Gemäß § 47 AO erlöschen Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis u. a. durch Verjährung. Eine Steuerfestsetzung ist daher nicht mehr zulässig, wenn die Festsetzungsfrist abgelaufen ist (§ 169 Abs. 1 S. 1 AO); diese beträgt gemäß § 169 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 AO regelmäßig vier Jahre und beginnt grundsätzlich mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Steuer entstanden ist (§ 170 Abs. 1 AO).

Nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG entsteht die Steuer bei Erwerben von Todes wegen mit dem Tode des Erblassers.
Ist eine Steuererklärung einzureichen oder eine Anzeige zu erstatten, beginnt die Festsetzungsfrist abweichend hiervon erst mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Steuererklärung oder die Anzeige eingereicht wurde, spätestens jedoch mit Ablauf des dritten Kalenderjahres, das auf das Kalenderjahr folgt, in dem die Steuer entstanden ist (§ 170 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 AO). Die Anlaufhemmung dient dem Sicherungszweck, eine Verkürzung der Bearbeitungszeit des Finanzamts – ggf. gezielt ‑durch Verzögerung beispielsweise einer Anzeige zu vermeiden [1].
Gemäß § 30 Abs. 1 ErbStG ist jeder der Erbschaftsteuer unterliegende Erwerb vom Erwerber binnen einer Frist von drei Monaten nach erlangter Kenntnis von dem Anfall dem für die Verwaltung der Erbschaftsteuer zuständigen Finanzamt schriftlich anzuzeigen. Bei mehreren Erwerbern ist grundsätzlich jeder Erwerber anzeigepflichtig [2]. Der Inhalt der Anzeige ergibt sich aus § 30 Abs. 4 ErbStG.
Im Streitfall oblag dem Miterben nach dem Erblasser die Pflicht, seinen Erwerb nach § 30 Abs. 1 ErbStG beim Finanzamt schriftlich anzuzeigen. Ihm war sein Erwerb aufgrund des Schreibens des Nachlassgerichts, spätestens jedoch mit Erteilung des Erbscheins bekannt geworden.
Die Anzeigepflicht des Miterben war nicht nach § 30 Abs. 3 ErbStG i. d. F. bis 31.12.2008 entfallen.
Einer Anzeige bedarf es nach § 30 Abs. 3 S. 1 ErbStG i. d. F. bis 31.12.2008 nicht, wenn der Erwerb auf einer von einem deutschen Gericht oder einem deutschen Notar eröffneten Verfügung von Todes wegen beruht und sich aus der Verfügung das Verhältnis des Erwerbers zum Erblasser unzweifelhaft ergibt. Bei gesetzlicher Erbfolge obliegt dem Erwerber mangels Vorliegen einer Verfügung von Todes wegen stets eine Anzeigepflicht nach § 30 Abs. 1 ErbStG [3].
Im Streitfall beruhte der Erwerb des Miterben auf gesetzlicher Erbfolge, eine Verfügung von Todes wegen hatte der Erblasser nicht errichtet. Ein Wegfall der Anzeigepflicht nach § 30 Abs. 3 S. 1 ErbStG kommt daher nicht in Betracht.
.03. Die Anzeigen des Standesamtes, der Banken und Versicherung sowie des Nachlassgerichts berühren die Anzeigepflicht des Miterben als Erwerber nicht.
Im Erbschaftsteuerrecht existiert ein System von Anzeigepflichten, welches in seiner Gesamtheit dem Finanzamt eine vollständige Erfassung der Steuerfälle ermöglichen und die steuerrelevanten aus den angezeigten Fällen herausfiltern soll [4]. Im Streitfall waren dies insbesondere:
Gemäß § 34 Abs. 2 Nr. 1 ErbStG haben die Standesämter die Sterbefälle und gemäß § 34 Abs. 2 Nr. 2 ErbStG die Gerichte und Notare u. a. die Erteilung von Erbscheinen dem für die Verwaltung der Erbschaftsteuer zuständigen Finanzamt schriftlich anzuzeigen. Die Sterbefallmitteilung hat binnen zehn Tagen nach Ablauf des Kalendermonats zu erfolgen (§ 4 Abs. 1 S. 1 ErbStDV), das Gericht hat die Erteilung eines Erbscheins unverzüglich nach dem auslösenden Ereignis dem zuständigen Finanzamt anzuzeigen (§§ 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 2, S. 3 ErbStDV).
