Beförderung zu Tagespflege – und die Kraftfahrzeugsteuerbefreiung

Der für eine Kraftfahrzeugsteuerbefreiung nach § 3 Nr. 5 KraftStG erforderliche Zusammenhang zwischen der Beförderung eines Kranken und dessen medizinischer Behandlung liegt nicht vor, wenn Personen zu einer Tagespflegestätte befördert werden.

Beförderung zu Tagespflege – und die Kraftfahrzeugsteuerbefreiung

Dies entschied jetzt der Bundesfinanzhof auf die Klage der Halterin eines Ford Transit, in dessen Zulassung eine Auffahrrampe für Rollstühle im Heck des Fahrzeugs, eine mechanisch betätigte Trittstufe sowie Befestigungseinrichtungen für zwei Rollstühle in Verbindung mit Verankerungspunkten für Personenrückhaltesysteme eingetragen sind. Die Fahrzeughalterin betreibt einen Fahrdienst. Sie schloss eine Rahmenvereinbarung mit der Krankenkasse X „über die Leistungserbringung und Vergütung von Krankenfahrten auf Grund ärztlicher Verordnung für gehunfähige Patienten“. Gegenstand der Vereinbarung ist die Leistung und Vergütung von ärztlich verordneten Krankenfahrten ohne medizinisch-fachliche Betreuung für gehunfähige Patienten, die auf die Benutzung eines Rollstuhls angewiesen sind oder nach ärztlicher Beurteilung liegend oder im Tragestuhl befördert werden müssen. Einen weiteren Vertrag schloss die Klägerin mit der Betreiberin der Tagespflegestätte „S“. Gegenstand dieser Vereinbarung ist die morgendliche Beförderung von Personen von ihrer Wohnung zu der Tagespflegestätte für Senioren „G“ und die nachmittägliche Beförderung zurück.

Die von ihr beantragte Befreiung von der Kraftfahrzeugsteuer nach § 3 Nr. 5 KraftStG lehnte das Hauptzollamt ab; die  Steuerbefreiung sei nicht zu gewähren, da mangels fachgerechter medizinischer Betreuung keine qualifizierten Krankentransporte durchgeführt worden seien, die steuerbefreite Krankenbeförderung beinhalte im Übrigen nicht den Transport von Senioren zu Tagespflegestätten.

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Das Finanzgericht Berlin-Brandenburg gab der hiergegen nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobenen Klage statt1. Die Klägerin erfülle die Voraussetzungen der Steuerbefreiung.20 % der Fahrten dienten der Beförderung von erkrankten und behandlungsbedürftigen Personen im Sinne des gesetzlichen Krankenversicherungsrechts. Auch die mit den übrigen 80 % der Fahrten durchgeführte Beförderung von Pflegebedürftigen zu einer Tagespflege erfülle die Voraussetzungen der Steuerbefreiung. Dem stehe nicht entgegen, dass dem Aufenthalt in einer Tagespflegeeinrichtung oft nur betreuender Charakter zukomme. Die unterstützenden Maßnahmen wie Gymnastik, Gruppen- und Einzelbetreuung dienten jedenfalls der Aufrechterhaltung eines lebenswerten Daseins und böten eine Hilfe, die körperlichen und/oder geistigen Beeinträchtigungen zu mildern und ihnen entgegenzuwirken und damit den Krankheitszustand des zu Pflegenden zu verbessern.

Auf die Revision des Hauptzollamtes hob der Bundesfinanzhof das finanzgerichtliche Urteil auf und wies die Klage ab; das Finanzgericht Berlin-Brandenburg habe zu Unrecht angenommen, dass die Klägerin das Fahrzeug ausschließlich zur Krankenbeförderung verwendet, wenn sie auch Personen in eine Tagespflegestätte befördere. Das Finanzgericht habe deshalb rechtsfehlerhaft die Voraussetzungen der Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 5 KraftStG bejaht:

Der Kraftfahrzeugsteuer unterliegt nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 KraftStG das Halten inländischer Fahrzeuge zum Verkehr auf öffentlichen Straßen. Befreit von der Kraftfahrzeugsteuer ist nach § 3 Nr. 5 KraftStG das Halten von Fahrzeugen, solange sie ausschließlich im Feuerwehrdienst, im Katastrophenschutz, für Zwecke des zivilen Luftschutzes, bei Unglücksfällen, im Rettungsdienst oder zur Krankenbeförderung verwendet werden. Voraussetzung ist weiterhin, dass die Fahrzeuge äußerlich als für diese Zwecke bestimmt erkennbar sind. Bei Fahrzeugen, die nicht für den Bund, ein Land, eine Gemeinde, einen Gemeindeverband oder einen Zweckverband zugelassen sind, ist außerdem Voraussetzung, dass sie nach ihrer Bauart und Einrichtung den bezeichneten Verwendungszwecken angepasst sind.

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Das vorliegend -alleine- streitige Tatbestandsmerkmal der ausschließlichen Verwendung des Fahrzeugs zur Krankenbeförderung setzt voraus, dass kranke Menschen befördert werden.

