Ist bei einer Grundstücksschenkung unter Auflage (hier Verpflichtung zur Einräumung eines Wohnrechts am Grundstück) die Auflage bei der Schenkungsteuer dem Grunde nach bereicherungsmindernd abziehbar, unterliegt sie mit ihrem nach den für die Grunderwerbsteuer geltenden Vorschriften zu ermittelnden Wert der Grunderwerbsteuer. § 3 Nr. 2 GrEStG gebietet es nicht, die Auflage bei der Schenkungsteuer und bei der Grunderwerbsteuer nach übereinstimmenden Maßstäben zu bewerten.

Der Wert des Wohnrechts, der unter bestimmten Voraussetzungen der Grunderwerbsteuer unterliegt, kann mithin nach Ansicht des Bundesfinanzhofs höher sein als der Wert des Wohnrechts, der bei der Berechnung der Schenkungsteuer abgezogen wurde.
Bei der Bemessung der Schenkungsteuer ist der Wert des Wohnrechts vom gesondert festgestellten Grundstückswert abzuziehen. Insoweit vermindert sich die festzusetzende Schenkungsteuer. Der Wert des Wohnrechts hängt dabei vom Jahreswert des Wohnrechts und der statistischen Lebenserwartung des Schenkers ab. Der Jahreswert des Wohnrechts wiederum wird gesetzlich begrenzt auf höchstens den Betrag, der sich ergibt, wenn man den Grundstückswert durch 18,6 teilt. Diese gesetzliche Begrenzung auf einen Höchstbetrag gilt nach der Entscheidung des BFH allerdings nicht bei der Berechnung des Werts des Wohnrechts für Zwecke der Grunderwerbsteuer. Dies hat zur Konsequenz, dass der Wert des Wohnrechts bei der Grunderwerbsteuer höher sein kann als der Wert, der bei der Berechnung der Schenkungsteuer abgezogen wurde.
Konkret betroffen von der Entscheidung des Bundesfinanzhofs sind beispielsweise Grundstücksschenkungen an Geschwister, Nichten oder Neffen. In diesen Fällen unterliegt der Wert des Wohnrechts der Grunderwerbsteuer. Nicht betroffen sind dagegen Schenkungen zwischen Ehegatten, eingetragenen Lebenspartnern oder Verwandten in gerader Linie (Eltern und deren Kinder bzw. Stiefkinder). Entsprechendes gilt für Schenkungen an Ehegatten von Verwandten in gerader Linie (Schwiegersöhne und Schwiegertöchter). Für diese Fälle ist für das vorbehaltene Wohnrecht keine Grunderwerbsteuer zu entrichten. Denn, ob der Wert des Wohnrechts der Grunderwerbsteuer unterliegt, hängt davon ab, in welchem rechtlichen Verhältnis Schenker und Beschenkter zueinander stehen.
Nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG unterliegt ein Rechtsgeschäft, das den Anspruch auf Übereignung eines inländischen Grundstücks begründet, der Grunderwerbsteuer. Von der Besteuerung ausgenommen sind gemäß § 3 Nr. 2 Satz 1 GrEStG Grundstücksschenkungen unter Lebenden im Sinne des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes (ErbStG). Soweit die Schenkung unter einer Auflage erfolgt, die bei der Schenkungsteuer abziehbar ist, unterliegt der Vorgang jedoch hinsichtlich des Werts der Auflage der Grunderwerbsteuer (§ 3 Nr. 2 Satz 2 GrEStG).
Eine Schenkung unter einer Auflage (§ 525 Abs. 1BGB) in diesem Sinn liegt vor, wenn die Leistung des Beschenkten nicht für die Zuwendung, sondern auf der Grundlage und aus dem Wert der Zuwendung erfolgen soll1. Dies ist etwa der Fall, wenn die Grundstücksschenkung unter der Auflage einer Nießbrauchsbestellung oder der Bestellung eines dinglichen Wohnungsrechts (§§ 1090, 1093 BGB) zugunsten des Schenkers oder eines Dritten vorgenommen wird2.