Gemäß § 33 Abs. 1 ErbStG haben diejenigen, die sich geschäftsmäßig mit der Verwahrung oder Verwaltung fremden Vermögens befassen, die in ihrem Gewahrsam befindlichen Vermögensgegenstände und die gegen sie gerichteten Forderungen, die beim Tod eines Erblassers zu dessen Vermögen gehörten oder über die dem Erblasser zur Zeit seines Todes die Verfügungsmacht zustand, dem für die Verwaltung der Erbschaftsteuer zuständigen Finanzamt schriftlich anzuzeigen; die Anzeigefrist beträgt grundsätzlich einen Monat nach Bekanntwerden des Todesfalles (§ 33 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 ErbStG). Versicherungsunternehmen haben, bevor sie Versicherungssummen oder Leibrenten einem anderen als dem Versicherungsnehmer auszahlen oder zur Verfügung stellen, hiervon dem Finanzamt schriftlich Anzeige zu erstatten (§ 33 Abs. 3 ErbStG).
Anzeigepflichten Dritter können im Hinblick auf die Pflicht zur Anzeige des Erwerbs lediglich dazu führen, dass die Anzeigepflicht des Erwerbers nach der Vorschrift des § 30 Abs. 3S. 2 ErbStG entfällt [5]. Das System der Anzeigepflichten soll eine möglichst vollständige Erfassung aller Erwerbe sicherstellen und dem Finanzamt die Prüfung erleichtern, ob und wen es im Einzelfall zur Abgabe einer Steuererklärung aufzufordern hat [6].
Im Streitfall war der Miterbe trotz der Anzeigen durch das Standesamt, das Nachlassgericht, zwei Banken, eine Bausparkasse sowie eine Lebensversicherung nicht von seiner Anzeigepflicht gemäß § 30 Abs. 1 ErbStG befreit worden.
Das Bestehen der Anzeigepflicht des Miterben nach § 30 Abs. 1 ErbStG führt im Streitfall dazu, dass der Lauf der Festsetzungsverjährungsfrist erst mit Ablauf des dritten Kalenderjahres nach dem Jahr der Steuerentstehung beginnt.
Besteht eine Anzeigepflicht, wird die Anlaufhemmung des § 170 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 AO zugunsten des Steuerpflichtigen grundsätzlich nur durch eine Anzeige des Steuerpflichtigen selbst, eines Vertreters oder einer für ihn handelnden Person beendet und die Festsetzungsfrist ausgelöst [7]. Anzeigen nach §§ 33, 34 ErbStG haben keinen Einfluss auf den Anlauf der Festsetzungsfrist [8], denn der Wortlaut des § 170 Abs. 2 S.01. Nr. 1 AO sieht mit der Abgabe einer Steuererklärung oder Steueranmeldung bzw. der Erstattung einer Anzeige eine Handlungspflicht des Steuerpflichtigen vor.
Im Streitfall hat der Miterbe bis zum Ablauf des dritten Kalenderjahr nach Entstehung des Steueranspruchs seinen Erwerb nicht beim Finanzamt C gemäß § 30 Abs. 1 ErbStG angezeigt und dadurch die Anlaufhemmung des Beginns der Festsetzungsfrist nicht vor Ablauf der 3‑Jahres-Frist beendet.
.02. Auch bei einer am Sicherungszweck ausgerichteten einschränkenden Auslegung des Wortlauts des § 170 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 AO ergibt sich kein Anlauf der Festsetzungsfrist zu einem früheren Zeitpunkt.
