Ein Beherbergungsgast ist nicht antragsbefugt (§ 47 Abs. 2 VwGO) für ein Normenkontrollverfahren gegen eine Steuersatzung, mit der eine Gemeinde als indirekte Aufwandsteuer eine Übernachtungssteuer von den Beherbergungsunternehmen in der Erwartung erhebt, dass diese sie auf die Gäste abwälzen.

§ 47 Abs. 2 VwGO verlangt für den Normenkontrollantrag, dass der Hotelgast geltend macht und hinreichend substantiiert Tatsachen vorträgt, die es zumindest als möglich erscheinen lassen, dass er durch die angegriffene Rechtsvorschrift oder deren Anwendung in einer eigenen Rechtsposition verletzt wird oder, anders ausgedrückt, dass der Hotelgast durch die Norm oder deren Anwendung rechtlich betroffen wird [1]. Die so formulierte Antragsbefugnis entspricht dabei den Erfordernissen der Klagebefugnis nach § 42 Abs. 2 VwGO; eine weitergehende Antragsbefugnis besteht nicht [2]. Die Antragsbefugnis fehlt daher dann, wenn unter Zugrundelegung des Antragsvorbringens Rechte des Hotelgasts offensichtlich und eindeutig nach keiner Betrachtungsweise verletzt sein können [3]. Das bedeutet, dass die Verletzung eines subjektiven öffentlichen Rechts durch die angegriffene Rechtsvorschrift geltend gemacht werden muss; die behauptete Rechtsverletzung muss also auf die angegriffene Rechtsvorschrift zurückgehen [4].
Das gilt allerdings nicht nur bei unmittelbarer, sondern gegebenenfalls auch bei einer nur mittelbaren Betroffenheit. Entscheidend ist, dass sich die behauptete Rechtsverletzung der angegriffenen Norm zuordnen lässt [5]. Das ist der Fall, wenn die Belange Dritter in einer von den Interessen der Allgemeinheit abgehobenen Weise in den Schutzbereich der Norm einbezogen sind und daraus auf ein subjektives Recht dieser Personen auf Berücksichtigung bei der Normgebung zu schließen ist [6], im Gegensatz zu einer Regelung, die ausschließlich dem Wohl der Allgemeinheit oder dem Schutz anderer dient. Ein mittelbares Betroffensein eines Dritten, das durch die Reaktion des Normadressaten ausgelöst wird, ohne dass die Norm auch dem Schutz des Dritten dient, genügt nicht [7]. So liegt der Fall hier.
Der Hotelgast ist nicht Adressat der angegriffenen Satzung, er wird durch sie nicht zur Steuerzahlung verpflichtet, die Übernachtungssteuer schuldet der Beherbergungsbetrieb; die Antragsgegnerin kann die Steuer auch nicht vom Hotelgast einziehen. Allein die Verpflichtung von Beherbergungsunternehmen zur Steuerzahlung hat keine rechtlichen Wirkungen auf den Hotelgast. Vielmehr bedarf es für seine Rechtsbetroffenheit eines Beherbergungsvertrages. Erst mit Abschluss des Beherbergungsvertrages kann der Beherbergungsbetrieb die Steuer auf das Beherbergungsentgelt aufschlagen und auf diese Weise abwälzen. Der Beherbergungsvertrag ist aber nicht ein Vollziehungsakt der öffentlichen Gewalt, sondern ein privatrechtlicher Vertrag. Dieser ist dadurch gekennzeichnet, dass er vom Beherbergungsunternehmer gestaltet wird und es auf diese Weise dem Unternehmer überlassen bleibt, wer am Ende die Steuer trägt. Die Steuer ist zwar auf Abwälzung angelegt [8], es besteht aber weder ein Zwang zur Abwälzung noch eine Garantie, dass sie gelingt. Ein Eingriff in ein subjektives öffentliches Recht des Hotelgasts als Drittem liegt darin nicht [9]. Die angegriffene Satzung entfaltet gegenüber dem Kläger ebenso wenig eine Schutzwirkung wie Art. 105 Abs. 2a GG, der ausschließlich dem öffentlichen Interesse, Steuereinnahmen zu erzielen, dient. Das allgemeine Interesse an der Rechtmäßigkeit von Steuernormen verleiht dem Hotelgast kein subjektiv öffentliches Recht gegenüber der Antragsgegnerin.
Die Rechtsweggarantie nach Art.19 Abs. 4 GG fordert eine Antragsbefugnis nicht. Verfassungsrecht gebietet es schon nicht, eine prinzipale Normenkontrolle gegen untergesetzliche Rechtsnormen einzuführen [10]. Über die bestehenden Klagemöglichkeiten kann jedes subjektive Recht durchgesetzt werden; damit ist den Anforderungen des Gebots effektiven Rechtsschutzes (Art.19 Abs. 4 GG) genügt [11]. Art.19 Abs. 4 GG zwingt den Gesetzgeber auch nicht, einer bestimmten Rechtsform die „optimale“ Rechtsschutzform zuzuordnen oder die Verwaltung auf solche Formen festzulegen, die den umfassendsten Rechtsschutz zur Folge haben [12]. Deshalb kann der Hotelgast auch nicht mit seinem Argument durchdringen, dass ohne eine Antragsbefugnis im Normenkontrollverfahren die Antragsgegnerin mit der Formulierung ihrer Satzung den Rechtsschutz „unterlaufe“.