Eine Krankheit i.S. des § 3 Nr. 5 KraftStG ist nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs bei einem anomalen körperlichen, geistigen oder seelischen Zustand anzunehmen, der nach herrschender Auffassung einer medizinischen Behandlung bedarf. Die Behandlungsbedürftigkeit schließt eine gewisse Dringlichkeit der Beförderung ein; das Vorliegen eines dringenden Soforteinsatzes ist jedoch nicht erforderlich. Krankenbeförderung i.S. des § 3 Nr. 5 KraftStG setzt danach voraus, dass die beförderte Person behandlungsbedürftig ist und die Beförderung mit der Behandlung im Zusammenhang steht2.

Die Steuerbefreiung des § 3 Nr. 5 KraftStG stellt Anforderungen

  • an die zu befördernde Person,
  • an das Fahrzeug und
  • an den Zweck der Beförderung.

Bei der beförderten Person muss es sich um einen kranken Menschen handeln. Diese Person muss nach der oben ausgeführten Definition nicht nur einen anomalen körperlichen, geistigen oder seelischen Gesundheitszustand aufweisen, sondern auch behandlungsbedürftig sein.

Das für den Krankentransport eingesetzte Fahrzeug selbst muss äußerlich erkennbar für diesen Zweck bestimmt sein. Wenn Halter des Fahrzeugs weder eine der im Gesetz genannten Gebietskörperschaften noch ein Zweckverband ist, muss das Fahrzeug zudem nach Bauart und Einrichtung dem Verwendungszweck der Krankenbeförderung angepasst sein.

Die Beförderung muss schließlich mit der medizinischen Behandlung des beförderten Kranken in einem Zusammenhang stehen. Auch wenn es keines dringenden Soforteinsatzes bedarf, wie er regelmäßig bei Fahrzeugen des Rettungsdienstes gegeben ist, bedarf es für die Verwendung zur Krankenbeförderung doch einer gewissen Dringlichkeit. Diese kommt in der medizinischen Behandlungsbedürftigkeit der beförderten kranken Person zum Ausdruck.

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Das Urteil des Finanzgerichts Berlin-Brandenburg war daher aufzuheben, da das Finanzgericht den nach § 3 Nr. 5 KraftStG erforderlichen Zusammenhang zwischen der Krankheit der beförderten Person und dem Bedürfnis ihrer Beförderung zur medizinischen Behandlung übersehen hat.

Das Finanzgericht hat es für die Verwendung eines Fahrzeugs zur Krankenbeförderung als ausreichend erachtet, dass an dem Ziel der Beförderung -der Tagespflegestätte- oftmals nur betreuende Tätigkeiten vorgenommen werden. Der Zusammenhang mit einer medizinischen Behandlung sei gleichwohl zu bejahen, da der Aufenthalt durch unterstützende Maßnahmen letztlich der Aufrechterhaltung eines lebenswerten Daseins diene und helfe, den krankheitsbedingten Zustand zu verbessern.

Mit diesem Rechtsverständnis verlässt das Finanzgericht jedoch den für die Steuerbefreiung gezogenen Rahmen für die Annahme der Verwendung eines Fahrzeugs zur Krankenbeförderung. Dient die Beförderung im Wesentlichen dazu, die beförderte Person in eine Einrichtung zu bringen, in der lediglich betreuende Maßnahmen erbracht werden, so dient sie nicht dazu, eine behandlungsbedürftige kranke Person zu der erforderlichen medizinischen Behandlung zu bringen. Der Bundesfinanzhof verkennt nicht die wichtige soziale Bedeutung, die Angebote der Tagespflege für die Pflegebedürftigen und deren Angehörige erfüllen. Der Befreiungstatbestand des § 3 Nr. 5 KraftStG lässt sich nach seinem Wortlaut jedoch nicht dahin auslegen, dass die Steuerbefreiung auch eine Personenbeförderung von Menschen zu sozialrechtlich beanspruchbaren Betreuungen oder allgemein sozial wertvollen Angeboten umfasst. Eine dahingehende Steuerbefreiung bedürfte einer erweiternden gesetzlichen Regelung.

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Der Bundesfinanzhof konnte auf Grundlage der getroffenen Feststellungen selbst entscheiden und wies die Klage ab.

Nach den Feststellungen des Finanzgericht hat die Klägerin mit dem Fahrzeug zu 80 % Fahrten vorgenommen, durch die Personen von deren Wohnung in eine Tagespflegeeinrichtung und später wieder zurück befördert wurden. Dass es sich bei den beförderten Personen um behandlungsbedürftige Kranke gehandelt und ihre Beförderung im Zusammenhang mit der notwendigen medizinischen Behandlung gestanden hat, ist nicht ersichtlich.

Da die Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 5 KraftStG eine ausschließliche Verwendung des Fahrzeugs zu steuerbefreiten Zwecken verlangt, ändert es nichts an dem Entscheidungsergebnis, dass die Klägerin mit dem Fahrzeug zu 20 % auch Fahrten unternommen hat, denen eine ärztliche Verordnung zugrunde lag und bei denen deshalb eine Verwendung zur Krankenbeförderung anzunehmen ist. Die Klage musste deshalb (vollständig) abgewiesen werden.

Bundesfinanzhof, Urteil vom 17. Dezember 2020 – IV R 40/19

  1. FG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 26.09.2019 – 8 K 8214/18[]
  2. BFH, Urteile vom 13.09.2018 – III R 10/18, BFHE 262, 532, Rz 12; und vom 10.06.2019 – III R 47/18, BFHE 265, 466, Rz 14 f.[]