Derartige Nutzungs- oder Duldungsauflagen mindern bei der Schenkungsteuer die Bereicherung i.S. des § 10 Abs. 1 Satz 1 ErbStG3. Dies gilt für Besteuerungszeitpunkte nach dem 31.12 2008 auch dann, wenn die Grundstücksnutzung dem Schenker oder dessen Ehegatten zusteht; denn das insoweit früher in § 25 Abs. 1 Satz 1 ErbStG vorgesehene Abzugsverbot wurde durch Art. 1 Nr.20 i.V.m. Art. 6 Abs. 1 des Erbschaftsteuerreformgesetzes (ErbStRG)4 mit Wirkung ab 1.01.2009 aufgehoben und gilt daher gemäß § 37 Abs. 1 ErbStG i.d.F. des Art. 1 Nr. 29 Buchst. a ErbStRG nicht mehr für Erwerbe, für die die Steuer nach dem 31.12 2008 entsteht5.
Die Abziehbarkeit der Nutzungs- oder Duldungsauflagen bei der Schenkungsteuer hat gemäß § 3 Nr. 2 Satz 2 GrEStG zur Folge, dass der Grundstückserwerb mit dem Wert der Auflage der Grunderwerbsteuer unterliegt6. Ist die freigebige Zuwendung (§ 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG) unter der bei der Schenkungsteuer abziehbaren Auflage erfolgt, dass der Bedachte dem Schenker ein lebenslängliches Wohnungsrecht einräumt, entspricht der Wert der Auflage dem Wert des Wohnungsrechts, das nach § 1 Abs. 1 i.V.m. §§ 14 und 15 BewG mit seinem Kapitalwert zu bewerten ist. Bei dem Wohnungsrecht handelt es sich um eine Nutzung, die nicht in Geld besteht und deren Jahreswert deshalb gemäß § 15 Abs. 2 BewG mit dem üblichen Mittelpreis des Verbrauchsorts anzusetzen ist. Der Jahreswert ist für die Anwendung des § 3 Nr. 2 Satz 2 GrEStG anders als bei der Bemessung der Schenkungsteuer nicht nach § 16 BewG auf den Wert beschränkt, der sich ergibt, wenn der für das zugewendete Grundstück für Zwecke der Schenkungsteuer gemäß § 12 Abs. 3 ErbStG nach den Vorschriften des BewG (§ 151 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 157 Abs. 3, §§ 176 bis 198) anzusetzende Wert durch 18,6 geteilt wird. § 16 BewG findet gemäß § 17 Abs. 3 Satz 2 BewG auf die Grunderwerbsteuer keine Anwendung.
Dem § 3 Nr. 2 GrEStG lässt sich nichts anderes entnehmen. Die Vorschrift begründet weder eine verfahrensrechtliche noch eine materiell-rechtliche Bindung der Bemessung der Grunderwerbsteuer an den Wert, mit dem die Auflage bei der Festsetzung der Schenkungsteuer berücksichtigt wurde oder zu berücksichtigen ist. Vielmehr ist der ohne Berücksichtigung des § 16 BewG ermittelte Wert der Auflage der Bemessung der Grunderwerbsteuer zugrunde zu legen7. Es spielt dabei keine Rolle, ob Schenkungsteuer festgesetzt wurde und ggf. mit welchem Wert die Auflage sich dabei bereicherungsmindernd auswirkte. Dies hat der Bundesfinanzhof bereits mit dem Beschluss vom 5. MÄrz 19758 und den Urteilen vom 17. September 19759 und vom 20. April 197710 zur seinerzeitigen Fassung des § 3 Nr. 2 GrEStG entschieden11.
Die Neufassung des § 3 Nr. 2 Satz 2 GrEStG durch Art. 7 Nr. 2 des Jahressteuergesetzes 199712 hat daran nichts geändert. Durch diese Vorschrift, nach der Schenkungen unter einer Auflage der Besteuerung hinsichtlich des Werts solcher Auflagen unterliegen, die bei der Schenkungsteuer abziehbar sind, hat der Gesetzgeber lediglich im Anschluss an den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 15. Mai 198413 klargestellt, dass Auflagen, die bei der Schenkungsteuer nicht abziehbar sind, sondern nur zu einer Stundung der Steuer nach § 25 ErbStG a.F. führen, der Bemessung der Grunderwerbsteuer nicht zugrunde gelegt werden dürfen14.
