalgesellschaften, sowie natürliche und juristische Personen sein, die wirtschaftlich tätig sind7. Die Beteiligung an den abhängigen Gesellschaften muss für die Anwendung des § 6a GrEStG nicht im Betriebsvermögen gehalten werden8.
Der Tatbestand des § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG a.F. wird nicht bereits durch einen formlosen Gesellschafterbeschluss verwirklicht. Nach § 15 Abs. 3 GmbHG bedarf es zur Abtretung von Geschäftsanteilen durch Gesellschafter eines in notarieller Form geschlossenen Vertrags. Das Gleiche gilt auch für eine Vereinbarung, durch welche die Verpflichtung eines Gesellschafters zur Abtretung eines Geschäftsanteils begründet wird (§ 15 Abs. 4 Satz 1 GmbHG). Eine ohne diese Form getroffene Vereinbarung wird zwar durch den nach Maßgabe des vorigen Absatzes geschlossenen Abtretungsvertrag gültig (§ 15 Abs. 4 Satz 2 GmbHG). Die Heilung erfolgt aber bereits zivilrechtlich nicht rückwirkend9 und kann insbesondere auch steuerlich keine Rückwirkung entfalten.
Sollte demzufolge der Gesellschafterbeschluss so auszulegen sein, dass sich die Gesellschafter bereits darin zur Abtretung der Geschäftsanteile an der A-GmbH an die Mitgesellschafterin verpflichteten, ist diese Verpflichtung erst zum Zeitpunkt der Abtretung der Anteile und damit mit der notariell beurkundeten Vereinbarung wirksam geworden.
Bundesfinanzhof, Urteil vom 16. März 2022 – II R 24/20
- BFH, Urteil vom 27.05.2020 – II R 45/17, BFHE 270, 247, BStBl II 2021, 315, Rz 12[↩]
- BFH, Urteil vom 04.03.2020 – II R 2/17, BFHE 270, 240, BStBl II 2020, 511, Rz 13 f.[↩]
- BFH, Urteile vom 11.12.2014 – II R 26/12, BFHE 247, 343, BStBl II 2015, 402, Rz 18; vom 01.12.2021 – II R 44/18, Rz 20[↩]
- BFH, Urteil in BFHE 247, 343, BStBl II 2015, 402, Rz 20, m.w.N.[↩]
- BGBl I 2014, 1266[↩]
- BFH, Urteil vom 21.08.2019 – II R 19/19 ((II R 63/14[↩]
- BFH, Urteil in BFHE 266, 343, BStBl II 2020, 337, Rz 23[↩]
- BFH, Urteil in BFHE 266, 343, BStBl II 2020, 337, Rz 24[↩]
- BGH, Urteil vom 25.03.1998 – VIII ZR 185/96, BGHZ 138, 195, unter II. 2.b aa[↩]