Aufschiebend bedingter Grundstückskauf – und die Grunderwerbsteuer

Hat eine Gesellschaft ein Grundstück unter einer aufschiebenden Bedingung gekauft, so gehört es i.S. des § 1 Abs. 3 GrEStG erst ab Eintritt der Bedingung zu ihrem Vermögen, und zwar auch dann, wenn bereits zuvor die Auflassung erklärt wird.

Aufschiebend bedingter Grundstückskauf – und die Grunderwerbsteuer

Gehört zum Vermögen einer Gesellschaft ein inländisches Grundstück, so unterliegt nach dieser Vorschrift u.a. ein Rechtsgeschäft, das den Anspruch auf Übertragung eines oder mehrerer Anteile der Gesellschaft begründet, der Grunderwerb-steuer, wenn durch die Übertragung unmittelbar oder mittelbar mindestens 95 % der Anteile der Gesellschaft in der Hand des Erwerbers allein vereinigt werden würden, soweit eine Besteuerung nach § 1 Abs. 2a GrEStG nicht in Betracht kommt.

Diese Voraussetzungen erfüllt der Vertrag vom 28.10.2006, da der Kläger bei dessen Erfüllung Alleingesellschafter der GmbH wurde und zum Vermögen der GmbH auch ohne Berücksichtigung der Grundstücke in G inländische Grundstücke gehörten.

Ob ein Grundstück i.S. des § 1 Abs. 3 GrEStG zum Vermögen der Gesellschaft „gehört“, richtet sich weder nach Zivilrecht noch nach § 39 AO. Maßgebend ist vielmehr die grunderwerbsteuerrechtliche Zurechnung. Ein Grundstück „gehört“ der Gesellschaft i.S. des § 1 Abs. 3 GrEStG, wenn es ihr im Zeitpunkt der Entstehung der Steuerschuld für den nach § 1 Abs. 3 GrEStG der Grunderwerbsteuer unterliegenden Vorgang aufgrund eines unter § 1 Abs. 1, 2 oder 3 oder nunmehr auch 3a GrEStG fallenden Erwerbsvorgangs grunderwerbsteuerrechtlich zuzurechnen ist1. Umgekehrt folgt daraus, dass ein Grundstück nicht mehr zum Vermögen der Gesellschaft „gehört“, wenn es zwar noch in ihrem Eigentum steht bzw. ihr bewertungsrechtlich zuzurechnen ist, es aber vor Entstehung der Steuerschuld Gegenstand eines Veräußerungsvorgangs i.S. des § 1 Abs. 1, 2, 3 oder 3a GrEStG war2.

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Für die grunderwerbsteuerrechtliche Zurechnung genügt es dabei nicht, wenn lediglich ein Erwerbsvorgang i.S. des § 23 GrEStG verwirklicht wurde3. Vielmehr muss einer der in § 1 Abs. 1, 2, 3 oder 3a GrEStG geregelten Tatbestände i.S. des § 38 AO verwirklicht worden sein. Die Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis entstehen nach § 38 AO, sobald der Tatbestand verwirklicht ist, an den das Gesetz die Leistungspflicht knüpft. Solange die Grunderwerbsteuer noch nicht entstanden ist, ist die Annahme, das gekaufte Grundstück gehöre bereits i.S. des § 1 Abs. 3 GrEStG zum Vermögen des Erwerbers, nicht gerechtfertigt.

Die Verwirklichung des Tatbestands des § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG setzt nach dem Wortlaut der Vorschrift die Begründung eines Anspruchs auf Übereignung voraus. Dieser Anspruch muss im Regelfall zivilrechtlich wirksam und durchsetzbar sein4, soweit sich nicht wie etwa bei Beurkundungsmängeln aus § 41 Abs. 1 AO etwas anderes ergibt5.

Wird ein Kaufvertrag über ein Grundstück unter einer aufschiebenden Bedingung (§ 158 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs) geschlossen, ist der Tatbestand des § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG vor Eintritt der Bedingung noch nicht erfüllt. Bis zum Eintritt der Bedingung besteht ein Schwebezustand, währenddessen dem Käufer noch kein durchsetzbarer Anspruch auf Übereignung des Grundstücks zusteht6. Diese Auslegung des § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG findet ihre Bestätigung in § 14 Nr. 1 GrEStG. Nach dieser Vorschrift entsteht die Steuer mit dem Eintritt der Bedingung, wenn die Wirksamkeit eines Erwerbsvorgangs von dem Eintritt einer Bedingung abhängig ist. Das GrEStG knüpft somit die Leistungspflicht i.S. des § 38 AO nicht bereits an den Abschluss eines aufschiebend bedingten Kaufvertrags über ein Grundstück.

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Wird bei einem aufschiebend bedingten Grundstückskaufvertrag die Auflassung bereits vor Bedingungseintritt erklärt, so unterliegt die Auflassung nicht gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 2 GrEStG der Grunderwerbsteuer. Auch ein aufschiebend bedingter Kaufvertrag ist i.S. des § 1 Abs. 1 Nr. 2 GrEStG ein der Auflassung vorausgegangenes Rechtsgeschäft, das einen Anspruch auf Übereignung begründet, und schließt daher die Anwendung des § 1 Abs. 1 Nr. 2 GrEStG aus7. Die Grunderwerbsteuer entsteht demgemäß ungeachtet der Auflassung erst mit Bedingungseintritt.

