Schriftliche Steuerbescheide müssen inhaltlich hinreichend bestimmt sein (§ 119 Abs. 1 AO). Erforderlich ist u.a. die Bezeichnung der festgesetzten Steuer nach Art und Betrag (§ 157 Abs. 1 Satz 2 AO). Mehrere Steuerfälle erfordern entweder eine Festsetzung in getrennten Steuerbescheiden oder -bei körperlicher Zusammenfassung in einem Schriftstück- die genaue Angabe, welche Lebenssachverhalte (Besteuerungstatbestände) dem Steuerbescheid zugrunde liegen, sowie eine gesonderte Steuerfestsetzung für jeden einzelnen Lebenssachverhalt (Steuerfall). Die fehlende Angabe der besteuerten einzelnen Lebenssachverhalte führt zur Nichtigkeit eines solchen Bescheids nach § 125 Abs. 1 AO1.

Ob diese Voraussetzungen erfüllt sind, ist im Wege der Auslegung unter Berücksichtigung der Auslegungsregeln der §§ 133, 157 BGB festzustellen. Entscheidend sind der erklärte Wille der Behörde und der sich daraus ergebende objektive Erklärungsinhalt der Regelung, wie ihn der Betroffene nach den ihm bekannten Umständen unter Berücksichtigung von Treu und Glauben verstehen konnte2. Bei der Auslegung des Bescheids ist nicht allein auf dessen Tenor abzustellen, sondern auch auf den materiellen Regelungsgehalt einschließlich der für den Bescheid gegebenen Begründung3. Zweifel gehen zu Lasten der Behörde4.
Zur Auslegung eines Verwaltungsakts ist auch das Revisionsgericht befugt, wenn die tatsächlichen Feststellungen des Finanzgericht hierzu ausreichen. Der BFH ist an die Auslegung eines Steuerfestsetzungsbescheids durch das Finanzgericht nicht gebunden5. Dem entsprechend kann das Revisionsgericht eine Auslegung auch dann vornehmen, wenn das Finanzgericht -mangels entsprechender Rüge- sich mit dieser Thematik nicht befasst hat, gleichwohl, wie hier, die zur Beurteilung erforderlichen Dokumente festgestellt sind.
Nach diesen Maßstäben genügte in dem hier vom Bundesfinanzhof entschiedenen Streitfall der angefochtene Bescheid den formellen Anforderungen. Er benennt eine Schenkung des Klägers an B vom 31.12.2006. Damit konnte allein die Schenkung gemeint sein, die auf dem Vertrag mit B vom 28.12.2006 beruhte, denn nur diese besaß wirtschaftliche Wirkung zum 31.12.2006. Eine Verwechselung mit einer Schenkung an den Bruder des B ist wegen der Namensnennung ausgeschlossen, wegen der Benennung des Datums der wirtschaftlichen Wirkung aber auch eine Verwechselung mit Schenkungen, die im Jahre 2009 wirksam wurden. Die Angabe des schenkungsteuerrechtlich zutreffenden Stichtags ist nicht erforderlich, da sie zur Identifikation des steuerpflichtigen Vorgangs im Streitfall nicht benötigt wird.
Bundesfinanzhof, Urteil vom 6. November 2019 – II R 34/16
- vgl. BFH, Urteil vom 30.08.2017 – II R 46/15, BFHE 259, 370, BStBl II 2019, 38, Rz 16, 17[↩]
- vgl. BFH, Urteil vom 12.02.2014 – II R 46/12, BFHE 244, 455, BStBl II 2014, 536, Rz 25, zur Grunderwerbsteuer[↩]
- vgl. BFH, Urteil vom 07.12.2016 – II R 21/14, BFHE 256, 381, BStBl II 2018, 196, Rz 26[↩]
- vgl. BFH, Urteil vom 21.07.2011 – II R 7/10, BFH/NV 2011, 1835, Rz 16[↩]
- vgl. BFH, Urteile vom 11.07.2006 – VIII R 10/05, BFHE 214, 18, BStBl II 2007, 96, unter II. 3.b aa, und in BFH/NV 2011, 1835, Rz 17[↩]
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