Aus diesem Grund greift auch der Verweis auf den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 17. Januar 2006 [13] nicht. Danach verlangt die Rechtsschutzgarantie des Art.19 Abs. 4 GG auch Rechtsschutz gegen die Rechtsetzung der Exekutive in der Form von Rechtsverordnungen und Satzungen [14]. Jedoch war der Kläger in diesem Verfahren als Adressat von auf der angegriffenen verfassungswidrigen Verordnung beruhenden Bescheiden in einem subjektiven Recht betroffen, was im vorliegenden Fall gerade nicht der Fall ist. Auch die Urteile des Bundesfinanzhofes vom 8. Juni 2011 und 25. April 2012 [15] können hierfür nicht herangezogen werden. Denn in beiden Fällen hat der Bundesfinanzhof eine verfassungsrechtliche Rechtsweggarantie für einen Dritten gesehen, für den die Steuerfestsetzung gegenüber dem Steuerpflichtigen ebenfalls verbindlich ist, weshalb der Dritte im Sinne des Art.19 Abs. 4 Satz 1 GG in seinen Rechten verletzt sein kann [16]. So liegt der Fall hier aber gerade nicht.
Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 30. August 2013 – 9 BN 2.13
- BVerwG, Beschluss vom 29.12.2011 – 3 BN 1.11, Buchholz 310 § 47 Nr. 183 Rn. 3; vgl. auch Schenke, Rechtsschutz bei normativem Unrecht, 1979, S. 259[↩]
- vgl. auch BT-Drs. 13/1433 S. 9, 13/3993 S. 10[↩]
- stRspr, vgl. BVerwG, Urteil vom 24.09.1998 – 4 CN 2.98, BVerwGE 107, 215, 217 ff.; Beschlüsse vom 02.03.2005 – 6 BN 7.04; und vom 08.06.2011 – 4 BN 42.10, BauR 2011, 1641; und vom 29.12.2011 a.a.O.[↩]
- vgl. BVerwG, Urteil vom 18.11.2002 – 9 CN 1.02, BVerwGE 117, 209, 212 f.; Gerhardt/Bier, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand August 2012, § 47 Rn. 49[↩]
- BVerwG, Urteil vom 17.12.1998 – 1 CN 1.98, BVerwGE 108, 182, 184; Beschluss vom 14.02.1991 – 4 NB 25.89, Buchholz 310 § 47 VwGO Nr. 56 S. 70 zu § 47 VwGO a.F.[↩]
- BVerwG, Urteil vom 11.12.2003 – 4 CN 10.02, BVerwGE 119, 312, 315 f.; Gerhardt/Bier, a.a.O. Rn. 71[↩]
- vgl. BVerwG, Urteil vom 15.11.1985 – 8 C 43.83, BVerwGE 72, 226, 229 f.; Beschluss vom 14.02.1991 a.a.O. S. 70[↩]
- vgl. zur Vergnügungssteuer BVerfG, Beschluss vom 04.02.2009 – 1 BvL 8/05, BVerfGE 123, 1, 35; BVerwG, Urteil vom 10.12.2009 – 9 C 12.08, BVerwGE 135, 367 = Buchholz 401.68 Vergnügungssteuer Nr. 47 Rn. 28[↩]
- vgl. zu Genehmigung einer Versicherungsprämienerhöhung BVerwG, Urteil vom 16.07.1968 – 1 A 5.67, BVerwGE 30, 135, 136 f.; zu einer Mieterhöhungsgenehmigung Urteil vom 15.11.1985 a.a.O. S. 229; zu einer Zweckentfremdungsgenehmigung Urteil vom 22.04.1994 – 8 C 29.92, BVerwGE 95, 341, 359[↩]
- BVerfG, Beschluss vom 27.07.1971 – 2 BvR 443/70, BVerfGE 31, 364, 370; BVerwG, Beschlüsse vom 02.04.1993 – 7 B 38.93, Buchholz 310 § 43 VwGO Nr. 117; und vom 02.09.1983 – 4 BN 1.83, BVerwGE 68, 12, 14; vgl. auch Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, Stand Januar 2013, Art.19 Abs. 4 Rn. 74; Schenke, a.a.O. S. 163[↩]
- BVerwG, Beschluss vom 22.07.2013 – 7 BN 1.13[↩]
- Schmidt-Aßmann, a.a.O. Rn. 67[↩]
- BVerfg, Beschluss vom 17.01.2006 – 1 BvR 541, 542/02, BVerfGE 115, 81[↩]
- BVerfG, a.a.O. S. 92, 95[↩]
- BFH, Urteile vom 08.06.2011 – I R 79/10, BFHE 234, 101; und vom 25.04.2012 – I R 2/11, BFH/NV 2012, 1649[↩]
- BFH, Urteile vom 08.06.2011 a.a.O. Rn. 15; und vom 25.04.2012 a.a.O. Rn. 24[↩]
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