Die Grundstücke einer Untergesellschaft – und ihre Zurechnung bei der Grunderwerbsteuer

Ein inländisches Grundstück „gehört“ einer Gesellschaft i.S. des § 1 Abs. 2a GrEStG nur dann, wenn es ihr im Zeitpunkt der Entstehung der Steuerschuld für den nach § 1 Abs. 2a GrEStG der Grunderwerbsteuer unterliegenden Vorgang aufgrund eines zuvor unter § 1 Abs. 1 bis 3a GrEStG fallenden und verwirklichten Erwerbsvorgangs grunderwerbsteuerrechtlich zuzurechnen ist. Ein Grundstück einer Untergesellschaft ist einer Obergesellschaft grunderwerbsteuerrechtlich nur zuzurechnen, wenn die Obergesellschaft selbst es aufgrund eines Erwerbsvorgangs nach § 1 Abs. 1 bis 3a GrEStG erworben hat.

Die Grundstücke einer Untergesellschaft – und ihre Zurechnung bei der Grunderwerbsteuer

Der Übergang von mindestens 95 % der Anteile am Gesellschaftsvermögen an einer Personengesellschaft unterliegt nur dann nach § 1 Abs. 2a GrEStG a.F. der Grunderwerbsteuer, wenn der Gesellschaft im Zeitpunkt des Übergangs der Anteile ein inländisches Grundstück „gehört“.

Gehört zum Vermögen einer Personengesellschaft ein inländisches Grundstück und ändert sich innerhalb von fünf Jahren der Gesellschafterbestand unmittelbar oder mittelbar dergestalt, dass mindestens 95 % der Anteile am Gesellschaftsvermögen auf neue Gesellschafter übergehen, gilt dies als ein auf die Übereignung eines Grundstücks auf eine neue Personengesellschaft gerichtetes Rechtsgeschäft (§ 1 Abs. 2a GrEStG a.F.).

Ob ein Grundstück i.S. des § 1 Abs. 2a GrEStG zum Vermögen der Gesellschaft „gehört“, richtet sich weder nach Zivilrecht noch nach § 39 AO; maßgebend ist vielmehr die grunderwerbsteuerrechtliche Zurechnung1. Diese zu § 1 Abs. 3 GrEStG entwickelten Grundsätze gelten auch für § 1 Abs. 2a GrEStG. Das folgt aus dem insoweit identischen Wortlaut und der systematischen Stellung der Vorschriften zueinander.

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Danach „gehört“ ein inländisches Grundstück der Gesellschaft, wenn es ihr im Zeitpunkt der Entstehung der Steuerschuld für den nach § 1 Abs. 2a GrEStG der Grunderwerbsteuer unterliegenden Vorgang aufgrund eines unter § 1 Abs. 1 bis 3a GrEStG fallenden und verwirklichten Erwerbsvorgangs grunderwerbsteuerrechtlich zuzurechnen ist2.

Ein Grundstück „gehört“ nicht (mehr) zum Vermögen der Gesellschaft, wenn es zwar noch in ihrem Eigentum steht, es aber vor dem Übergang der Anteile am Gesellschaftsvermögen Gegenstand eines Veräußerungsvorgangs i.S. des § 1 Abs. 1 bis 3a GrEStG war3. Umgekehrt „gehört“ ein Grundstück (noch) nicht der Gesellschaft, wenn es ihr im Zeitpunkt des Übergangs der Anteile am Gesellschaftsvermögen nicht aufgrund eines Erwerbsvorgangs nach § 1 Abs. 1 bis 3a GrEStG grunderwerbsteuerrechtlich zuzurechnen ist.

Diese Grundsätze gelten auch bei mehrstöckigen Beteiligungen, bei denen eine Obergesellschaft an einer grundbesitzenden Gesellschaft unmittelbar oder mittelbar beteiligt ist. Ein Grundstück der Untergesellschaft ist der Obergesellschaft grunderwerbsteuerrechtlich nur zuzurechnen, wenn die Obergesellschaft selbst es aufgrund eines Erwerbsvorgangs nach § 1 Abs. 1 bis 3a GrEStG erworben hat. Der bloße Erwerb des Grundstücks durch die Untergesellschaft führt nicht zu einer automatischen Zurechnung bei der Obergesellschaft bzw. im Falle mehrstöckiger Beteiligungsketten bei den Obergesellschaften. Das bloße Halten einer Beteiligung in einer bestimmten Höhe stellt selbst keinen grunderwerbsteuerbaren Erwerbsvorgang dar.

Diese Sichtweise ist durch den Regelungszweck des § 1 Abs. 2a GrEStG gedeckt. Aus § 1 Abs. 2a GrEStG wie auch aus § 1 Abs. 2b bis 3a GrEStG folgt, dass Grundstücke einer Gesellschaft dem Gesellschafter nicht automatisch, sondern nur dann zuzurechnen sind, wenn die jeweiligen Erwerbstatbestände aufgrund von Vorgängen des Rechtsverkehrs erfüllt sind.