Ist ein Rechtsvorgang durch einen von mehreren Anzeigepflichtigen ordnungsgemäß angezeigt worden, wird der Beginn der Festsetzungsfrist nicht dadurch weiter hinausgeschoben, dass für denselben Rechtsvorgang zur Anzeige Verpflichtete ihre Anzeigepflicht nicht erfüllt haben [9]. Sind dem Finanzamt alle für die Prüfung eines steuerbaren Vorgangs und die Einleitung eines Besteuerungsverfahrens erforderlichen Umstände z. B. durch die Steuererklärung eines Alleinerben bekannt geworden, erfordert der Sicherungszweck des § 170 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 AO kein weiteres Hinausschieben des Beginns der Festsetzungsfrist für andere Erwerber [10]; ausreichend ist die namentliche Bezeichnung des Erblassers und des anderen Erwerbers sowie die Mitteilung des Rechtsgrundes für dessen Erwerb. Als Rechtsgrund eines Erwerbs sieht § 30 Abs. 4 Nr. 4 ErbStG beispielsweise gesetzliche Erbfolge, Vermächtnis oder Ausstattung vor. Nach Erstattung einer Anzeige nach § 30 Abs. 1 ErbStG ist eine (weitere) Anlaufhemmung gerechtfertigt, wenn das Finanzamt den Steuerpflichtigen zur Einreichung einer Steuererklärung aufgefordert hat; bei ordnungsgemäßer Erstattung der Anzeige führt erst die dem Finanzamt nachfolgend durch die Einreichung der angeforderten Steuererklärung vermittelte Kenntnis zur (endgültigen) Beendigung der Anlaufhemmung [6].
Liegt eine unvollständige Anzeige vor, ist entscheidendes Kriterium, ob die der Finanzbehörde zur Verfügung stehende Bearbeitungszeit dadurch verkürzt wird oder nicht [11]. So erfordert eine Anzeige zur Beendigung der Anlaufhemmung im Bereich des Grunderwerbsteuergesetzes die Bezeichnung des Grundstücks nach Grundbuch, Kataster, Straße und Hausnummer (§ 20 Abs. 1 Nr. 2 GrEStG), eine Anzeige ohne diese Angaben verkürzt die dem Finanzamt zur Verfügung stehende Bearbeitungszeit [12].
Im Streitfall ist in den Jahren 2006 bis 2009 keine Anzeige bzw. Steuererklärung eines Miterben des Miterben nach dem Erblasser – also von Ehefrau oder /. – mit Angaben über den Erwerb des Miterben aus dem Erbfall beim Finanzamt eingegangen, welche dem Miterben im Hinblick auf den Beginn der Festsetzungsfrist zugute kommen könnte; die gemeinsame Steuererklärung wurde erst im Jahr 2010 eingereicht.
Bei Gesamtbetrachtung aller beim Finanzamt betreffend den Erbfall zunächst eingegangenen Anzeigen nach § 33, 34 ErbStG gingen aus diesen weder der Miterbe als Erwerber noch ein Rechtsgrund für einen Erwerb hervor: Die Sterbefallmitteilung des Standesamts A-Stadt enthält lediglich Namen und Anschriften der Ehegattin und Kinder des Erblassers, wobei eine Bezeichnung als „Kinder/Abkömmlinge“ nur das persönliche Verhältnis des Miterben zum Erblasser wiedergibt und nicht den Rechtsgrund eines Erwerbs bildet (vgl. § 30 Abs. 4 Nr. 5 ErbStG; BFH, Urteil vom 16.10.1996 – II R 43/96, BStBl II 1997, 73). Die Mitteilung der zwischen einem Erwerber und dem Erblasser bestehenden persönlichen Verhältnisse lässt keinen zwingenden Schluss darauf zu, ob ein steuerbarer Erwerbsvorgang vorliegt oder nicht [13]. Würde man darüber hinaus die insoweit allgemeinen Angaben in den Sterbefallmitteilungen, welche nach § 4 ErbStDV für jeden Todesfall an das Finanzamt zu übermitteln sind, als ausreichend in diesem Sinne erachten, hätte es einer Regelung weiterer Anzeigepflichten im ErbStG sowie der Anlaufhemmung in Bezug auf die Festsetzungsfrist der Erbschaftsteuer nicht bedurft. Auch aus den Mitteilungen der Bank 1, der Bank A‑Stadt sowie der Bausparkasse geht kein Erwerber bzw. Rechtsgrund für einen Erwerb hervor, in der Anzeige der E Lebensversicherung a. G. ist auf die Bezugsberechtigung im Todesfall abgestellt.