Aus § 41 Abs. 1 Satz 1 AO lässt sich entgegen der Ansicht des Finanzgericht nichts anderes entnehmen. Ist ein Rechtsgeschäft unwirksam oder wird es unwirksam, so ist dies nach dieser Vorschrift für die Besteuerung zwar unerheblich, soweit und solange die Beteiligten das wirtschaftliche Ergebnis dieses Rechtsgeschäfts gleichwohl eintreten und bestehen lassen. Dies gilt aber gemäß § 41 Abs. 1 Satz 2 AO nicht, soweit sich aus den Steuergesetzen etwas anderes ergibt. Diese Ausnahme von der Regel des § 41 Abs. 1 Satz 1 AO trifft aufgrund der ausdrücklich angeordneten Subsidiarität des § 1 Abs. 1 Nr. 2 GrEStG gegenüber § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG und der in § 14 Nr. 1 GrEStG getroffenen Regelung über die Steuerentstehung bei aufschiebend bedingten Erwerbsvorgängen im vorliegenden Zusammenhang zu und schließt die Anwendung des § 41 Abs. 1 Satz 1 AO aus.

Die Ausführungen des BFH im Beschluss in BFH/NV 2005, 1139, nach denen durch die wirksame Begründung eines aufschiebend bedingten Übereignungsanspruchs das Grundstück in den grunderwerbsteuerrechtlichen Zuordnungsbereich des Erwerbers gelangt, betreffen nur das Verhältnis des § 1 Abs. 1 Nr. 2 GrEStG zu Nr. 1 der Vorschrift und nicht die Frage, ab welchem Zeitpunkt ein unter einer aufschiebenden Bedingung gekauftes Grundstück i.S. des § 1 Abs. 3 GrEStG zum Vermögen einer Gesellschaft „gehört“.

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Dieselben Grundsätze gelten auch für die Frage, bis zu welchem Zeitpunkt ein Grundstück zum Vermögen einer Gesellschaft „gehört“. Verkauft die Gesellschaft das Grundstück unter einer aufschiebenden Bedingung, „gehört“ es so lange zu ihrem Vermögen, bis die Bedingung eintritt. Wird bereits zuvor die Auflassung erklärt, spielt dies keine Rolle.

In der Erklärung der Auflassung kann schon deshalb keine Vertragsänderung – Verzicht auf den Bedingungseintritt – gesehen werden, weil die den Notariatsangestellten erteilte Auflassungsvollmacht sowie Durchführungsvollmacht zur Abgabe aller erforderlichen Erklärungen und Anträge nicht die Vollmacht zu einer Änderung der Kaufverträge umfasste.

Bundesfinanzhof, Urteil vom 11. Dezember 2014 – II R 26/12

  1. BFH, Urteile vom 29.09.2004 – II R 14/02, BFHE 207, 59, BStBl II 2005, 148, unter II. 1.a; vom 19.12 2007 – II R 65/06, BFHE 220, 542, BStBl II 2008, 489, unter II. 1.b; vom 25.08.2010 – II R 65/08, BFHE 231, 239, BStBl II 2011, 225, Rz 14; und vom 15.12 2010 – II R 45/08, BFHE 232, 218, BStBl II 2012, 292, Rz 12[]
  2. BFH, Urteile in BFHE 207, 59, BStBl II 2005, 148, unter II. 1.a, und in BFHE 232, 218, BStBl II 2012, 292, Rz 12[]
  3. zur Verwirklichung eines Erwerbsvorgangs in diesem Sinn vgl. BFH, Urteile vom 17.09.1986 – II R 136/84, BFHE 147, 538, BStBl II 1987, 35; vom 08.02.2000 – II R 51/98, BFHE 191, 411, BStBl II 2000, 318; vom 29.09.2005 – II R 23/04, BFHE 210, 531, BStBl II 2006, 137, unter II. 1.a; und vom 28.03.2007 – II R 57/05, BFH/NV 2007, 1537, unter II. 1.[]
  4. vgl. BFH, Urteil vom 27.11.2013 – II R 11/12, BFH/NV 2014, 579, Rz 11[]
  5. vgl. z.B. BFH, Urteile vom 05.06.1991 – II R 83/88, BFH/NV 1992, 267; und vom 18.03.2005 – II R 19/02, BFH/NV 2005, 1368[]
  6. MünchKommBGB/H.P. Westermann, 6. Aufl., § 158 Rz 38 bis 40; Soergel-Manfred Wolf, BGB, 12. Aufl., § 158 Rz 14; Grieser, Deutsches Steuerrecht 2012, 2216[]
  7. BFH, Beschluss vom 10.02.2005 – II B 115/04, BFH/NV 2005, 1139[]
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