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Deshalb kann einer Obergesellschaft auch nicht allein wegen der Beteiligung an einer Untergesellschaft deren Grundstück nach § 1 Abs. 2 GrEStG zugerechnet werden. Anders als z.B. einem Treugeber, der aufgrund der Treuhandabrede bei einem Grundstückserwerb durch den Treuhänder zugleich den Tatbestand des § 1 Abs. 2 GrEStG verwirklicht, steht einem Gesellschafter die Verwertungsbefugnis an dem Grundstück der Gesellschaft nicht zu. Die Einwirkungsmöglichkeiten eines Gesellschafters auf Gesellschaftsebene reichen für eine Verwertungsbefugnis i.S. des § 1 Abs. 2 GrEStG nicht aus. Das folgt aus der Systematik des Grunderwerbsteuerrechts, das Gesamthandsgemeinschaften und Kapitalgesellschaften als eigene Rechtssubjekte behandelt4.

Da die Ergänzungstatbestände § 1 Abs. 2a bis 3a GrEStG jeweils auch den mittelbaren Übergang von Beteiligungen an grundbesitzenden Gesellschaften erfassen, besteht auch keine Notwendigkeit, einer Obergesellschaft allein aufgrund ihrer Beteiligung an einer Untergesellschaft deren Grundstücke zuzurechnen. Eine Besteuerungslücke entsteht dadurch nicht.

Nach § 23 Abs. 6 Satz 2 GrEStG ist u.a. § 1 Abs. 3 GrEStG a.F., der eine Herabsetzung auf 95 % vorsah, erstmals auf Erwerbsvorgänge anzuwenden, die nach dem 31.12.1999 verwirklicht werden. War die Grenze von 95 % bereits vorher überschritten, führt der Zuerwerb weiterer Anteile nach dem Wortlaut und Wortsinn des § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG a.F. nicht zu einer Tatbestandsverwirklichung, weil es durch den Erwerb nicht „erstmalig“ zu einer Anteilsvereinigung kommt5. Eine anderweitige Auslegung des § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG a.F. ist nicht möglich, da dies eine steuerverschärfende teleologische Extension einer intertemporalen Anwendungsvorschrift wäre. Wie vom Finanzgericht zutreffend ausgeführt, fehlt es an einer dafür erforderlichen Regelungslücke. Vielmehr hat der Gesetzgeber in § 23 Abs. 6 Satz 2 GrEStG klar zum Ausdruck gebracht, dass die alte Regelung nicht über den 31.12.1999 hinaus weiter anwendbar sein sollte.

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Auf die Frage, ob durch die späteren Einbringungen und Umwandlungen der Tatbestand des § 6 Abs. 3 Satz 2 GrEStG a.F. verwirklicht wurde, kommt es folgerichtig nicht mehr an.

Bundesfinanzhof, Urteil vom 1. Dezember 2021 – II R 44/18

  1. vgl. BFH, Urteil vom 11.12.2014 – II R 26/12, BFHE 247, 343, BStBl II 2015, 402, Rz 18; Viskorf/Meßbacher-Hönsch, 20. Aufl., GrEStG § 1 Rz 736, 863; Pahlke, Grunderwerbsteuergesetz, Kommentar, 6. Aufl., § 1 Rz 277; Hofmann, Grunderwerbsteuergesetz, Kommentar, 11. Aufl., § 1 Rz 98; Behrens in Behrens/Wachter, Grunderwerbsteuergesetz, § 1 Rz 330[]
  2. vgl. BFH, Urteil in BFHE 247, 343, BStBl II 2015, 402, Rz 18, m.w.N.[]
  3. vgl. BFH, Urteile vom 15.12.2010 – II R 45/08, BFHE 232, 218, BStBl II 2012, 292, Rz 12, und in BFHE 247, 343, BStBl II 2015, 402, Rz 18[]
  4. BFH, Urteil vom 20.04.2016 – II R 54/14, BFHE 253, 276, BStBl II 2016, 715, Rz 13, m.w.N.; Viskorf/Meßbacher-Hönsch, a.a.O., § 1 Rz 649[]
  5. absolut h.M., beruhend auf BFH, Urteil vom 23.03.1977 – II R 18/74, BFHE 122, 162, BStBl II 1977, 565, zu § 1 Abs. 3 GrEStG Berlin; Gleich lautende Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder zur Anwendung des § 1 Abs. 3 GrEStG in der Fassung der Bekanntmachung des Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/2002 vom 02.12.1999, BStBl I 1999, 991; vgl. ferner Pahlke, a.a.O., § 23 Rz 28; Hofmann, Grunderwerbsteuergesetz, Kommentar, 8. Aufl., § 23 Rz 17; Behrens in Behrens/Wachter, a.a.O., § 1 Rz 488, jeweils m.w.N.[]
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