Gehen aus der Gesamtheit der dem Finanzamt vorliegenden Anzeigen Erblasser, Erwerber und Rechtsgrund für den Erwerb nicht hervor, ist die dem Finanzamt zur Verfügung stehende Bearbeitungszeit verkürzt und die Anlaufhemmung nicht beendet. Im Streitfall waren dem Finanzamt keine erbrechtlichen Verhältnisse mitgeteilt worden, der der Erbschaft- und Schenkungssteuerstelle zunächst bekannt gewordene Umfang des Nachlassvermögens gab aufgrund der nach §§ 16, 17 ErbStG bestehenden Freibeträge keinen Anlass für weitere Ermittlungen.
Aufgrund der Begrenzung der Anlaufhemmung gemäß § 170 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 AO auf den Ablauf des dritten Kalenderjahrs des auf die Steuerentstehung folgenden Kalenderjahres begann die vierjährige Festsetzungsfrist im Streitfall mit Ablauf des Kalenderjahres 2009. Die Anzeige durch das A‑Stadt – Nachlassgericht, die vom Miterben unterzeichnete Erbschaftsteuererklärung sowie die Aufforderung an Ehefrau zur Abgabe einer Erbschaftsteuererklärung erfolgten erst nach diesem Zeitpunkt im Jahr 2010 und hatten damit keine Auswirkung mehr auf das Ende der Anlaufhemmung, ebenso wie eine an den Miterben gerichtete Aufforderung zur Abgabe einer Steuererklärung in diesem Zeitpunkt nicht mehr in den Lauf der Festsetzungsfrist eingegriffen hätte.
Finanzgericht Nürnberg, Urteil vom 3. September 2015 – – 4 K 317/14
- Jülicher in Troll/Gebel/Jülicher, ErbStG, § 30 Rn. 3; BFH, Urteil vom 27.08.2008 – II R 36/06, BStBl II 2009, 232[↩]
- Jülicher in Troll/Gebel/Jülicher, ErbStG, § 30 Rn. 6[↩]
- Theml, DStR 1998, 1118[↩]
- Kien-Hümbert in Moench/Weinmann, ErbStG, § 30 Rn. 1, § 33 Rn. 1, § 34 Rn. 1[↩]
- BFH, Urteil vom 26.10.2006 – II R 16/05, BFH/NV 2007, 852[↩]
- BFH, Urteil vom 27.08.2008 – II R 36/06, BStBl II 2009, 232[↩][↩]
- BFH, Urteil vom 26.10.2006 – II R 16/05, BFH/NV 2007, 852; BFH, Beschluss vom 07.12.1999 – II B 79/99, BStBl II 2000, 233[↩]
- BFH, Urteil vom 26.10.2006 – II R 16/05, BFH/NV 2007, 852; Jülicher in Troll/Gebel/Jülicher, ErbStG, § 33 Rn. 2[↩]
- BFH, Urteil vom 26.10.2006 – II R 16/05, BFH/NV 2007, 852; BFH, Urteil vom 06.07.2005 – II R 9/04, BStBl II 2005, 780; BFH, Urteil vom 30.10.1996 – II R 70/94, BStBl II 1997, 11[↩]
- BFH, Urteil vom 30.10.1996 – II R 70/94, BStBl II 1997, 11[↩]
- BFH, Beschluss vom 17.08.2009 – II B 172/08, BFH/NV 2009, 1970 zur Grunderwerbsteuer[↩]
- BFH, Beschluss vom 17.08.2009 – II B 172/08, BFH/NV 2009, 1970[↩]
- BFH, Urteil vom 16.10.1996 – II R 43/96, BStBl II 1997, 73[↩]
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