Dies hat indes nichts daran geändert, dass die Festsetzung von Schenkungsteuer einerseits und von Grunderwerbsteuer andererseits verfahrensrechtlich und materiell-rechtlich grundsätzlich unabhängig voneinander nach den jeweils geltenden Vorschriften zu erfolgen haben15. Wie sich aus dem Wortlaut des § 3 Nr. 2 Satz 2 GrEStG ergibt, der den Nebensatz „die bei der Schenkungsteuer abziehbar sind“, grammatikalisch an „Auflagen“ anknüpft, soll es für die Grunderwerbsteuer nur darauf ankommen, dass die Auflage bei der Schenkungsteuer dem Grunde nach abziehbar ist. Hätte der Gesetzgeber etwas anderes regeln wollen, hätte er dies durch eine entsprechende Formulierung zum Ausdruck bringen können und müssen, etwa durch die Anordnung, dass eine Schenkung unter einer Auflage der Grunderwerbsteuer unterliegt, soweit der Wert der Auflage bei der Schenkungsteuer abgezogen wurde oder abziehbar ist.
Ein Verfassungsverstoß liegt in der getroffenen gesetzlichen Regelung auch dann nicht, wenn aufgrund der unterschiedlichen Bewertungsvorschriften der Wert der Auflage, der der Bemessung der Grunderwerbsteuer zugrunde zu legen ist, höher ist als der bei der Schenkungsteuer abziehbare Wert. Die Hinnahme solcher Wertdifferenzen ist vielmehr auch aus verfassungsrechtlicher Sicht zumutbar.
Bundesfinanzhof – Urteil vom 20. November 2013 – II R 38/12
- BFH, Urteil vom 29.01.1992 – II R 41/89, BFHE 167, 189, BStBl II 1992, 420[↩]
- BFH, Urteil vom 13.04.2011 – II R 27/09, BFHE 233, 174, BStBl II 2011, 730, Rz 12[↩]
- BFH, Urteil vom 17.10.2001 – II R 72/99, BFHE 196, 296, BStBl II 2002, 25, unter II. 3.b; Gebel in Troll/Gebel/Jülicher, ErbStG, § 7 Rz 160, 494, § 10 Rz 4; Geck in Kapp/Ebeling, ErbStG, Einleitung Rz 25.1 ff., § 7 ErbStG, Rz 76 ff.[↩]
- vom 24.12 2008, BGBl I 2008, 3018[↩]
- vgl. z.B. Gebel, a.a.O., § 25 Rz 5; Geck, a.a.O., Einleitung Rz 25.1 f., 28.1, § 7 Rz 76; Eisele in Kapp/Ebeling, § 25 ErbStG, Rz 1; Meßbacher-Hönsch in Boruttau, Grunderwerbsteuergesetz, 17. Aufl., § 3 Rz 262[↩]
- Hofmann, Grunderwerbsteuergesetz, Kommentar, 9. Aufl., § 3 Rz 24 f.; Meßbacher-Hönsch in Boruttau, a.a.O.[↩]
- Gottwald, Zeitschrift für die Steuer- und Erbrechtspraxis 2006, 83, 85; a.A. FG Nürnberg, Beschluss vom 23.07.2013 4 – V 545/13, EFG 2013, 1789[↩]
- BFH, Beschluss vom 05.03.1975 – II B 61/74, BFHE 115, 151, BStBl II 1975, 419[↩]
- BFH, Urteil vom 17.09.1975 – II R 42/70, BFHE 117, 280, BStBl II 1976, 126[↩]
- BFH, Urteil vom 20.04.1977 – II R 48/76, BFHE 122, 355, BStBl II 1977, 676[↩]
- vgl. auch BFH, Urteil vom 07.09.1994 – II R 99/91, BFH/NV 1995, 433, unter II. 1.a; Hofmann, a.a.O., § 3 Rz 7[↩]
- vom 20.12 1996, BGBl I 1996, 2049[↩]
- BVerfG, Beschluss vom 15.05.1984 – 1 BvR 464/81 u.a., BVerfGE 67, 70, BStBl II 1984, 608, unter C.IV.[↩]
- vgl. dazu BFH, Urteil in BFH/NV 1995, 433[↩]
- Meßbacher-Hönsch, a.a.O., § 3 Rz 100[↩]