Der Streit um die Grunderwerbsteuer – und die abweichende Festsetzung aus Billigkeitsgründen

Die Festsetzung von Grunderwerbsteuer und die abweichende Festsetzung der Grunderwerbsteuer aus Billigkeitsgründen nach § 163 AO begründen zwei selbständige Verfahren. Hat das Finanzamt im Rahmen einer die Festsetzung betreffenden Einspruchsentscheidung erstmals über einen Billigkeitsantrag entschieden, stellt eine unmittelbar erhobene Klage insoweit eine Sprungklage dar. Stimmt das Finanzamt dieser nicht zu, gilt sie als Einspruch. Das Verfahren ist formlos an das Finanzamt abzugeben.

Der Streit um die Grunderwerbsteuer – und die abweichende Festsetzung aus Billigkeitsgründen

Hinsichtlich der Festsetzung der Grunderwerbsteuer ist die Klage in einem solchen Fall mithin durch das Finanzgericht zu entscheiden. Hinsichtlich der Billigkeitsentscheidung ist das Verfahren an das Finanzamt abzugeben. Das Verfahren betreffend die Steuerfestsetzung und das Verfahren betreffend die Billigkeitsentscheidung nach § 163 AO sind zwei eigenständige Verwaltungsverfahren1 und führen deshalb im Prozess zu zwei selbständigen Streitgegenständen und Entscheidungen.

Soweit es den Antrag nach § 163 AO betrifft, ist das Verfahren formlos als Einspruch an das Finanzamt abzugeben. Das Finanzgericht entscheidet andernfalls entgegen § 66 FGO insoweit in der Sache über eine nicht anhängige Klage.

Die Sachentscheidungsvoraussetzungen sind in jedem Verfahrensstadium und auch noch im Revisionsverfahren von Amts wegen zu prüfen2.

Über eine Verpflichtungsklage darf nach § 44 Abs. 1 FGO grundsätzlich nur entschieden werden, wenn das Vorverfahren über den außergerichtlichen Rechtsbehelf ganz oder zum Teil erfolglos geblieben ist. Ausnahmsweise ist die Klage nach § 45 Abs. 1 Satz 1 FGO als sog. Sprungklage ohne Vorverfahren zulässig, wenn die Behörde, die über den außergerichtlichen Rechtsbehelf zu befinden hat, innerhalb eines Monats nach Zustellung der Klageschrift dem Gericht gegenüber zustimmt. Stimmt die Behörde nicht zu, ist die Klage nach § 45 Abs. 3 FGO als außergerichtlicher Rechtsbehelf zu behandeln. Nach der darin liegenden Umwandlung in einen Einspruch ist das Verfahren formlos an das Finanzamt abzugeben. Die Klage kann auch nicht als Untätigkeitsklage gemäß § 46 Abs. 1 FGO behandelt werden, da sie im Stadium des nicht beschiedenen Einspruchs nicht mehr anhängig ist3.

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Nach diesen Maßstäben war im hier entschiedenen Streitfall das Verfahren nach § 163 AO formlos an das Finanzamt abzugeben, das nunmehr zur Entscheidung über den Einspruch berufen ist. Nachdem die Klägerin während des Einspruchsverfahrens gegen die Festsetzung erstmals eine Billigkeitsmaßnahme beantragt hatte, hat das Finanzamt im Rahmen der Einspruchsentscheidung erstmals über die Billigkeitsfrage entschieden. Insoweit handelte es sich um einen ersten Bescheid. Der unmittelbar darauf folgenden Sprungklage hat das Finanzamt nicht zugestimmt, sodass die Klage als Einspruch zu behandeln ist, der noch nicht beschieden wurde.

Bundesfinanzhof, Urteil vom 23. Februar 2021 – II R 22/19

  1. vgl. BFH, Urteil vom 29.11.2016 – VI R 61/14, BFHE 256, 102, BStBl II 2017, 718, Rz 23, m.w.N.[]
  2. ständige Rechtsprechung, vgl. etwa BFH, Urteile vom 19.10.2017 – III R 25/15, BFH/NV 2018, 546, Rz 14; und vom 15.01.2019 – II R 39/16, BFHE 263, 473, BStBl II 2019, 627, Rz 34[]
  3. vgl. BFH, Urteile vom 27.05.2009 – X R 34/06, BFH/NV 2009, 1826, unter II. 1. und 3.; vom 14.07.2009 – VIII R 22/08, juris; und vom 08.11.2016 – I R 1/15, BFHE 256, 195, BStBl II 2017, 720, Rz 10 und 16[]