Die Anrechnung der Grunderwerbsteuer nach § 1 Abs. 6 Satz 2 GrEStG ist nicht Bestandteil der gesonderten Feststellung gemäß § 17 Abs. 3 GrEStG.

Nach § 17 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GrEStG werden bei einem nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG steuerbaren Rechtsgeschäft die Besteuerungsgrundlagen durch das Geschäftsleitungsfinanzamt gesondert festgestellt, wenn ein außerhalb des Bezirks des Geschäftsleitungsfinanzamts belegenes Grundstück betroffen ist.
Die für die Grunderwerbsteuer maßgebende Zuständigkeit eines Finanzamts für die Steuerfestsetzung oder die Feststellung von Besteuerungsgrundlagen nach § 17 Abs. 3 GrEStG ergibt sich aus § 17 Abs. 2 Satz 3 des Gesetzes über die Finanzverwaltung und den darauf beruhenden (landesgesetzlichen) Zuständigkeitsverordnungen. Bei diesen Verordnungen handelt es sich um nicht revisibles Landesrecht1.
Zu den nach § 17 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GrEStG gesondert festzustellenden Besteuerungsgrundlagen gehören die verbindliche Entscheidung über die Steuerpflicht des jeweiligen Erwerbsvorgangs dem Grunde nach, über die als Steuerschuldner in Betracht kommenden natürlichen oder juristischen Personen und über die Finanzämter, die zur Steuerfestsetzung berufen sind. Zu den Besteuerungsgrundlagen gehört auch die Angabe der betroffenen Grundstücke. Gesondert festzustellen ist außerdem der Zeitpunkt, auf den der Grundbesitz der Gesellschaft nach § 8 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 GrEStG zu bewerten ist2. Zu entscheiden ist schließlich über eine Steuerbefreiung oder Nichterhebung der Steuer nach §§ 5 bis 7 GrEStG dem Grunde und der Höhe nach3.
Zu den Steuerbefreiungen, über die im Rahmen der gesonderten Feststellung zu entscheiden ist, gehört auch die Steuerbefreiung nach § 6a GrEStG4.
Die Nichterhebung der Steuer gemäß § 1 Abs. 6 Satz 2 GrEStG ist hingegen nicht Bestandteil der gesonderten Feststellung. Sie hat vielmehr durch das jeweilige für die Festsetzung der Grunderwerbsteuer zuständige Finanzamt (Festsetzungsfinanzamt) zu erfolgen5. Die Anrechnung der Bemessungsgrundlage nach § 1 Abs. 6 Satz 2 GrEStG ist keine Steuerbefreiung und auch nicht der -im BFH-Urteil vom 12.01.20226 angesprochenen- Nichterhebung der Steuer nach §§ 5 bis 7 GrEStG vergleichbar. § 1 Abs. 6 Satz 1 GrEStG stellt vielmehr ausdrücklich klar, dass nicht nur der erste, sondern auch der zweite Rechtsvorgang der Steuer unterliegt; durch Satz 2 wird lediglich eine Doppelbesteuerung der in Satz 1 genannten Rechtsvorgänge vermieden7. Die Entscheidung über eine Anrechnung nach § 1 Abs. 6 GrEStG erfordert weitere Informationen, die üblicherweise das für den Erlass des gesonderten Feststellungsbescheids zuständige Finanzamt nicht besitzt. Vielmehr kennt das Festsetzungsfinanzamt die Bemessungsgrundlage und die Höhe der festgesetzten Steuer für den vorausgegangenen Erwerbsvorgang. Auf dieser Informationsgrundlage kann es die Nichterhebung der Steuer nach § 1 Abs. 6 Satz 2 GrEStG durchführen.
Nach § 17 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 GrEStG kann von der gesonderten Feststellung abgesehen werden, wenn der Erwerb steuerfrei ist. Von einer gesonderten Feststellung ist jedoch nur dann abzusehen, wenn dies sofort erkennbar, klar und eindeutig ist und keiner weiteren Überprüfung bedarf. In allen anderen Fällen ist eine gesonderte Feststellung durchzuführen und in dem Feststellungsbescheid eine Entscheidung über den Umfang der Steuerbefreiung zu treffen8.
Bundesfinanzhof, Urteil vom 16. März 2022 – II R 24/20
- BFH, Urteil vom 22.05.2019 – II R 24/16, BFHE 265, 454, BStBl II 2020, 157, Rz 22, m.w.N.[↩]
- BFH, Urteil vom 04.03.2020 – II R 35/17, BFHE 268, 545, BStBl II 2020, 514, Rz 15[↩]
- vgl. Finanzgericht Hamburg, Urteil vom 07.01.2011 – 3 K 60/10, Deutsches Steuerrecht/Entscheidungsdienst 2013, 232, Rz 36; BFH, Urteil vom 12.01.2022 – II R 4/20, zur amtlichen Veröffentlichung bestimmt, Rz 12[↩]
- vgl. BFH, Urteile vom 22.08.2019 – II R 18/19 (II R 62/14), BFHE 266, 379, BStBl II 2020, 352; und vom 21.08.2019 – II R 21/19 (II R 56/15), BFHE 266, 361, BStBl II 2020, 344[↩]
- vgl. gleich lautende Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder vom 01.03.2016, BStBl I 2016, 282, Tz 9; Viskorf/Meßbacher-Hönsch, 20. Aufl.2021, GrEStG § 1 Rz 1385; Viskorf/Loose, a.a.O., § 17 Rz 69; Pahlke, Grunderwerbsteuergesetz, Kommentar, 6. Aufl., § 1 Rz 472[↩]
- BFH, Urteil vom 12.01.2022 – II R 4/20[↩]
- vgl. Viskorf/Meßbacher-Hönsch, a.a.O., § 1 Rz 1367[↩]
- vgl. gleich lautende Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder in BStBl I 2016, 282, Tz 10; Viskorf/Loose, a.a.O., § 17 Rz 76; Hofmann, Grunderwerbsteuergesetz, Kommentar, 11. Aufl., § 17 Rz 14; Pahlke, a.a.O., § 17 Rz 31[↩]